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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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Gewebefaserkunde.

§ 5. Wolle.

Von allen dem Tierreiche entstammenden Gespinnstfasern ist die Wolle
die am meisten verbreitete und wichtigste. Unter Wolle versteht man
das aus Horngewebe bestehende, haarähnliche, feine, wellen-
förmig gekräuselte, sich ineinander filzende, meist hellfarbige
Oberhautgebilde einer Anzahl von Säugetieren
, z. B. des Schafes,
einzelner Ziegenarten und Kameelarten. Einzelne Autoren rechnen die Wolle
zu den Haarbildungen, aber mit Unrecht. Chemisch sind Haar und Wolle
gar nicht unterschieden. Vergleicht man dagegen beide nach ihren allgemei-
nen Eigenschaften, so ergeben sich folgende Unterschiede: Haare sind durch-
gehends länger, auch von größerer Dicke; sie sind mehr steif und straff und
lassen sich weniger leicht kräuseln und verfilzen; die Wolle dagegen ist stets
feiner, weicher, selbst bei ziemlicher Länge, und von großer Biegsamkeit und
Elastizität, sowie von eigenem Glanz; sie verfilzt sich leicht und ist von
hellerer Farbe. Diese genannten Eigenschaften sind zugleich maßgebend für
die Beurteilung des Wertes der Wolle; je weiter ab sich diese von der Na-
tur des Haares entfernen, um so wertvoller ist die Wolle; jemehr sie sich
der Natur des Haares nähern, desto weniger geschätzt ist sie. Natürlich
gibt es hinsichtlich dieser Eigenschaften keine haarscharfe Grenze zwischen
Haar und Wolle; es existieren Haare, die so fein sind, daß sie als Wolle
gelten können, und es gibt Wolle, die so wenig Kräuselung zeigt, daß sie
als Haar betrachtet werden kann.

Wohl aber gibt es einen durchaus charakteristischen Unterschied zwischen
Haar und Wolle, welcher sich unter dem Mikroskope sofort zeigt: Haare
zeigen eine mehr oder minder cylinderförmige, lange glatte Außenfläche, die
Wolle aber zeigt auf ihrer Außenfläche Zellen in Form von dachziegelartig
sich deckenden hornartigen Plättchen oder Schuppen von unregelmäßiger Ge-
stalt (Fig. 1). Die Wollfaser erscheint somit wie von einer schuppigen Rinde
umgeben; dieses Aeußere ist so eigenartig und so bezeichnend für die Woll-
faser, daß sie dadurch mit Leichtigkeit von allen andern Gewebefasern zu
unterscheiden ist. Diese schuppige Oberfläche der Wollfaser ist zugleich die

Gewebefaſerkunde.

§ 5. Wolle.

Von allen dem Tierreiche entſtammenden Geſpinnſtfaſern iſt die Wolle
die am meiſten verbreitete und wichtigſte. Unter Wolle verſteht man
das aus Horngewebe beſtehende, haarähnliche, feine, wellen-
förmig gekräuſelte, ſich ineinander filzende, meiſt hellfarbige
Oberhautgebilde einer Anzahl von Säugetieren
, z. B. des Schafes,
einzelner Ziegenarten und Kameelarten. Einzelne Autoren rechnen die Wolle
zu den Haarbildungen, aber mit Unrecht. Chemiſch ſind Haar und Wolle
gar nicht unterſchieden. Vergleicht man dagegen beide nach ihren allgemei-
nen Eigenſchaften, ſo ergeben ſich folgende Unterſchiede: Haare ſind durch-
gehends länger, auch von größerer Dicke; ſie ſind mehr ſteif und ſtraff und
laſſen ſich weniger leicht kräuſeln und verfilzen; die Wolle dagegen iſt ſtets
feiner, weicher, ſelbſt bei ziemlicher Länge, und von großer Biegſamkeit und
Elaſtizität, ſowie von eigenem Glanz; ſie verfilzt ſich leicht und iſt von
hellerer Farbe. Dieſe genannten Eigenſchaften ſind zugleich maßgebend für
die Beurteilung des Wertes der Wolle; je weiter ab ſich dieſe von der Na-
tur des Haares entfernen, um ſo wertvoller iſt die Wolle; jemehr ſie ſich
der Natur des Haares nähern, deſto weniger geſchätzt iſt ſie. Natürlich
gibt es hinſichtlich dieſer Eigenſchaften keine haarſcharfe Grenze zwiſchen
Haar und Wolle; es exiſtieren Haare, die ſo fein ſind, daß ſie als Wolle
gelten können, und es gibt Wolle, die ſo wenig Kräuſelung zeigt, daß ſie
als Haar betrachtet werden kann.

