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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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Verhältnis zur eigenen Größe und ihrem Gewicht ganz unglaubliche Mengen
vertilgt; die aus 10 g Eiern sich bildenden Raupen verzehren 400 bis
500 kg Maulbeerblätter.

Im Verhältnis dazu steht das erstaunlich schnelle Wachstum der Seiden-
raupe; sie erreicht bald eine Länge von 8 bis 10 cm bei einem Gewicht
von 5 g. Die Lebensdauer der Raupe ist 30 bis 33 Tage, während wel-
cher Zeit dieselbe sich viermal häutet, was durchschnittlich alle sechs Tage ge-
schieht. Nach dem letzten Hautwechsel nimmt sie nicht mehr so bedeutende
Nahrungsmengen zu sich, vom 30. Tage an überhaupt keine mehr. Nun
beginnt das Einspinnen vom 30. bis 33. Tage. Wenn die Raupen
keine Nahrung mehr zu sich nehmen, verteilt man sie auf Ruten aus Birken-
zweigen, aus Ginster oder Sarothamnus, in denen sie sich das passendste
Fleckchen zum Einspinnen aussuchen. Derartige Ruten heißen Spinnhütten.
Die Raupe spinnt zuerst ein oberflächliches Netz aus dicken Fäden von Zweig
zu Zweig, gewissermaßen als Untergrund, und dann erst die Hülle der
Puppe von außen nach innen in ununterbrochenem, aber allmählich dünner
werdenden Seidenfaden. Das fertige eiförmige Gespinnst, Cocon genannt,
hat eine Länge von 30 bis 35 mm, einen Durchmesser von circa 15 bis
20 mm, und sieht weiß oder gelblich aus. Der den Cocon bildende Seiden-
faden hat eine Länge von 350 bis 1250 m und einen Durchmesser von
etwa 0,018 mm; von dieser Seide ist jedoch nur ein Drittel abhaspelbar.
Die Länge des abhaspelbaren Fadens beträgt im Maximum nach Dandalo *)
625 Yards, nach Rhodes *) 404 Yards, nach Karmarsch 1000 bis
3000 Fuß. Der erste, äußerste Teil des Fadens, welcher oben als "Unter-
grund" bezeichnet wurde, und der später vorsichtig für sich abgelöst wird, bil-
det die Flockseide; die innerste Hülle, welche die Puppe unmittelbar um-
gibt, bildet eine feine, zarte, pergamentartige Haut. Die Coconbildung er-
fordert 4 bis 5 Tage; man läßt dann aber noch 2 bis 3 Tage in den
Ruten, um der Beendigung des Spinnprozesses sicher sein zu können.

Wollte man nun der Puppe Zeit lassen, sich zum Schmetterlinge zu ent-
wickeln, so würde dieser die Hülle sprengen und damit den Wert des Cocons
bedeutend schädigen. Um dieses zu vermeiden, um die Cocons in vollem
Wert zu gewinnen, müssen die Puppen in den Cocons getötet wer-
den
. Dieses geschieht, indem man die Cocons entweder den heißen Sonnen-
strahlen aussetzt, oder direkt durch Ofenwärme oder heiße Wasserdämpfe
durch 10 bis 12 Minuten. Nur einige besonders gut ausgebildete Cocons
bleiben für den weiteren Seidenbau reserviert. Würde die Puppe nicht ge-
tötet werden, so würde in kurzem der ausgebildete Schmetterling die Hülle
sprengen und das Cocongespinnst schädigen. Bis vor kurzem war man der
Ansicht, daß der Schmetterling den Coconfaden zerbeiße, und selbst noch
neuere Werke sprechen von "zerbissenen" Cocons. Thatsächlich schiebt der
Schmetterling die Coconfäden nur beiseite; er bewirkt dabei in dem lockeren
Gespinnst eine Verschiebung der Fadenlage, welche dem späteren Abwickeln
des Gespinnstfadens nicht eben förderlich ist, eher dasselbe erschwert; aber
von einem Zerbeißen des Seidenfadens kann keine Rede sein.

Zum Schluß noch einige Zahlenangaben über Seidenbau: aus 100 g
Eiern des Seidenspinners werden im Durchschnitt 88000 bis 117000 Co-

*) Heinzerling, Abriß der chem. Technologie.

Verhältnis zur eigenen Größe und ihrem Gewicht ganz unglaubliche Mengen
vertilgt; die aus 10 g Eiern ſich bildenden Raupen verzehren 400 bis
500 kg Maulbeerblätter.

