Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

der ältesten und neuern Schriftsteller.
schmack der ersten Person, die durch dieselbe be-
kannt worden ist, entschieden, nach welchen Re-
geln alle künftige arbeiten sollten. Die erste Ent-
deckung eines neuen Werks zum Nutzen oder zur
Bequemlichkeit der Gesellschaft, ist ein Werk des
Zufalls, das heißt, eines Zusammenflusses von
Ursachen, die wir nicht aus einander setzen kön-
nen. Sobald der Mensch die Früchte derselben
genießt, so giebt ihm seine Trägheit so viel An-
hänglichkeit an die Form, unter welcher er die
Sache zuerst gesehen hat, daß nun gar nicht mehr
davon die Rede ist, ob nicht vielleicht, wenn
noch nichts erfunden wäre, sein eigner Verstand
ihn auf einem andern Wege zu demselben Ziele
würde geführt haben. Eine zweyte Erfindung
kostet oft mehr als die erste, weil man, außer
der Schwierigkeit der Unternehmung selbst, noch
zugleich den Hang der Nachahmung überwinden
muß.

In der That ist es wohl begreiflich, daß die
Empfindungen des Menschen in Versen oder in
Prose sich auf nicht mehr als vier oder fünferley

L

der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.
ſchmack der erſten Perſon, die durch dieſelbe be-
kannt worden iſt, entſchieden, nach welchen Re-
geln alle kuͤnftige arbeiten ſollten. Die erſte Ent-
deckung eines neuen Werks zum Nutzen oder zur
Bequemlichkeit der Geſellſchaft, iſt ein Werk des
Zufalls, das heißt, eines Zuſammenfluſſes von
Urſachen, die wir nicht aus einander ſetzen koͤn-
nen. Sobald der Menſch die Fruͤchte derſelben
genießt, ſo giebt ihm ſeine Traͤgheit ſo viel An-
haͤnglichkeit an die Form, unter welcher er die
Sache zuerſt geſehen hat, daß nun gar nicht mehr
davon die Rede iſt, ob nicht vielleicht, wenn
noch nichts erfunden waͤre, ſein eigner Verſtand
ihn auf einem andern Wege zu demſelben Ziele
wuͤrde gefuͤhrt haben. Eine zweyte Erfindung
koſtet oft mehr als die erſte, weil man, außer
der Schwierigkeit der Unternehmung ſelbſt, noch
zugleich den Hang der Nachahmung uͤberwinden
muß.

In der That iſt es wohl begreiflich, daß die
Empfindungen des Menſchen in Verſen oder in
Proſe ſich auf nicht mehr als vier oder fuͤnferley

L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="161"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der a&#x0364;lte&#x017F;ten und neuern Schrift&#x017F;teller.</hi></fw><lb/>
&#x017F;chmack der er&#x017F;ten Per&#x017F;on, die durch die&#x017F;elbe be-<lb/>
kannt worden i&#x017F;t, ent&#x017F;chieden, nach welchen Re-<lb/>
geln alle ku&#x0364;nftige arbeiten &#x017F;ollten. Die er&#x017F;te Ent-<lb/>
deckung eines neuen Werks zum Nutzen oder zur<lb/>
Bequemlichkeit der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, i&#x017F;t ein Werk des<lb/>
Zufalls, das heißt, eines Zu&#x017F;ammenflu&#x017F;&#x017F;es von<lb/>
Ur&#x017F;achen, die wir nicht aus einander &#x017F;etzen ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Sobald der Men&#x017F;ch die Fru&#x0364;chte der&#x017F;elben<lb/>
genießt, &#x017F;o giebt ihm &#x017F;eine Tra&#x0364;gheit &#x017F;o viel An-<lb/>
ha&#x0364;nglichkeit an die Form, unter welcher er die<lb/>
Sache zuer&#x017F;t ge&#x017F;ehen hat, daß nun gar nicht mehr<lb/>
davon die Rede i&#x017F;t, ob nicht vielleicht, wenn<lb/>
noch nichts erfunden wa&#x0364;re, &#x017F;ein eigner Ver&#x017F;tand<lb/>
ihn auf einem andern Wege zu dem&#x017F;elben Ziele<lb/>
wu&#x0364;rde gefu&#x0364;hrt haben. Eine zweyte Erfindung<lb/>
ko&#x017F;tet oft mehr als die er&#x017F;te, weil man, außer<lb/>
der Schwierigkeit der Unternehmung &#x017F;elb&#x017F;t, noch<lb/>
zugleich den Hang der Nachahmung u&#x0364;berwinden<lb/>
muß.</p><lb/>
        <p>In der That i&#x017F;t es wohl begreiflich, daß die<lb/>
Empfindungen des Men&#x017F;chen in Ver&#x017F;en oder in<lb/>
Pro&#x017F;e &#x017F;ich auf nicht mehr als vier oder fu&#x0364;nferley<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0167] der aͤlteſten und neuern Schriftſteller. ſchmack der erſten Perſon, die durch dieſelbe be- kannt worden iſt, entſchieden, nach welchen Re- geln alle kuͤnftige arbeiten ſollten. Die erſte Ent- deckung eines neuen Werks zum Nutzen oder zur Bequemlichkeit der Geſellſchaft, iſt ein Werk des Zufalls, das heißt, eines Zuſammenfluſſes von Urſachen, die wir nicht aus einander ſetzen koͤn- nen. Sobald der Menſch die Fruͤchte derſelben genießt, ſo giebt ihm ſeine Traͤgheit ſo viel An- haͤnglichkeit an die Form, unter welcher er die Sache zuerſt geſehen hat, daß nun gar nicht mehr davon die Rede iſt, ob nicht vielleicht, wenn noch nichts erfunden waͤre, ſein eigner Verſtand ihn auf einem andern Wege zu demſelben Ziele wuͤrde gefuͤhrt haben. Eine zweyte Erfindung koſtet oft mehr als die erſte, weil man, außer der Schwierigkeit der Unternehmung ſelbſt, noch zugleich den Hang der Nachahmung uͤberwinden muß. In der That iſt es wohl begreiflich, daß die Empfindungen des Menſchen in Verſen oder in Proſe ſich auf nicht mehr als vier oder fuͤnferley L

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/167
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/167>, abgerufen am 22.11.2024.