Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Trinken den Tod, weil es die schärfsten Theile in Be-
wegung setzt, wodurch in verschiedenen Gefäsen und
Eingeweiden der Brand verursacht wird; auch in je-
nen Wassersuchten, die von zerrissenen Lymphengefäsen
herkommen, kann das viele Trinken nichts, als scha-
den; und doch dürsten da die Kranken nicht weniger,
als wo ihnen Getränke heilsam sind. -- In Vogels
Beobachtungen 16 Beob. bekam der Kranke, noch-
dem er wegen der Darmgicht (Miserere) ausser Ge-
fahr war, den zweyten Tag eine starke Lust zu einer
sauren Kirschsuppe, wozu ihn vorzüglich ein heftiger
Durst reitzte. Er aß sie ohne Wissen des Arztes mit
Zitronensaft, und starb nach zwey Stunden an Ent-
zündung und Zusamenschnürung der Gedärmen un-
ter den heftigsten, konvulsivischen Kolikschmerzen.
Die Tobsüchtigen trinken wenig; man mußte des De-
alkes
Frau daran erinnern und dazu nöthigen. So
muß man auch die an Nervenkrankheiten darnieder-
liegenden hie und da zum Essen nöthigen, damit sie
nicht gänzlich von Kräften kommen. Der Handels-
mann im 9ten Falle bey Perfekt äußerte gegen die
Nahrung und alle Speisen eine solche Abneigung, daß
es schwer war, ihm nur das zur Erhaltung des Le-
bens Nothwendige beyzubringen. Ein alter wahnsin-
niger Offizier nahm 46 Tage nicht die geringste Spei-
se zu sich, und die letzten acht Tage trank er auch
nichts mehr; hingegen wurde ihm das Gesicht und
der ganze Körper sehr schwach, und er gab von der
Zeit, als er zu fasten anfieng, einen abscheulichen
[a]aßhaften Geruch von sich. Eine sehr dünne Hühner-

brü-

Trinken den Tod, weil es die ſchaͤrfſten Theile in Be-
wegung ſetzt, wodurch in verſchiedenen Gefaͤſen und
Eingeweiden der Brand verurſacht wird; auch in je-
nen Waſſerſuchten, die von zerriſſenen Lymphengefaͤſen
herkommen, kann das viele Trinken nichts, als ſcha-
den; und doch duͤrſten da die Kranken nicht weniger,
als wo ihnen Getraͤnke heilſam ſind. — In Vogels
Beobachtungen 16 Beob. bekam der Kranke, noch-
dem er wegen der Darmgicht (Miſerere) auſſer Ge-
fahr war, den zweyten Tag eine ſtarke Luſt zu einer
ſauren Kirſchſuppe, wozu ihn vorzuͤglich ein heftiger
Durſt reitzte. Er aß ſie ohne Wiſſen des Arztes mit
Zitronenſaft, und ſtarb nach zwey Stunden an Ent-
zuͤndung und Zuſamenſchnuͤrung der Gedaͤrmen un-
ter den heftigſten, konvulſiviſchen Kolikſchmerzen.
Die Tobſuͤchtigen trinken wenig; man mußte des De-
alkes
Frau daran erinnern und dazu noͤthigen. So
muß man auch die an Nervenkrankheiten darnieder-
liegenden hie und da zum Eſſen noͤthigen, damit ſie
nicht gaͤnzlich von Kraͤften kommen. Der Handels-
mann im 9ten Falle bey Perfekt aͤußerte gegen die
Nahrung und alle Speiſen eine ſolche Abneigung, daß
es ſchwer war, ihm nur das zur Erhaltung des Le-
bens Nothwendige beyzubringen. Ein alter wahnſin-
niger Offizier nahm 46 Tage nicht die geringſte Spei-
ſe zu ſich, und die letzten acht Tage trank er auch
nichts mehr; hingegen wurde ihm das Geſicht und
der ganze Koͤrper ſehr ſchwach, und er gab von der
Zeit, als er zu faſten anfieng, einen abſcheulichen
[a]aßhaften Geruch von ſich. Eine ſehr duͤnne Huͤhner-