Im Verhältnis dazu ſteht das erſtaunlich ſchnelle Wachstum der Seiden-
raupe; ſie erreicht bald eine Länge von 8 bis 10 cm bei einem Gewicht
von 5 g. Die Lebensdauer der Raupe iſt 30 bis 33 Tage, während wel-
cher Zeit dieſelbe ſich viermal häutet, was durchſchnittlich alle ſechs Tage ge-
ſchieht. Nach dem letzten Hautwechſel nimmt ſie nicht mehr ſo bedeutende
Nahrungsmengen zu ſich, vom 30. Tage an überhaupt keine mehr. Nun
beginnt das Einſpinnen vom 30. bis 33. Tage. Wenn die Raupen
keine Nahrung mehr zu ſich nehmen, verteilt man ſie auf Ruten aus Birken-
zweigen, aus Ginſter oder Sarothamnus, in denen ſie ſich das paſſendſte
Fleckchen zum Einſpinnen ausſuchen. Derartige Ruten heißen Spinnhütten.
Die Raupe ſpinnt zuerſt ein oberflächliches Netz aus dicken Fäden von Zweig
zu Zweig, gewiſſermaßen als Untergrund, und dann erſt die Hülle der
Puppe von außen nach innen in ununterbrochenem, aber allmählich dünner
werdenden Seidenfaden. Das fertige eiförmige Geſpinnſt, Cocon genannt,
hat eine Länge von 30 bis 35 mm, einen Durchmeſſer von circa 15 bis
20 mm, und ſieht weiß oder gelblich aus. Der den Cocon bildende Seiden-
faden hat eine Länge von 350 bis 1250 m und einen Durchmeſſer von
etwa 0,018 mm; von dieſer Seide iſt jedoch nur ein Drittel abhaſpelbar.
Die Länge des abhaſpelbaren Fadens beträgt im Maximum nach Dandalo *)
625 Yards, nach Rhodes *) 404 Yards, nach Karmarſch 1000 bis
3000 Fuß. Der erſte, äußerſte Teil des Fadens, welcher oben als „Unter-
grund“ bezeichnet wurde, und der ſpäter vorſichtig für ſich abgelöſt wird, bil-
det die Flockſeide; die innerſte Hülle, welche die Puppe unmittelbar um-
gibt, bildet eine feine, zarte, pergamentartige Haut. Die Coconbildung er-
fordert 4 bis 5 Tage; man läßt dann aber noch 2 bis 3 Tage in den
Ruten, um der Beendigung des Spinnprozeſſes ſicher ſein zu können.

Wollte man nun der Puppe Zeit laſſen, ſich zum Schmetterlinge zu ent-
wickeln, ſo würde dieſer die Hülle ſprengen und damit den Wert des Cocons
bedeutend ſchädigen. Um dieſes zu vermeiden, um die Cocons in vollem
Wert zu gewinnen, müſſen die Puppen in den Cocons getötet wer-
den
. Dieſes geſchieht, indem man die Cocons entweder den heißen Sonnen-
ſtrahlen ausſetzt, oder direkt durch Ofenwärme oder heiße Waſſerdämpfe
durch 10 bis 12 Minuten. Nur einige beſonders gut ausgebildete Cocons
bleiben für den weiteren Seidenbau reſerviert. Würde die Puppe nicht ge-
tötet werden, ſo würde in kurzem der ausgebildete Schmetterling die Hülle
ſprengen und das Cocongeſpinnſt ſchädigen. Bis vor kurzem war man der
Anſicht, daß der Schmetterling den Coconfaden zerbeiße, und ſelbſt noch
neuere Werke ſprechen von „zerbiſſenen“ Cocons. Thatſächlich ſchiebt der
Schmetterling die Coconfäden nur beiſeite; er bewirkt dabei in dem lockeren
Geſpinnſt eine Verſchiebung der Fadenlage, welche dem ſpäteren Abwickeln
des Geſpinnſtfadens nicht eben förderlich iſt, eher dasſelbe erſchwert; aber
von einem Zerbeißen des Seidenfadens kann keine Rede ſein.

