tur, durch die Folgen der Weichlichkeit und des zunehmenden Sittenverderbnisses, durch die Ausbreitung und unsichtbare Fortpflanzung zerstöbrender Gifte nicht allein die Erkenntniß der Krankheiten, sondern jede arzneywissenschaft- liche Erfahrung unendlich erschwert wird. Die Krankheiten erscheinen, besonders in grossen Städten, nur selten mehr in ihrer einfachen Gestalt; die von so vielen Seiten gekränkte Natur wirkt ohne Ordnung, ohne Stetigkeit, ohne gehörigen Nachdruck, so, daß man nicht weiß, ob ein Umstand von guter oder schlim- mer Bedeutung, ob er die Wirkung der Na- tur oder der Kunst seye.
Dadurch wird das Bedürfniß, ächte, einfache Grundsätze der praktischen Heilkunde fest zu setzen, alle Tage dringender. Wenn das Verfahren der Aerzte mit jenem der Natur über- einstimmt; wenn sie die Regungen der Natur richtig zu beurtheilen und zu benützen wissen; wenn sie die Quellen vom Ursprung, von der
Natur
Vorrede.
tur, durch die Folgen der Weichlichkeit und des zunehmenden Sittenverderbniſſes, durch die Ausbreitung und unſichtbare Fortpflanzung zerſtoͤbrender Gifte nicht allein die Erkenntniß der Krankheiten, ſondern jede arzneywiſſenſchaft- liche Erfahrung unendlich erſchwert wird. Die Krankheiten erſcheinen, beſonders in groſſen Staͤdten, nur ſelten mehr in ihrer einfachen Geſtalt; die von ſo vielen Seiten gekraͤnkte Natur wirkt ohne Ordnung, ohne Stetigkeit, ohne gehoͤrigen Nachdruck, ſo, daß man nicht weiß, ob ein Umſtand von guter oder ſchlim- mer Bedeutung, ob er die Wirkung der Na- tur oder der Kunſt ſeye.
Dadurch wird das Beduͤrfniß, aͤchte, einfache Grundſaͤtze der praktiſchen Heilkunde feſt zu ſetzen, alle Tage dringender. Wenn das Verfahren der Aerzte mit jenem der Natur uͤber- einſtimmt; wenn ſie die Regungen der Natur richtig zu beurtheilen und zu benuͤtzen wiſſen; wenn ſie die Quellen vom Urſprung, von der
Natur
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[VII/0012]
Vorrede.
tur, durch die Folgen der Weichlichkeit und
des zunehmenden Sittenverderbniſſes, durch
die Ausbreitung und unſichtbare Fortpflanzung
zerſtoͤbrender Gifte nicht allein die Erkenntniß
der Krankheiten, ſondern jede arzneywiſſenſchaft-
liche Erfahrung unendlich erſchwert wird. Die
Krankheiten erſcheinen, beſonders in groſſen
Staͤdten, nur ſelten mehr in ihrer einfachen
Geſtalt; die von ſo vielen Seiten gekraͤnkte
Natur wirkt ohne Ordnung, ohne Stetigkeit,
ohne gehoͤrigen Nachdruck, ſo, daß man nicht
weiß, ob ein Umſtand von guter oder ſchlim-
mer Bedeutung, ob er die Wirkung der Na-
tur oder der Kunſt ſeye.
Dadurch wird das Beduͤrfniß, aͤchte,
einfache Grundſaͤtze der praktiſchen Heilkunde
feſt zu ſetzen, alle Tage dringender. Wenn das
Verfahren der Aerzte mit jenem der Natur uͤber-
einſtimmt; wenn ſie die Regungen der Natur
richtig zu beurtheilen und zu benuͤtzen wiſſen;
wenn ſie die Quellen vom Urſprung, von der
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/12>, abgerufen am 24.11.2024.
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