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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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der ältesten und neuern Schriftsteller.
gesammleten Begriffe haben immer mehr oder we-
niger an dem Eindrucke gekünstelt, den die Sa-
chen auf einen völlig noch uneingenommenen Geist
machen würden. Selbst das, was wir für reine
lautere Beobachtung halten, ist schon zum Theil
aus unserm übrigen Gedankensystem gefolgert. --
Ueberdieß, je mehr wir uns die Hervorbringung
und Zusammensetzung gewisser Gedanken Arbeit
kosten lassen, desto mehr sind wir in Gefahr, die
nächsten unmittelbarsten Verhältnisse der Begriffe
zu übersehen, und dafür entferntere und weit her-
gesuchte zu wählen. Die einfältige, nackende,
einleuchtende Wahrheit, so wie sie sich dem bloß
ruhigen Zuschauer der Natur von selbst darbietet,
wird von dem zu geschäftig suchenden Geiste über-
gangen, und an ihre Stelle sezt er eine Menge
erkünstelter halb falscher Sätze, denen er erst durch
den Ausdruck wieder einen Schein von Wahrheit
und Aehnlichkeit mit der Sache selbst geben
muß.

Das, was wir Anstrengung nennen, besteht
nicht sowohl in einem gewissen Maaße der aufge-

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der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.
geſammleten Begriffe haben immer mehr oder we-
niger an dem Eindrucke gekuͤnſtelt, den die Sa-
chen auf einen voͤllig noch uneingenommenen Geiſt
machen wuͤrden. Selbſt das, was wir fuͤr reine
lautere Beobachtung halten, iſt ſchon zum Theil
aus unſerm uͤbrigen Gedankenſyſtem gefolgert. —
Ueberdieß, je mehr wir uns die Hervorbringung
und Zuſammenſetzung gewiſſer Gedanken Arbeit
koſten laſſen, deſto mehr ſind wir in Gefahr, die
naͤchſten unmittelbarſten Verhaͤltniſſe der Begriffe
zu uͤberſehen, und dafuͤr entferntere und weit her-
geſuchte zu waͤhlen. Die einfaͤltige, nackende,
einleuchtende Wahrheit, ſo wie ſie ſich dem bloß
ruhigen Zuſchauer der Natur von ſelbſt darbietet,
wird von dem zu geſchaͤftig ſuchenden Geiſte uͤber-
gangen, und an ihre Stelle ſezt er eine Menge
erkuͤnſtelter halb falſcher Saͤtze, denen er erſt durch
den Ausdruck wieder einen Schein von Wahrheit
und Aehnlichkeit mit der Sache ſelbſt geben
muß.

Das, was wir Anſtrengung nennen, beſteht
nicht ſowohl in einem gewiſſen Maaße der aufge-

J 3
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[133/0139] der aͤlteſten und neuern Schriftſteller. geſammleten Begriffe haben immer mehr oder we- niger an dem Eindrucke gekuͤnſtelt, den die Sa- chen auf einen voͤllig noch uneingenommenen Geiſt machen wuͤrden. Selbſt das, was wir fuͤr reine lautere Beobachtung halten, iſt ſchon zum Theil aus unſerm uͤbrigen Gedankenſyſtem gefolgert. — Ueberdieß, je mehr wir uns die Hervorbringung und Zuſammenſetzung gewiſſer Gedanken Arbeit koſten laſſen, deſto mehr ſind wir in Gefahr, die naͤchſten unmittelbarſten Verhaͤltniſſe der Begriffe zu uͤberſehen, und dafuͤr entferntere und weit her- geſuchte zu waͤhlen. Die einfaͤltige, nackende, einleuchtende Wahrheit, ſo wie ſie ſich dem bloß ruhigen Zuſchauer der Natur von ſelbſt darbietet, wird von dem zu geſchaͤftig ſuchenden Geiſte uͤber- gangen, und an ihre Stelle ſezt er eine Menge erkuͤnſtelter halb falſcher Saͤtze, denen er erſt durch den Ausdruck wieder einen Schein von Wahrheit und Aehnlichkeit mit der Sache ſelbſt geben muß. Das, was wir Anſtrengung nennen, beſteht nicht ſowohl in einem gewiſſen Maaße der aufge- J 3

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/139>, abgerufen am 23.11.2024.