Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.der Fähigkeiten. dem Staate mehr schaden als nützen. Geistervon höhern Gaben lassen sich entweder schwerlich zu diesen Diensten brauchen, oder verrichten sie in der That schlechter, weil sie sie unwillig oder zerstreut thun, und sie nur als Nebendinge anse- hen, von denen sie je eher je lieber wieder loszu- kommen suchen. Ein geschickter Lehrer wird ei- nen jungen Menschen, der in diese Klasse von brauchbaren Gelehrten kommen kann, bald erken- nen. Seine Gedanken werden niemals etwas Eigenes und Hervorstechendes haben, aber sie werden auch niemals abgeschmackt seyn; er wird oft andern nachahmen, aber er wird es doch auf eine schickliche Art zu thun wissen; er wird fleißig, bedachtsam und überlegt seyn, und vor allen Dingen bey dem Mittelmäßigen, was er macht, sich einer gewissen höhern Vollkommenheit bewußt seyn, die er nicht erreichen kann. In der That kann eine sehr mittelmäßige Arbeit, ein schlechtes Gedicht, von einem ganz guten Kopfe herrühren: aber wenn er es selbst für vortreflich hält, wenn er den Unterschied gegen andre nicht fühlt, dann der Faͤhigkeiten. dem Staate mehr ſchaden als nuͤtzen. Geiſtervon hoͤhern Gaben laſſen ſich entweder ſchwerlich zu dieſen Dienſten brauchen, oder verrichten ſie in der That ſchlechter, weil ſie ſie unwillig oder zerſtreut thun, und ſie nur als Nebendinge anſe- hen, von denen ſie je eher je lieber wieder loszu- kommen ſuchen. Ein geſchickter Lehrer wird ei- nen jungen Menſchen, der in dieſe Klaſſe von brauchbaren Gelehrten kommen kann, bald erken- nen. Seine Gedanken werden niemals etwas Eigenes und Hervorſtechendes haben, aber ſie werden auch niemals abgeſchmackt ſeyn; er wird oft andern nachahmen, aber er wird es doch auf eine ſchickliche Art zu thun wiſſen; er wird fleißig, bedachtſam und uͤberlegt ſeyn, und vor allen Dingen bey dem Mittelmaͤßigen, was er macht, ſich einer gewiſſen hoͤhern Vollkommenheit bewußt ſeyn, die er nicht erreichen kann. In der That kann eine ſehr mittelmaͤßige Arbeit, ein ſchlechtes Gedicht, von einem ganz guten Kopfe herruͤhren: aber wenn er es ſelbſt fuͤr vortreflich haͤlt, wenn er den Unterſchied gegen andre nicht fuͤhlt, dann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0113" n="107"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Faͤhigkeiten.</hi></fw><lb/> dem Staate mehr ſchaden als nuͤtzen. Geiſter<lb/> von hoͤhern Gaben laſſen ſich entweder ſchwerlich<lb/> zu dieſen Dienſten brauchen, oder verrichten ſie<lb/> in der That ſchlechter, weil ſie ſie unwillig oder<lb/> zerſtreut thun, und ſie nur als Nebendinge anſe-<lb/> hen, von denen ſie je eher je lieber wieder loszu-<lb/> kommen ſuchen. Ein geſchickter Lehrer wird ei-<lb/> nen jungen Menſchen, der in dieſe Klaſſe von<lb/> brauchbaren Gelehrten kommen kann, bald erken-<lb/> nen. Seine Gedanken werden niemals etwas<lb/> Eigenes und Hervorſtechendes haben, aber ſie<lb/> werden auch niemals abgeſchmackt ſeyn; er wird<lb/> oft andern nachahmen, aber er wird es doch auf<lb/> eine ſchickliche Art zu thun wiſſen; er wird fleißig,<lb/> bedachtſam und uͤberlegt ſeyn, und vor allen<lb/> Dingen bey dem Mittelmaͤßigen, was er macht,<lb/> ſich einer gewiſſen hoͤhern Vollkommenheit bewußt<lb/> ſeyn, die er nicht erreichen kann. In der That<lb/> kann eine ſehr mittelmaͤßige Arbeit, ein ſchlechtes<lb/> Gedicht, von einem ganz guten Kopfe herruͤhren:<lb/> aber wenn er es ſelbſt fuͤr vortreflich haͤlt, wenn<lb/> er den Unterſchied gegen andre nicht fuͤhlt, dann<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [107/0113]
der Faͤhigkeiten.
dem Staate mehr ſchaden als nuͤtzen. Geiſter
von hoͤhern Gaben laſſen ſich entweder ſchwerlich
zu dieſen Dienſten brauchen, oder verrichten ſie
in der That ſchlechter, weil ſie ſie unwillig oder
zerſtreut thun, und ſie nur als Nebendinge anſe-
hen, von denen ſie je eher je lieber wieder loszu-
kommen ſuchen. Ein geſchickter Lehrer wird ei-
nen jungen Menſchen, der in dieſe Klaſſe von
brauchbaren Gelehrten kommen kann, bald erken-
nen. Seine Gedanken werden niemals etwas
Eigenes und Hervorſtechendes haben, aber ſie
werden auch niemals abgeſchmackt ſeyn; er wird
oft andern nachahmen, aber er wird es doch auf
eine ſchickliche Art zu thun wiſſen; er wird fleißig,
bedachtſam und uͤberlegt ſeyn, und vor allen
Dingen bey dem Mittelmaͤßigen, was er macht,
ſich einer gewiſſen hoͤhern Vollkommenheit bewußt
ſeyn, die er nicht erreichen kann. In der That
kann eine ſehr mittelmaͤßige Arbeit, ein ſchlechtes
Gedicht, von einem ganz guten Kopfe herruͤhren:
aber wenn er es ſelbſt fuͤr vortreflich haͤlt, wenn
er den Unterſchied gegen andre nicht fuͤhlt, dann
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