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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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heiten der Pesten; gegen die pestilentialischen und bös-
artigen [Fiebern, ]Blattern, Masern, Bräune u. s. w., der
wird ewig vergebens suchen, weil alle dergleichen
Uebel nur Zufalle der verschiedensten Krankheiten
sind. Zäher Schleimstoff, scharfe angehäufte Galle,
jede Art von Schärfe, stockende Unreinigkeiten, ent-
zündliches Blut etc. machen alle den Seitenstich, wenn
sie sich nach der Oberfläche der Lungen oder der Rib-
benhaut begeben. So entstehen alle die andern Zu-
fälle, z. B. die Ruhr bald von Entzündung des Mast-
darms, bald von rheumatischer Materie, bald von
Gallstoff etc. der sich dahin geworfen hat. Nur in
dem Sinne kann auch gegen alle Zufälle ein spezifisches
Mittel entdeckt werden, wenn es gegen ihre Urquelle
entdeckt werden kann. Die Zufälle der Lustseuche mö-
gen in Knochenschmerzen und Beinknoten, in Lungen-
sucht und Abzehrung, in Augenentzündung oder in
Geschwüren u. d. gl. bestehen, so werden sie bey ge-
höriger Vorsicht alle durch ihr bekanntes eignes Ge-
genmittel, das Quecksilber, geheilt. -- Die Bösar-
tigkeit der Blattern, die verschiedene Gestalt der Pe-
sten, der Fieber etc. ist von ihrem eigentlichen Stoffe
unabhängig. Also erst dann, wenn die Grenzlinie
zwischen Krankheit und Zufall, zwischen dem, was
der Krankheit wesentlich angehört, und dem, was
sich zufällig zu ihr gesellt hat, gezogen seyn wird,
läßt sich vernünftig nach spezifischen Heilmitteln fra-
gen.

Wenn ich nicht, misdeutet zu werden, besor-
gen müßte, so würde ich behaupten, daß alle Dinge

in

heiten der Peſten; gegen die peſtilentialiſchen und boͤs-
artigen [Fiebern, ]Blattern, Maſern, Braͤune u. ſ. w., der
wird ewig vergebens ſuchen, weil alle dergleichen
Uebel nur Zufalle der verſchiedenſten Krankheiten
ſind. Zaͤher Schleimſtoff, ſcharfe angehaͤufte Galle,
jede Art von Schaͤrfe, ſtockende Unreinigkeiten, ent-
zuͤndliches Blut ꝛc. machen alle den Seitenſtich, wenn
ſie ſich nach der Oberflaͤche der Lungen oder der Rib-
benhaut begeben. So entſtehen alle die andern Zu-
faͤlle, z. B. die Ruhr bald von Entzuͤndung des Maſt-
darms, bald von rheumatiſcher Materie, bald von
Gallſtoff ꝛc. der ſich dahin geworfen hat. Nur in
dem Sinne kann auch gegen alle Zufaͤlle ein ſpezifiſches
Mittel entdeckt werden, wenn es gegen ihre Urquelle
entdeckt werden kann. Die Zufaͤlle der Luſtſeuche moͤ-
gen in Knochenſchmerzen und Beinknoten, in Lungen-
ſucht und Abzehrung, in Augenentzuͤndung oder in
Geſchwuͤren u. d. gl. beſtehen, ſo werden ſie bey ge-
hoͤriger Vorſicht alle durch ihr bekanntes eignes Ge-
genmittel, das Queckſilber, geheilt. — Die Boͤsar-
tigkeit der Blattern, die verſchiedene Geſtalt der Pe-
ſten, der Fieber ꝛc. iſt von ihrem eigentlichen Stoffe
unabhaͤngig. Alſo erſt dann, wenn die Grenzlinie
zwiſchen Krankheit und Zufall, zwiſchen dem, was
der Krankheit weſentlich angehoͤrt, und dem, was
ſich zufaͤllig zu ihr geſellt hat, gezogen ſeyn wird,
laͤßt ſich vernuͤnftig nach ſpezifiſchen Heilmitteln fra-
gen.

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gen muͤßte, ſo wuͤrde ich behaupten, daß alle Dinge

in
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[690/0709] heiten der Peſten; gegen die peſtilentialiſchen und boͤs- artigen Fiebern, Blattern, Maſern, Braͤune u. ſ. w., der wird ewig vergebens ſuchen, weil alle dergleichen Uebel nur Zufalle der verſchiedenſten Krankheiten ſind. Zaͤher Schleimſtoff, ſcharfe angehaͤufte Galle, jede Art von Schaͤrfe, ſtockende Unreinigkeiten, ent- zuͤndliches Blut ꝛc. machen alle den Seitenſtich, wenn ſie ſich nach der Oberflaͤche der Lungen oder der Rib- benhaut begeben. So entſtehen alle die andern Zu- faͤlle, z. B. die Ruhr bald von Entzuͤndung des Maſt- darms, bald von rheumatiſcher Materie, bald von Gallſtoff ꝛc. der ſich dahin geworfen hat. Nur in dem Sinne kann auch gegen alle Zufaͤlle ein ſpezifiſches Mittel entdeckt werden, wenn es gegen ihre Urquelle entdeckt werden kann. Die Zufaͤlle der Luſtſeuche moͤ- gen in Knochenſchmerzen und Beinknoten, in Lungen- ſucht und Abzehrung, in Augenentzuͤndung oder in Geſchwuͤren u. d. gl. beſtehen, ſo werden ſie bey ge- hoͤriger Vorſicht alle durch ihr bekanntes eignes Ge- genmittel, das Queckſilber, geheilt. — Die Boͤsar- tigkeit der Blattern, die verſchiedene Geſtalt der Pe- ſten, der Fieber ꝛc. iſt von ihrem eigentlichen Stoffe unabhaͤngig. Alſo erſt dann, wenn die Grenzlinie zwiſchen Krankheit und Zufall, zwiſchen dem, was der Krankheit weſentlich angehoͤrt, und dem, was ſich zufaͤllig zu ihr geſellt hat, gezogen ſeyn wird, laͤßt ſich vernuͤnftig nach ſpezifiſchen Heilmitteln fra- gen. Wenn ich nicht, miſdeutet zu werden, beſor- gen muͤßte, ſo wuͤrde ich behaupten, daß alle Dinge in

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/709>, abgerufen am 27.04.2024.