Zum Schluß noch einige Zahlenangaben über Seidenbau: aus 100 g
Eiern des Seidenſpinners werden im Durchſchnitt 88000 bis 117000 Co-

*) Heinzerling, Abriß der chem. Technologie.
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[30/0056] Verhältnis zur eigenen Größe und ihrem Gewicht ganz unglaubliche Mengen vertilgt; die aus 10 g Eiern ſich bildenden Raupen verzehren 400 bis 500 kg Maulbeerblätter. Im Verhältnis dazu ſteht das erſtaunlich ſchnelle Wachstum der Seiden- raupe; ſie erreicht bald eine Länge von 8 bis 10 cm bei einem Gewicht von 5 g. Die Lebensdauer der Raupe iſt 30 bis 33 Tage, während wel- cher Zeit dieſelbe ſich viermal häutet, was durchſchnittlich alle ſechs Tage ge- ſchieht. Nach dem letzten Hautwechſel nimmt ſie nicht mehr ſo bedeutende Nahrungsmengen zu ſich, vom 30. Tage an überhaupt keine mehr. Nun beginnt das Einſpinnen vom 30. bis 33. Tage. Wenn die Raupen keine Nahrung mehr zu ſich nehmen, verteilt man ſie auf Ruten aus Birken- zweigen, aus Ginſter oder Sarothamnus, in denen ſie ſich das paſſendſte Fleckchen zum Einſpinnen ausſuchen. Derartige Ruten heißen Spinnhütten. Die Raupe ſpinnt zuerſt ein oberflächliches Netz aus dicken Fäden von Zweig zu Zweig, gewiſſermaßen als Untergrund, und dann erſt die Hülle der Puppe von außen nach innen in ununterbrochenem, aber allmählich dünner werdenden Seidenfaden. Das fertige eiförmige Geſpinnſt, Cocon genannt, hat eine Länge von 30 bis 35 mm, einen Durchmeſſer von circa 15 bis 20 mm, und ſieht weiß oder gelblich aus. Der den Cocon bildende Seiden- faden hat eine Länge von 350 bis 1250 m und einen Durchmeſſer von etwa 0,018 mm; von dieſer Seide iſt jedoch nur ein Drittel abhaſpelbar. Die Länge des abhaſpelbaren Fadens beträgt im Maximum nach Dandalo *) 625 Yards, nach Rhodes *) 404 Yards, nach Karmarſch 1000 bis 3000 Fuß. Der erſte, äußerſte Teil des Fadens, welcher oben als „Unter- grund“ bezeichnet wurde, und der ſpäter vorſichtig für ſich abgelöſt wird, bil- det die Flockſeide; die innerſte Hülle, welche die Puppe unmittelbar um- gibt, bildet eine feine, zarte, pergamentartige Haut. Die Coconbildung er- fordert 4 bis 5 Tage; man läßt dann aber noch 2 bis 3 Tage in den Ruten, um der Beendigung des Spinnprozeſſes ſicher ſein zu können. Wollte man nun der Puppe Zeit laſſen, ſich zum Schmetterlinge zu ent- wickeln, ſo würde dieſer die Hülle ſprengen und damit den Wert des Cocons bedeutend ſchädigen. Um dieſes zu vermeiden, um die Cocons in vollem Wert zu gewinnen, müſſen die Puppen in den Cocons getötet wer- den. Dieſes geſchieht, indem man die Cocons entweder den heißen Sonnen- ſtrahlen ausſetzt, oder direkt durch Ofenwärme oder heiße Waſſerdämpfe durch 10 bis 12 Minuten. Nur einige beſonders gut ausgebildete Cocons bleiben für den weiteren Seidenbau reſerviert. Würde die Puppe nicht ge- tötet werden, ſo würde in kurzem der ausgebildete Schmetterling die Hülle ſprengen und das Cocongeſpinnſt ſchädigen. Bis vor kurzem war man der Anſicht, daß der Schmetterling den Coconfaden zerbeiße, und ſelbſt noch neuere Werke ſprechen von „zerbiſſenen“ Cocons. Thatſächlich ſchiebt der Schmetterling die Coconfäden nur beiſeite; er bewirkt dabei in dem lockeren Geſpinnſt eine Verſchiebung der Fadenlage, welche dem ſpäteren Abwickeln des Geſpinnſtfadens nicht eben förderlich iſt, eher dasſelbe erſchwert; aber von einem Zerbeißen des Seidenfadens kann keine Rede ſein. Zum Schluß noch einige Zahlenangaben über Seidenbau: aus 100 g Eiern des Seidenſpinners werden im Durchſchnitt 88000 bis 117000 Co- *) Heinzerling, Abriß der chem. Technologie. *)

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/56>, abgerufen am 24.11.2024.