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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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einer daher entstehenden Unbeweglichkeit und salzigten
Schärfe, wovon die Seele ebenfalls ein dunkles Ge-
fühl hat u. s. w. Das Gefühl der Ersättigung ist
sowohl in Ansehung des Hungers als des Durstes
seinem nächsten Gegenstand nach nichts anders, als die
angenehme Empfindung der Vermehrung und Ver-
besserung der Säfte auf der einen, und der gestärk-
ten Nervenkraft auf der andern Seite, verbunden
mit der dunklen thierischen Vorhersehung des Einflus-
ses dieser Veränderung in den Magen, und auf den
Zustand des Körpers überhaupt.

Nicht viel anderst drückt sich Reimarus*) aus.
Nachdem er von den Sinnen der Thiere und den da-
durch erhaltenen Empfindungen geredet hat, sagt er:
"Diese äußern Empfindungen müssen dann der Seele
solchen Eindruck und solche Vorstellung beybringen,
welche sie vermög der natürlichen Verbindung mit
ihrem Körper, zur harmonirenden Bewegung gewis-
ser dazu fertigen und fast völlig bereiteten Muskeln
und Werkzeugen blindlings determinirt. Ich nenne
die willkührliche Bewegung darum blindlings deter-
minirt, weil sich die Seele nicht bewußt ist, woher
ihre Neigung komme, noch sich wissentlich entschließt,
in diesen oder jenen Leibestheilen eine Bewegung zu
erregen."

Aber Reimarus redet von den willkührlichen
Bewegungen des Körpers, welche unstreitig bald mehr
bald weniger von der Seele bestimmt werden. Um
zu erklären, wie leicht solche Bewegungen von der

Seele
*) Von den Trieben der Thiere.

einer daher entſtehenden Unbeweglichkeit und ſalzigten
Schaͤrfe, wovon die Seele ebenfalls ein dunkles Ge-
fuͤhl hat u. ſ. w. Das Gefuͤhl der Erſaͤttigung iſt
ſowohl in Anſehung des Hungers als des Durſtes
ſeinem naͤchſten Gegenſtand nach nichts anders, als die
angenehme Empfindung der Vermehrung und Ver-
beſſerung der Saͤfte auf der einen, und der geſtaͤrk-
ten Nervenkraft auf der andern Seite, verbunden
mit der dunklen thieriſchen Vorherſehung des Einfluſ-
ſes dieſer Veraͤnderung in den Magen, und auf den
Zuſtand des Koͤrpers uͤberhaupt.

Nicht viel anderſt druͤckt ſich Reimarus*) aus.
Nachdem er von den Sinnen der Thiere und den da-
durch erhaltenen Empfindungen geredet hat, ſagt er:
“Dieſe aͤußern Empfindungen muͤſſen dann der Seele
ſolchen Eindruck und ſolche Vorſtellung beybringen,
welche ſie vermoͤg der natuͤrlichen Verbindung mit
ihrem Koͤrper, zur harmonirenden Bewegung gewiſ-
ſer dazu fertigen und faſt voͤllig bereiteten Muskeln
und Werkzeugen blindlings determinirt. Ich nenne
die willkuͤhrliche Bewegung darum blindlings deter-
minirt, weil ſich die Seele nicht bewußt iſt, woher
ihre Neigung komme, noch ſich wiſſentlich entſchließt,
in dieſen oder jenen Leibestheilen eine Bewegung zu
erregen.„

Aber Reimarus redet von den willkuͤhrlichen
Bewegungen des Koͤrpers, welche unſtreitig bald mehr
bald weniger von der Seele beſtimmt werden. Um
zu erklaͤren, wie leicht ſolche Bewegungen von der

Seele
*) Von den Trieben der Thiere.
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[44/0063] einer daher entſtehenden Unbeweglichkeit und ſalzigten Schaͤrfe, wovon die Seele ebenfalls ein dunkles Ge- fuͤhl hat u. ſ. w. Das Gefuͤhl der Erſaͤttigung iſt ſowohl in Anſehung des Hungers als des Durſtes ſeinem naͤchſten Gegenſtand nach nichts anders, als die angenehme Empfindung der Vermehrung und Ver- beſſerung der Saͤfte auf der einen, und der geſtaͤrk- ten Nervenkraft auf der andern Seite, verbunden mit der dunklen thieriſchen Vorherſehung des Einfluſ- ſes dieſer Veraͤnderung in den Magen, und auf den Zuſtand des Koͤrpers uͤberhaupt. Nicht viel anderſt druͤckt ſich Reimarus *) aus. Nachdem er von den Sinnen der Thiere und den da- durch erhaltenen Empfindungen geredet hat, ſagt er: “Dieſe aͤußern Empfindungen muͤſſen dann der Seele ſolchen Eindruck und ſolche Vorſtellung beybringen, welche ſie vermoͤg der natuͤrlichen Verbindung mit ihrem Koͤrper, zur harmonirenden Bewegung gewiſ- ſer dazu fertigen und faſt voͤllig bereiteten Muskeln und Werkzeugen blindlings determinirt. Ich nenne die willkuͤhrliche Bewegung darum blindlings deter- minirt, weil ſich die Seele nicht bewußt iſt, woher ihre Neigung komme, noch ſich wiſſentlich entſchließt, in dieſen oder jenen Leibestheilen eine Bewegung zu erregen.„ Aber Reimarus redet von den willkuͤhrlichen Bewegungen des Koͤrpers, welche unſtreitig bald mehr bald weniger von der Seele beſtimmt werden. Um zu erklaͤren, wie leicht ſolche Bewegungen von der Seele *) Von den Trieben der Thiere.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/63>, abgerufen am 21.11.2024.