Wohl aber gibt es einen durchaus charakteriſtiſchen Unterſchied zwiſchen
Haar und Wolle, welcher ſich unter dem Mikroſkope ſofort zeigt: Haare
zeigen eine mehr oder minder cylinderförmige, lange glatte Außenfläche, die
Wolle aber zeigt auf ihrer Außenfläche Zellen in Form von dachziegelartig
ſich deckenden hornartigen Plättchen oder Schuppen von unregelmäßiger Ge-
ſtalt (Fig. 1). Die Wollfaſer erſcheint ſomit wie von einer ſchuppigen Rinde
umgeben; dieſes Aeußere iſt ſo eigenartig und ſo bezeichnend für die Woll-
faſer, daß ſie dadurch mit Leichtigkeit von allen andern Gewebefaſern zu
unterſcheiden iſt. Dieſe ſchuppige Oberfläche der Wollfaſer iſt zugleich die

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[[11]/0037] Gewebefaſerkunde. § 5. Wolle. Von allen dem Tierreiche entſtammenden Geſpinnſtfaſern iſt die Wolle die am meiſten verbreitete und wichtigſte. Unter Wolle verſteht man das aus Horngewebe beſtehende, haarähnliche, feine, wellen- förmig gekräuſelte, ſich ineinander filzende, meiſt hellfarbige Oberhautgebilde einer Anzahl von Säugetieren, z. B. des Schafes, einzelner Ziegenarten und Kameelarten. Einzelne Autoren rechnen die Wolle zu den Haarbildungen, aber mit Unrecht. Chemiſch ſind Haar und Wolle gar nicht unterſchieden. Vergleicht man dagegen beide nach ihren allgemei- nen Eigenſchaften, ſo ergeben ſich folgende Unterſchiede: Haare ſind durch- gehends länger, auch von größerer Dicke; ſie ſind mehr ſteif und ſtraff und laſſen ſich weniger leicht kräuſeln und verfilzen; die Wolle dagegen iſt ſtets feiner, weicher, ſelbſt bei ziemlicher Länge, und von großer Biegſamkeit und Elaſtizität, ſowie von eigenem Glanz; ſie verfilzt ſich leicht und iſt von hellerer Farbe. Dieſe genannten Eigenſchaften ſind zugleich maßgebend für die Beurteilung des Wertes der Wolle; je weiter ab ſich dieſe von der Na- tur des Haares entfernen, um ſo wertvoller iſt die Wolle; jemehr ſie ſich der Natur des Haares nähern, deſto weniger geſchätzt iſt ſie. Natürlich gibt es hinſichtlich dieſer Eigenſchaften keine haarſcharfe Grenze zwiſchen Haar und Wolle; es exiſtieren Haare, die ſo fein ſind, daß ſie als Wolle gelten können, und es gibt Wolle, die ſo wenig Kräuſelung zeigt, daß ſie als Haar betrachtet werden kann. Wohl aber gibt es einen durchaus charakteriſtiſchen Unterſchied zwiſchen Haar und Wolle, welcher ſich unter dem Mikroſkope ſofort zeigt: Haare zeigen eine mehr oder minder cylinderförmige, lange glatte Außenfläche, die Wolle aber zeigt auf ihrer Außenfläche Zellen in Form von dachziegelartig ſich deckenden hornartigen Plättchen oder Schuppen von unregelmäßiger Ge- ſtalt (Fig. 1). Die Wollfaſer erſcheint ſomit wie von einer ſchuppigen Rinde umgeben; dieſes Aeußere iſt ſo eigenartig und ſo bezeichnend für die Woll- faſer, daß ſie dadurch mit Leichtigkeit von allen andern Gewebefaſern zu unterſcheiden iſt. Dieſe ſchuppige Oberfläche der Wollfaſer iſt zugleich die

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. [11]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/37>, abgerufen am 21.11.2024.