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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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an den Brüsten der Weiber sehen können; andere Thei-
le hingegen entstehen oder entwickeln sich nicht ehe, als
bis sie nothwendig werden, wie die Zähne, die Zeu-
gungstheile u. s. w. Ueberall treffen wir bey den
Pflanzen ähnliche Erscheinungen an. Diejenigen laub-
artigen Bedeckungen, welche den Blütstengel anfäng-
lich einwickeln, und gegen die Wirkungen des Lichts
und der Luft schützen, tröcknen aus, schnurren zusam-
men und fallen ab, sobald sich der Blütstengel und
die Blumen entwickelt haben; wie z. B. bey dem in-
dianischen Rohr; die männliche Blüte beym Rußbaume,
die Staubfäden und die Blumenblättchen beym Apfel-
baume lösen sich von Zweig und Stiel und fallen ab,
so bald die weibliche Blüte befruchtet ist. Der Theil
des Stammes, der über das letzte Aug hervorragt,
trocknet ein, und wird nach und nach abgestossen. Die
Samenhülse der elastischen Balsamine zerspringt nicht
ehe, und jene des Bilsenkrauts löset nicht ehe ihre
Kappe ab, als bis der Same seine Reife erhalten hat,
und zur Aussaat tauglich geworden ist. Der Bohnen-
stock fängt erst dann an, sich zu winden, und die Re-
be treibt dann erst die Zirrhen, wenn sie nimmer
stark genug sind, sich selbst aufrecht zu halten.

So wie zu saftvolle Gewächse, die zu sehr in
Holz und Laub wuchern, keine oder nur sehr sparsame
Früchte tragen, und die Vollsaftigkeit durch Umschnei-
den der Rinde, oder durch Abnehmen der Pfahlwur-
zel gemindert werden muß: eben so sind Frauen und
Männer, und andere Thiere, welche sehr stark ins
Fett wachsen, selten fruchtbar, und man muß ihnen

die-
Gall I. Band K

an den Bruͤſten der Weiber ſehen koͤnnen; andere Thei-
le hingegen entſtehen oder entwickeln ſich nicht ehe, als
bis ſie nothwendig werden, wie die Zaͤhne, die Zeu-
gungstheile u. ſ. w. Ueberall treffen wir bey den
Pflanzen aͤhnliche Erſcheinungen an. Diejenigen laub-
artigen Bedeckungen, welche den Bluͤtſtengel anfaͤng-
lich einwickeln, und gegen die Wirkungen des Lichts
und der Luft ſchuͤtzen, troͤcknen aus, ſchnurren zuſam-
men und fallen ab, ſobald ſich der Bluͤtſtengel und
die Blumen entwickelt haben; wie z. B. bey dem in-
dianiſchen Rohr; die maͤnnliche Bluͤte beym Rußbaume,
die Staubfaͤden und die Blumenblaͤttchen beym Apfel-
baume loͤſen ſich von Zweig und Stiel und fallen ab,
ſo bald die weibliche Bluͤte befruchtet iſt. Der Theil
des Stammes, der uͤber das letzte Aug hervorragt,
trocknet ein, und wird nach und nach abgeſtoſſen. Die
Samenhuͤlſe der elaſtiſchen Balſamine zerſpringt nicht
ehe, und jene des Bilſenkrauts loͤſet nicht ehe ihre
Kappe ab, als bis der Same ſeine Reife erhalten hat,
und zur Ausſaat tauglich geworden iſt. Der Bohnen-
ſtock faͤngt erſt dann an, ſich zu winden, und die Re-
be treibt dann erſt die Zirrhen, wenn ſie nimmer
ſtark genug ſind, ſich ſelbſt aufrecht zu halten.

So wie zu ſaftvolle Gewaͤchſe, die zu ſehr in
Holz und Laub wuchern, keine oder nur ſehr ſparſame
Fruͤchte tragen, und die Vollſaftigkeit durch Umſchnei-
den der Rinde, oder durch Abnehmen der Pfahlwur-
zel gemindert werden muß: eben ſo ſind Frauen und
Maͤnner, und andere Thiere, welche ſehr ſtark ins
Fett wachſen, ſelten fruchtbar, und man muß ihnen

die-
Gall I. Band K
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[145/0164] an den Bruͤſten der Weiber ſehen koͤnnen; andere Thei- le hingegen entſtehen oder entwickeln ſich nicht ehe, als bis ſie nothwendig werden, wie die Zaͤhne, die Zeu- gungstheile u. ſ. w. Ueberall treffen wir bey den Pflanzen aͤhnliche Erſcheinungen an. Diejenigen laub- artigen Bedeckungen, welche den Bluͤtſtengel anfaͤng- lich einwickeln, und gegen die Wirkungen des Lichts und der Luft ſchuͤtzen, troͤcknen aus, ſchnurren zuſam- men und fallen ab, ſobald ſich der Bluͤtſtengel und die Blumen entwickelt haben; wie z. B. bey dem in- dianiſchen Rohr; die maͤnnliche Bluͤte beym Rußbaume, die Staubfaͤden und die Blumenblaͤttchen beym Apfel- baume loͤſen ſich von Zweig und Stiel und fallen ab, ſo bald die weibliche Bluͤte befruchtet iſt. Der Theil des Stammes, der uͤber das letzte Aug hervorragt, trocknet ein, und wird nach und nach abgeſtoſſen. Die Samenhuͤlſe der elaſtiſchen Balſamine zerſpringt nicht ehe, und jene des Bilſenkrauts loͤſet nicht ehe ihre Kappe ab, als bis der Same ſeine Reife erhalten hat, und zur Ausſaat tauglich geworden iſt. Der Bohnen- ſtock faͤngt erſt dann an, ſich zu winden, und die Re- be treibt dann erſt die Zirrhen, wenn ſie nimmer ſtark genug ſind, ſich ſelbſt aufrecht zu halten. So wie zu ſaftvolle Gewaͤchſe, die zu ſehr in Holz und Laub wuchern, keine oder nur ſehr ſparſame Fruͤchte tragen, und die Vollſaftigkeit durch Umſchnei- den der Rinde, oder durch Abnehmen der Pfahlwur- zel gemindert werden muß: eben ſo ſind Frauen und Maͤnner, und andere Thiere, welche ſehr ſtark ins Fett wachſen, ſelten fruchtbar, und man muß ihnen die- Gall I. Band K

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/164>, abgerufen am 30.04.2024.