bruͤ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0687" n="668"/>
Trinken den Tod, weil es die &#x017F;cha&#x0364;rf&#x017F;ten Theile in Be-<lb/>
wegung &#x017F;etzt, wodurch in ver&#x017F;chiedenen Gefa&#x0364;&#x017F;en und<lb/>
Eingeweiden der Brand verur&#x017F;acht wird; auch in je-<lb/>
nen Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;uchten, die von zerri&#x017F;&#x017F;enen Lymphengefa&#x0364;&#x017F;en<lb/>
herkommen, kann das viele Trinken nichts, als &#x017F;cha-<lb/>
den; und doch du&#x0364;r&#x017F;ten da die Kranken nicht weniger,<lb/>
als wo ihnen Getra&#x0364;nke heil&#x017F;am &#x017F;ind. &#x2014; In <hi rendition="#fr">Vogels</hi><lb/>
Beobachtungen 16 Beob. bekam der Kranke, noch-<lb/>
dem er wegen der Darmgicht (<hi rendition="#aq">Mi&#x017F;erere</hi>) au&#x017F;&#x017F;er Ge-<lb/>
fahr war, den zweyten Tag eine &#x017F;tarke Lu&#x017F;t zu einer<lb/>
&#x017F;auren Kir&#x017F;ch&#x017F;uppe, wozu ihn vorzu&#x0364;glich ein heftiger<lb/>
Dur&#x017F;t reitzte. Er aß &#x017F;ie ohne Wi&#x017F;&#x017F;en des Arztes mit<lb/>
Zitronen&#x017F;aft, und &#x017F;tarb nach zwey Stunden an Ent-<lb/>
zu&#x0364;ndung und Zu&#x017F;amen&#x017F;chnu&#x0364;rung der Geda&#x0364;rmen un-<lb/>
ter den heftig&#x017F;ten, konvul&#x017F;ivi&#x017F;chen Kolik&#x017F;chmerzen.<lb/>
Die Tob&#x017F;u&#x0364;chtigen trinken wenig; man mußte des <hi rendition="#fr">De-<lb/>
alkes</hi> Frau daran erinnern und dazu no&#x0364;thigen. So<lb/>
muß man auch die an Nervenkrankheiten darnieder-<lb/>
liegenden hie und da zum E&#x017F;&#x017F;en no&#x0364;thigen, damit &#x017F;ie<lb/>
nicht ga&#x0364;nzlich von Kra&#x0364;ften kommen. Der Handels-<lb/>
mann im 9ten Falle bey <hi rendition="#fr">Perfekt</hi> a&#x0364;ußerte gegen die<lb/>
Nahrung und alle Spei&#x017F;en eine &#x017F;olche Abneigung, daß<lb/>
es &#x017F;chwer war, ihm nur das zur Erhaltung des Le-<lb/>
bens Nothwendige beyzubringen. Ein alter wahn&#x017F;in-<lb/>
niger Offizier nahm 46 Tage nicht die gering&#x017F;te Spei-<lb/>
&#x017F;e zu &#x017F;ich, und die letzten acht Tage trank er auch<lb/>
nichts mehr; hingegen wurde ihm das Ge&#x017F;icht und<lb/>
der ganze Ko&#x0364;rper &#x017F;ehr &#x017F;chwach, und er gab von der<lb/>
Zeit, als er zu fa&#x017F;ten anfieng, einen ab&#x017F;cheulichen<lb/><supplied>a</supplied>aßhaften Geruch von &#x017F;ich. Eine &#x017F;ehr du&#x0364;nne Hu&#x0364;hner-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bru&#x0364;-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[668/0687] Trinken den Tod, weil es die ſchaͤrfſten Theile in Be- wegung ſetzt, wodurch in verſchiedenen Gefaͤſen und Eingeweiden der Brand verurſacht wird; auch in je- nen Waſſerſuchten, die von zerriſſenen Lymphengefaͤſen herkommen, kann das viele Trinken nichts, als ſcha- den; und doch duͤrſten da die Kranken nicht weniger, als wo ihnen Getraͤnke heilſam ſind. — In Vogels Beobachtungen 16 Beob. bekam der Kranke, noch- dem er wegen der Darmgicht (Miſerere) auſſer Ge- fahr war, den zweyten Tag eine ſtarke Luſt zu einer ſauren Kirſchſuppe, wozu ihn vorzuͤglich ein heftiger Durſt reitzte. Er aß ſie ohne Wiſſen des Arztes mit Zitronenſaft, und ſtarb nach zwey Stunden an Ent- zuͤndung und Zuſamenſchnuͤrung der Gedaͤrmen un- ter den heftigſten, konvulſiviſchen Kolikſchmerzen. Die Tobſuͤchtigen trinken wenig; man mußte des De- alkes Frau daran erinnern und dazu noͤthigen. So muß man auch die an Nervenkrankheiten darnieder- liegenden hie und da zum Eſſen noͤthigen, damit ſie nicht gaͤnzlich von Kraͤften kommen. Der Handels- mann im 9ten Falle bey Perfekt aͤußerte gegen die Nahrung und alle Speiſen eine ſolche Abneigung, daß es ſchwer war, ihm nur das zur Erhaltung des Le- bens Nothwendige beyzubringen. Ein alter wahnſin- niger Offizier nahm 46 Tage nicht die geringſte Spei- ſe zu ſich, und die letzten acht Tage trank er auch nichts mehr; hingegen wurde ihm das Geſicht und der ganze Koͤrper ſehr ſchwach, und er gab von der Zeit, als er zu faſten anfieng, einen abſcheulichen aaßhaften Geruch von ſich. Eine ſehr duͤnne Huͤhner- bruͤ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/687
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 668. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/687>, abgerufen am 22.11.2024.