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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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fahren nichts nütze, und drang in mich, dem Uibel
einmal ein Ende zu machen. Ich ließ meine ersten
Arzneyen, die man vors Fenster gestellt hatte, ge-
brauchen, und innerhalb vierzehn Tagen waren alle ge-
sund, ohne daß sich jemals der geringste Unfall geäus-
sert hätte.*)

Ein junger Mann verfiel nach vielen ausge-
standenen Unpäßlichkeiten endlich in ein abzehrendes
Fieber mit allen Arten von Nervenzufällen. Alle
Mittel blieben fruchtlos; endlich brachte man ihm
in der Absicht, die ausgetrockneten, eingeschrumpften
Fasern zu erweichen, ölichte und schleimichte Dinge
in grosser Menge durch alle Weege bey, und gab
keine anderen auflösenden und abführenden Mittel mehr,
als Manna mit Mandelöl. Es wurden sechs volle
Monate erfodert, die trockne, spröde, schuppichte
Haut wieder geschmeidig zu machen. Erst lange nach
der Genesung entdeckte er, daß sein dazumal gewöhn-
licher Tischwein mit Silberglätte verfälschet war. Um
wie viel früher würden ihn die bekannten passenden
Mittel geheilt haben! Wie unendlich oft dieses der
Fall seye, und wie sehr die Kunst die Heilungen so-
wohl der Natur als des gewöhnlichen Verfahrens
der Aerzte beschleunigen könne, werde ich bey einer
spätern Gelegenheit zeigen.


Vor-
*) In dem Kapitel von den Krankheiten der Alter und Ge-
schlechter und von den Zufällen der Entwicklung werde
ich mein Verfahren mit jenem der Natur vergleichen.
Und in dem Kapitel von der Nachahmung der Natur
werde ich alle ähnliche Fälle zusammenstellen.

fahren nichts nuͤtze, und drang in mich, dem Uibel
einmal ein Ende zu machen. Ich ließ meine erſten
Arzneyen, die man vors Fenſter geſtellt hatte, ge-
brauchen, und innerhalb vierzehn Tagen waren alle ge-
ſund, ohne daß ſich jemals der geringſte Unfall geaͤuſ-
ſert haͤtte.*)

Ein junger Mann verfiel nach vielen ausge-
ſtandenen Unpaͤßlichkeiten endlich in ein abzehrendes
Fieber mit allen Arten von Nervenzufaͤllen. Alle
Mittel blieben fruchtlos; endlich brachte man ihm
in der Abſicht, die ausgetrockneten, eingeſchrumpften
Faſern zu erweichen, oͤlichte und ſchleimichte Dinge
in groſſer Menge durch alle Weege bey, und gab
keine anderen aufloͤſenden und abfuͤhrenden Mittel mehr,
als Manna mit Mandeloͤl. Es wurden ſechs volle
Monate erfodert, die trockne, ſproͤde, ſchuppichte
Haut wieder geſchmeidig zu machen. Erſt lange nach
der Geneſung entdeckte er, daß ſein dazumal gewoͤhn-
licher Tiſchwein mit Silberglaͤtte verfaͤlſchet war. Um
wie viel fruͤher wuͤrden ihn die bekannten paſſenden
Mittel geheilt haben! Wie unendlich oft dieſes der
Fall ſeye, und wie ſehr die Kunſt die Heilungen ſo-
wohl der Natur als des gewoͤhnlichen Verfahrens
der Aerzte beſchleunigen koͤnne, werde ich bey einer
ſpaͤtern Gelegenheit zeigen.


Vor-
*) In dem Kapitel von den Krankheiten der Alter und Ge-
ſchlechter und von den Zufaͤllen der Entwicklung werde
ich mein Verfahren mit jenem der Natur vergleichen.
Und in dem Kapitel von der Nachahmung der Natur
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[270/0289] fahren nichts nuͤtze, und drang in mich, dem Uibel einmal ein Ende zu machen. Ich ließ meine erſten Arzneyen, die man vors Fenſter geſtellt hatte, ge- brauchen, und innerhalb vierzehn Tagen waren alle ge- ſund, ohne daß ſich jemals der geringſte Unfall geaͤuſ- ſert haͤtte. *) Ein junger Mann verfiel nach vielen ausge- ſtandenen Unpaͤßlichkeiten endlich in ein abzehrendes Fieber mit allen Arten von Nervenzufaͤllen. Alle Mittel blieben fruchtlos; endlich brachte man ihm in der Abſicht, die ausgetrockneten, eingeſchrumpften Faſern zu erweichen, oͤlichte und ſchleimichte Dinge in groſſer Menge durch alle Weege bey, und gab keine anderen aufloͤſenden und abfuͤhrenden Mittel mehr, als Manna mit Mandeloͤl. Es wurden ſechs volle Monate erfodert, die trockne, ſproͤde, ſchuppichte Haut wieder geſchmeidig zu machen. Erſt lange nach der Geneſung entdeckte er, daß ſein dazumal gewoͤhn- licher Tiſchwein mit Silberglaͤtte verfaͤlſchet war. Um wie viel fruͤher wuͤrden ihn die bekannten paſſenden Mittel geheilt haben! Wie unendlich oft dieſes der Fall ſeye, und wie ſehr die Kunſt die Heilungen ſo- wohl der Natur als des gewoͤhnlichen Verfahrens der Aerzte beſchleunigen koͤnne, werde ich bey einer ſpaͤtern Gelegenheit zeigen. Vor- *) In dem Kapitel von den Krankheiten der Alter und Ge- ſchlechter und von den Zufaͤllen der Entwicklung werde ich mein Verfahren mit jenem der Natur vergleichen. Und in dem Kapitel von der Nachahmung der Natur werde ich alle aͤhnliche Faͤlle zuſammenſtellen.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/289>, abgerufen am 22.11.2024.