Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Verschiedenheiten in den Werken Arten sollten mittheilen lassen; daß es entwedereine Erzählung mit Götter- und Heldengeschich- ten und Wundern und Erscheinungen; oder eine dialogische Vorstellung, und zwar diese, wenn sie traurig ist, zwischen Königen und Fürsten, und wenn sie lustig ist, zwischen Bürgern und Bedien- ten; oder daß es ein Gesang, und in diesem als- dann nur Empfindungen mit Enthusiasmus und Unordnung; oder daß es endlich eine Fabel seyn müsse, wenn etwas ein Gedicht seyn soll? Man stelle sich einmal vor, unser Klima wäre zuerst bevölkert, unsere Nation zuerst civilisirt, unsere Sprache zuerst ausgebildet worden; unsere Reli- gion, unsere Geschichte, unser Naturkenntnisse, unsre Regierungsformen wären die ältesten gewe- sen. Hätte sich wohl auch ein einziges Stück der alten Dichtkunst so vorstellen lassen, wie es izt ist? Hätte wohl irgend ein Mensch an Epopeen und Oden und Schauspiele nach Art der Alten denken können? Würden wir wohl, wenn wir von der ganzen Natur und dem menschlichen Ge- schlechte nichts weiter gewußt hätten, als was Verſchiedenheiten in den Werken Arten ſollten mittheilen laſſen; daß es entwedereine Erzaͤhlung mit Goͤtter- und Heldengeſchich- ten und Wundern und Erſcheinungen; oder eine dialogiſche Vorſtellung, und zwar dieſe, wenn ſie traurig iſt, zwiſchen Koͤnigen und Fuͤrſten, und wenn ſie luſtig iſt, zwiſchen Buͤrgern und Bedien- ten; oder daß es ein Geſang, und in dieſem als- dann nur Empfindungen mit Enthuſiaſmus und Unordnung; oder daß es endlich eine Fabel ſeyn muͤſſe, wenn etwas ein Gedicht ſeyn ſoll? Man ſtelle ſich einmal vor, unſer Klima waͤre zuerſt bevoͤlkert, unſere Nation zuerſt civiliſirt, unſere Sprache zuerſt ausgebildet worden; unſere Reli- gion, unſere Geſchichte, unſer Naturkenntniſſe, unſre Regierungsformen waͤren die aͤlteſten gewe- ſen. Haͤtte ſich wohl auch ein einziges Stuͤck der alten Dichtkunſt ſo vorſtellen laſſen, wie es izt iſt? Haͤtte wohl irgend ein Menſch an Epopeen und Oden und Schauſpiele nach Art der Alten denken koͤnnen? Wuͤrden wir wohl, wenn wir von der ganzen Natur und dem menſchlichen Ge- ſchlechte nichts weiter gewußt haͤtten, als was <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0168" n="162"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Verſchiedenheiten in den Werken</hi></fw><lb/> Arten ſollten mittheilen laſſen; daß es entweder<lb/> eine Erzaͤhlung mit Goͤtter- und Heldengeſchich-<lb/> ten und Wundern und Erſcheinungen; oder eine<lb/> dialogiſche Vorſtellung, und zwar dieſe, wenn ſie<lb/> traurig iſt, zwiſchen Koͤnigen und Fuͤrſten, und<lb/> wenn ſie luſtig iſt, zwiſchen Buͤrgern und Bedien-<lb/> ten; oder daß es ein Geſang, und in dieſem als-<lb/> dann nur Empfindungen mit Enthuſiaſmus und<lb/> Unordnung; oder daß es endlich eine Fabel ſeyn<lb/> muͤſſe, wenn etwas ein Gedicht ſeyn ſoll? Man<lb/> ſtelle ſich einmal vor, unſer Klima waͤre zuerſt<lb/> bevoͤlkert, unſere Nation zuerſt civiliſirt, unſere<lb/> Sprache zuerſt ausgebildet worden; unſere Reli-<lb/> gion, unſere Geſchichte, unſer Naturkenntniſſe,<lb/> unſre Regierungsformen waͤren die aͤlteſten gewe-<lb/> ſen. Haͤtte ſich wohl auch ein einziges Stuͤck der<lb/> alten Dichtkunſt ſo vorſtellen laſſen, wie es izt<lb/> iſt? Haͤtte wohl irgend ein Menſch an Epopeen<lb/> und Oden und Schauſpiele nach Art der Alten<lb/> denken koͤnnen? Wuͤrden wir wohl, wenn wir<lb/> von der ganzen Natur und dem menſchlichen Ge-<lb/> ſchlechte nichts weiter gewußt haͤtten, als was<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [162/0168]
Verſchiedenheiten in den Werken
Arten ſollten mittheilen laſſen; daß es entweder
eine Erzaͤhlung mit Goͤtter- und Heldengeſchich-
ten und Wundern und Erſcheinungen; oder eine
dialogiſche Vorſtellung, und zwar dieſe, wenn ſie
traurig iſt, zwiſchen Koͤnigen und Fuͤrſten, und
wenn ſie luſtig iſt, zwiſchen Buͤrgern und Bedien-
ten; oder daß es ein Geſang, und in dieſem als-
dann nur Empfindungen mit Enthuſiaſmus und
Unordnung; oder daß es endlich eine Fabel ſeyn
muͤſſe, wenn etwas ein Gedicht ſeyn ſoll? Man
ſtelle ſich einmal vor, unſer Klima waͤre zuerſt
bevoͤlkert, unſere Nation zuerſt civiliſirt, unſere
Sprache zuerſt ausgebildet worden; unſere Reli-
gion, unſere Geſchichte, unſer Naturkenntniſſe,
unſre Regierungsformen waͤren die aͤlteſten gewe-
ſen. Haͤtte ſich wohl auch ein einziges Stuͤck der
alten Dichtkunſt ſo vorſtellen laſſen, wie es izt
iſt? Haͤtte wohl irgend ein Menſch an Epopeen
und Oden und Schauſpiele nach Art der Alten
denken koͤnnen? Wuͤrden wir wohl, wenn wir
von der ganzen Natur und dem menſchlichen Ge-
ſchlechte nichts weiter gewußt haͤtten, als was
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |