Mangel, Glück und Unglück ertragen. Alle ihre Lei- denschaften sind nur ganz schwach, gleichförmig und dauerhaft.
Betrachten wir nun den Einfluß eines üppigen Lebens: Dieses macht, daß der Mensch dick, fett schwer und aufgedunsen, und seine Haut weich, glatt, schön und ausgespannt wird; seine Muskeln werden weich, glatt und mit Fett angefüllt. Die Blutge- fäße werden durch die Ausdehnung des Zellengewebes zusammengedrückt, und die Knochen werden lang, groß, schwammicht und weich. Die Gelenke sind groß und die Knochenbänder dick; allein die Glieder sind, wenn sie auch gleich groß sind, doch immer in Verhältniß mit der Größe und Dicke des Körpers ziemlich klein.
Der Magen und die Gedärme eines solchen Menschen erlangen eine beträchtliche Größe, ihre Häute sind dünn, aber mit Fette angefüllt. Auch die Leber erlangt eine außerordentliche Größe, und wird weich und schwammicht. Die grosse Magendrü- se und die Nieren sind groß, schlaff und mit Fett er- füllt. Das Netz ist außerordentlich groß, weich, lang, breit und dick, und erstreckt sich über den gan- zen Unterleib und bis hinunter in das Becken.
Die Bauchmuskeln sind dünn, breit und fast noch einmal über ihre natürliche Länge ausgedehnt, weil sie durch die zu einer widernatürlichen Größe ausgedehnten Eingeweide des Unterleibes nach außen zu getrieben werden. Durch eben diese letzt gedachte Ursache wird gleichsam das Zwergfell gewaltsam so
in
Gall I. Band. U
Mangel, Gluͤck und Ungluͤck ertragen. Alle ihre Lei- denſchaften ſind nur ganz ſchwach, gleichfoͤrmig und dauerhaft.
Betrachten wir nun den Einfluß eines uͤppigen Lebens: Dieſes macht, daß der Menſch dick, fett ſchwer und aufgedunſen, und ſeine Haut weich, glatt, ſchoͤn und ausgeſpannt wird; ſeine Muskeln werden weich, glatt und mit Fett angefuͤllt. Die Blutge- faͤße werden durch die Ausdehnung des Zellengewebes zuſammengedruͤckt, und die Knochen werden lang, groß, ſchwammicht und weich. Die Gelenke ſind groß und die Knochenbaͤnder dick; allein die Glieder ſind, wenn ſie auch gleich groß ſind, doch immer in Verhaͤltniß mit der Groͤße und Dicke des Koͤrpers ziemlich klein.
Der Magen und die Gedaͤrme eines ſolchen Menſchen erlangen eine betraͤchtliche Groͤße, ihre Haͤute ſind duͤnn, aber mit Fette angefuͤllt. Auch die Leber erlangt eine außerordentliche Groͤße, und wird weich und ſchwammicht. Die groſſe Magendruͤ- ſe und die Nieren ſind groß, ſchlaff und mit Fett er- fuͤllt. Das Netz iſt außerordentlich groß, weich, lang, breit und dick, und erſtreckt ſich uͤber den gan- zen Unterleib und bis hinunter in das Becken.
Die Bauchmuskeln ſind duͤnn, breit und faſt noch einmal uͤber ihre natuͤrliche Laͤnge ausgedehnt, weil ſie durch die zu einer widernatuͤrlichen Groͤße ausgedehnten Eingeweide des Unterleibes nach außen zu getrieben werden. Durch eben dieſe letzt gedachte Urſache wird gleichſam das Zwergfell gewaltſam ſo
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Gall I. Band. U
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Mangel, Gluͤck und Ungluͤck ertragen. Alle ihre Lei-
denſchaften ſind nur ganz ſchwach, gleichfoͤrmig und
dauerhaft.
Betrachten wir nun den Einfluß eines uͤppigen
Lebens: Dieſes macht, daß der Menſch dick, fett
ſchwer und aufgedunſen, und ſeine Haut weich, glatt,
ſchoͤn und ausgeſpannt wird; ſeine Muskeln werden
weich, glatt und mit Fett angefuͤllt. Die Blutge-
faͤße werden durch die Ausdehnung des Zellengewebes
zuſammengedruͤckt, und die Knochen werden lang,
groß, ſchwammicht und weich. Die Gelenke ſind
groß und die Knochenbaͤnder dick; allein die Glieder
ſind, wenn ſie auch gleich groß ſind, doch immer in
Verhaͤltniß mit der Groͤße und Dicke des Koͤrpers
ziemlich klein.
Der Magen und die Gedaͤrme eines ſolchen
Menſchen erlangen eine betraͤchtliche Groͤße, ihre
Haͤute ſind duͤnn, aber mit Fette angefuͤllt. Auch
die Leber erlangt eine außerordentliche Groͤße, und
wird weich und ſchwammicht. Die groſſe Magendruͤ-
ſe und die Nieren ſind groß, ſchlaff und mit Fett er-
fuͤllt. Das Netz iſt außerordentlich groß, weich,
lang, breit und dick, und erſtreckt ſich uͤber den gan-
zen Unterleib und bis hinunter in das Becken.
Die Bauchmuskeln ſind duͤnn, breit und faſt
noch einmal uͤber ihre natuͤrliche Laͤnge ausgedehnt,
weil ſie durch die zu einer widernatuͤrlichen Groͤße
ausgedehnten Eingeweide des Unterleibes nach außen
zu getrieben werden. Durch eben dieſe letzt gedachte
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/324>, abgerufen am 22.11.2024.
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