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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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den edlern Theilen weggeschaffet und ausgeleeret wird!
Und dann hinterlassen dergleichen Zufälle manchmal
noch höchst verdrüßliche Folgen, zum Beyspiele,
grosse Entkräftung, Hohlgänge und andere bösartige
Geschwüre. Bezwingt die Natur hie und da ein bös-
artiges Nervenfieber, so bleiben ebenfalls nur selten
nicht üble Folgen, als: Taubheit, periodische Verges-
senheit etc. zurück. -- Der Kopfgrind fängt oft vor
dem zweyten Jahre an, und bekleitet die Kranken
bis in die Jahre der Mannbarkeit, wenn er ganz ver-
nachläßigt wird. Wer aber hier den Plan und das
Verfahren der Natur kennt, der wird ihn ohne alle
Gefahr in sechs oder acht Wochen heilen können.
Bey sieben Kindern vom zweyten bis ins zehnte Jahr
in einem Hause, welche alle auf einmal offene Köpfe
hatten, verordnete ich die das Bestreben der Natur
unterstützenden Mittel. Man fragte noch anderstwo
um Rath; meine Vorschriften wurden als ein ver-
wegenes Unternehmen verworfen. Statt dieser wur-
de nun alle acht Tage jedem Kinde eine Gabe Kinder-
meth (hydromel infantum) gegeben; nebst dem der
Kopf von dem Ungeziefer gereinigt, und fleißig Cacao
Butter eingeschmiert. Nach zwey Monaten war noch
kein Ansehen von Heilung; aber allen fuhren an den
Fingern rothe Beulen auf; bey dem einen Mädchen, wel-
ches gewöhnlich ein blasseres Aussehen hatte, entstun-
den an mehreren Stellen der Schenkeln, des Rückens
und Hinterns breite, im Anfang hellrothe, bald näs-
sende Flecken, welche zu oberflächlichen Geschwüren
wurden. Man war nun überzeugt, daß dieses Ver-

fah-

den edlern Theilen weggeſchaffet und ausgeleeret wird!
Und dann hinterlaſſen dergleichen Zufaͤlle manchmal
noch hoͤchſt verdruͤßliche Folgen, zum Beyſpiele,
groſſe Entkraͤftung, Hohlgaͤnge und andere boͤſartige
Geſchwuͤre. Bezwingt die Natur hie und da ein boͤſ-
artiges Nervenfieber, ſo bleiben ebenfalls nur ſelten
nicht uͤble Folgen, als: Taubheit, periodiſche Vergeſ-
ſenheit ꝛc. zuruͤck. — Der Kopfgrind faͤngt oft vor
dem zweyten Jahre an, und bekleitet die Kranken
bis in die Jahre der Mannbarkeit, wenn er ganz ver-
nachlaͤßigt wird. Wer aber hier den Plan und das
Verfahren der Natur kennt, der wird ihn ohne alle
Gefahr in ſechs oder acht Wochen heilen koͤnnen.
Bey ſieben Kindern vom zweyten bis ins zehnte Jahr
in einem Hauſe, welche alle auf einmal offene Koͤpfe
hatten, verordnete ich die das Beſtreben der Natur
unterſtuͤtzenden Mittel. Man fragte noch anderſtwo
um Rath; meine Vorſchriften wurden als ein ver-
wegenes Unternehmen verworfen. Statt dieſer wur-
de nun alle acht Tage jedem Kinde eine Gabe Kinder-
meth (hydromel infantum) gegeben; nebſt dem der
Kopf von dem Ungeziefer gereinigt, und fleißig Cacao
Butter eingeſchmiert. Nach zwey Monaten war noch
kein Anſehen von Heilung; aber allen fuhren an den
Fingern rothe Beulen auf; bey dem einen Maͤdchen, wel-
ches gewoͤhnlich ein blaſſeres Ausſehen hatte, entſtun-
den an mehreren Stellen der Schenkeln, des Ruͤckens
und Hinterns breite, im Anfang hellrothe, bald naͤſ-
ſende Flecken, welche zu oberflaͤchlichen Geſchwuͤren
wurden. Man war nun uͤberzeugt, daß dieſes Ver-

fah-
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[269/0288] den edlern Theilen weggeſchaffet und ausgeleeret wird! Und dann hinterlaſſen dergleichen Zufaͤlle manchmal noch hoͤchſt verdruͤßliche Folgen, zum Beyſpiele, groſſe Entkraͤftung, Hohlgaͤnge und andere boͤſartige Geſchwuͤre. Bezwingt die Natur hie und da ein boͤſ- artiges Nervenfieber, ſo bleiben ebenfalls nur ſelten nicht uͤble Folgen, als: Taubheit, periodiſche Vergeſ- ſenheit ꝛc. zuruͤck. — Der Kopfgrind faͤngt oft vor dem zweyten Jahre an, und bekleitet die Kranken bis in die Jahre der Mannbarkeit, wenn er ganz ver- nachlaͤßigt wird. Wer aber hier den Plan und das Verfahren der Natur kennt, der wird ihn ohne alle Gefahr in ſechs oder acht Wochen heilen koͤnnen. Bey ſieben Kindern vom zweyten bis ins zehnte Jahr in einem Hauſe, welche alle auf einmal offene Koͤpfe hatten, verordnete ich die das Beſtreben der Natur unterſtuͤtzenden Mittel. Man fragte noch anderſtwo um Rath; meine Vorſchriften wurden als ein ver- wegenes Unternehmen verworfen. Statt dieſer wur- de nun alle acht Tage jedem Kinde eine Gabe Kinder- meth (hydromel infantum) gegeben; nebſt dem der Kopf von dem Ungeziefer gereinigt, und fleißig Cacao Butter eingeſchmiert. Nach zwey Monaten war noch kein Anſehen von Heilung; aber allen fuhren an den Fingern rothe Beulen auf; bey dem einen Maͤdchen, wel- ches gewoͤhnlich ein blaſſeres Ausſehen hatte, entſtun- den an mehreren Stellen der Schenkeln, des Ruͤckens und Hinterns breite, im Anfang hellrothe, bald naͤſ- ſende Flecken, welche zu oberflaͤchlichen Geſchwuͤren wurden. Man war nun uͤberzeugt, daß dieſes Ver- fah-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/288>, abgerufen am 21.05.2024.