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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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die Ausdünftung ist heftig vermehrt, der Athem schnau-
bend u. s. w. Endlich freuen wir uns über die so gut
ausgeführte Rache, und fangen wieder mit verdop-
peltem Eifer zu schreiben an.

Andere Erscheinungen sowohl in Menschen als
Thieren zeigen, daß der Mechanismus zuweilen zwar
einer thätigen Ursache bedarf, um in Bewegung gesetzt
zu werden, aber dann ohne fernere Mitwirkung der
Seele regelmäßig zu wirken fortfahre. Hat man z. B.
einmal angefangen, nach einem bestimmten Orte zu
gehen, so gelangt man dahin, obschon man während
der ganzen Zeit sein vorhaben nie wieder erneuert.
Man singt Lieder, ohne an die Beugung der Töne zu
denken; man spinnt und strickt, und ersinnt mittler-
weile Ränke, den Liebhaber zu begünstigen oder zu
prellen. Es haben dieses einige als einen vortreflichen
Beweis von dem Daseyn einer selbstthätigen, wunder-
baren, Gott ähnlichen Kraft, wie Marherr sich
ausdrückt, angesehen. Was Gott ähnlich oder Gott
nicht ähnlich sey, das weiß ich nicht; aber das weiß
ich, daß diese Eigenschaft bey denjenigen Thieren de-
sto uneingeschränkter ist, je eingeschränkter und un-
edler die Eigenschaften der Seele sonst zu seyn pflegen.
Die vorigen Beyspiele von Verstümmelungen der Thie-
re beweisen dieses offenbar. Abraham Kaau Bo-
erhave
erzählet, daß er einem schnell zu seinem Fut-
ter eilenden Hahne, mitten im Laufe den Kopf abge-
hauen; und dennoch seye der Rumpf noch 23 rhein-
ländische Fuß gerades Weges weiter fortgelaufen,
und würde vielleicht noch weiter gekommen seyn, wenn

er
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die Ausduͤnftung iſt heftig vermehrt, der Athem ſchnau-
bend u. ſ. w. Endlich freuen wir uns uͤber die ſo gut
ausgefuͤhrte Rache, und fangen wieder mit verdop-
peltem Eifer zu ſchreiben an.

Andere Erſcheinungen ſowohl in Menſchen als
Thieren zeigen, daß der Mechanismus zuweilen zwar
einer thaͤtigen Urſache bedarf, um in Bewegung geſetzt
zu werden, aber dann ohne fernere Mitwirkung der
Seele regelmaͤßig zu wirken fortfahre. Hat man z. B.
einmal angefangen, nach einem beſtimmten Orte zu
gehen, ſo gelangt man dahin, obſchon man waͤhrend
der ganzen Zeit ſein vorhaben nie wieder erneuert.
Man ſingt Lieder, ohne an die Beugung der Toͤne zu
denken; man ſpinnt und ſtrickt, und erſinnt mittler-
weile Raͤnke, den Liebhaber zu beguͤnſtigen oder zu
prellen. Es haben dieſes einige als einen vortreflichen
Beweis von dem Daſeyn einer ſelbſtthaͤtigen, wunder-
baren, Gott aͤhnlichen Kraft, wie Marherr ſich
ausdruͤckt, angeſehen. Was Gott aͤhnlich oder Gott
nicht aͤhnlich ſey, das weiß ich nicht; aber das weiß
ich, daß dieſe Eigenſchaft bey denjenigen Thieren de-
ſto uneingeſchraͤnkter iſt, je eingeſchraͤnkter und un-
edler die Eigenſchaften der Seele ſonſt zu ſeyn pflegen.
Die vorigen Beyſpiele von Verſtuͤmmelungen der Thie-
re beweiſen dieſes offenbar. Abraham Kaau Bo-
erhave
erzaͤhlet, daß er einem ſchnell zu ſeinem Fut-
ter eilenden Hahne, mitten im Laufe den Kopf abge-
hauen; und dennoch ſeye der Rumpf noch 23 rhein-
laͤndiſche Fuß gerades Weges weiter fortgelaufen,
und wuͤrde vielleicht noch weiter gekommen ſeyn, wenn

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[179/0198] die Ausduͤnftung iſt heftig vermehrt, der Athem ſchnau- bend u. ſ. w. Endlich freuen wir uns uͤber die ſo gut ausgefuͤhrte Rache, und fangen wieder mit verdop- peltem Eifer zu ſchreiben an. Andere Erſcheinungen ſowohl in Menſchen als Thieren zeigen, daß der Mechanismus zuweilen zwar einer thaͤtigen Urſache bedarf, um in Bewegung geſetzt zu werden, aber dann ohne fernere Mitwirkung der Seele regelmaͤßig zu wirken fortfahre. Hat man z. B. einmal angefangen, nach einem beſtimmten Orte zu gehen, ſo gelangt man dahin, obſchon man waͤhrend der ganzen Zeit ſein vorhaben nie wieder erneuert. Man ſingt Lieder, ohne an die Beugung der Toͤne zu denken; man ſpinnt und ſtrickt, und erſinnt mittler- weile Raͤnke, den Liebhaber zu beguͤnſtigen oder zu prellen. Es haben dieſes einige als einen vortreflichen Beweis von dem Daſeyn einer ſelbſtthaͤtigen, wunder- baren, Gott aͤhnlichen Kraft, wie Marherr ſich ausdruͤckt, angeſehen. Was Gott aͤhnlich oder Gott nicht aͤhnlich ſey, das weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß dieſe Eigenſchaft bey denjenigen Thieren de- ſto uneingeſchraͤnkter iſt, je eingeſchraͤnkter und un- edler die Eigenſchaften der Seele ſonſt zu ſeyn pflegen. Die vorigen Beyſpiele von Verſtuͤmmelungen der Thie- re beweiſen dieſes offenbar. Abraham Kaau Bo- erhave erzaͤhlet, daß er einem ſchnell zu ſeinem Fut- ter eilenden Hahne, mitten im Laufe den Kopf abge- hauen; und dennoch ſeye der Rumpf noch 23 rhein- laͤndiſche Fuß gerades Weges weiter fortgelaufen, und wuͤrde vielleicht noch weiter gekommen ſeyn, wenn er M 2

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/198>, abgerufen am 30.04.2024.