Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.
Thüre, schloß sie hinter ihm ab, und sagte beim Hinausgehen laut zu seinem Diener: Der arme Artmann ist verrückt geworden. 8. Die Kirchenväter. In Theresens Zimmer, das wir im Anfange unserer Erzählung geschildert haben, stand an der Stelle, die sonst das Sopha einnahm, der Sarg der jungen Frau. Er war noch offen, und im weißen Kleide, das ihr die alte sorgsame Tante angezogen hatte, sah sie aus wie eine Braut. Bernhard verließ, seitdem er vom Schlosse zurückgekehrt, die Leiche nicht, und spendete ihr alle Liebe, die er in der letzten Zeit der lebenden Frau versagt hatte. Auch jetzt saß er vor der Leiche und hielt eine ihrer kalten Hände in den seinen, als es leise an die Thüre pochte und Jan Kortenstiel, einer der Kirchenvorsteher oder "Kirchenväter", eintrat. Als er die Leiche gewahrte, blieb er an der Thüre stehen, aber Bernhard winkte ihn herbei und frug apathisch: Was wollt Ihr, Jan? Sagt es mir und setzt Euch. Aber der Bauer folgte der letzten Aufforderung Thüre, schloß sie hinter ihm ab, und sagte beim Hinausgehen laut zu seinem Diener: Der arme Artmann ist verrückt geworden. 8. Die Kirchenväter. In Theresens Zimmer, das wir im Anfange unserer Erzählung geschildert haben, stand an der Stelle, die sonst das Sopha einnahm, der Sarg der jungen Frau. Er war noch offen, und im weißen Kleide, das ihr die alte sorgsame Tante angezogen hatte, sah sie aus wie eine Braut. Bernhard verließ, seitdem er vom Schlosse zurückgekehrt, die Leiche nicht, und spendete ihr alle Liebe, die er in der letzten Zeit der lebenden Frau versagt hatte. Auch jetzt saß er vor der Leiche und hielt eine ihrer kalten Hände in den seinen, als es leise an die Thüre pochte und Jan Kortenstiel, einer der Kirchenvorsteher oder „Kirchenväter“, eintrat. Als er die Leiche gewahrte, blieb er an der Thüre stehen, aber Bernhard winkte ihn herbei und frug apathisch: Was wollt Ihr, Jan? Sagt es mir und setzt Euch. Aber der Bauer folgte der letzten Aufforderung <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="7"> <p><pb facs="#f0070"/> Thüre, schloß sie hinter ihm ab, und sagte beim Hinausgehen laut zu seinem Diener:</p><lb/> <p>Der arme Artmann ist verrückt geworden.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="8"> <head>8. Die Kirchenväter.</head> <p>In Theresens Zimmer, das wir im Anfange unserer Erzählung geschildert haben, stand an der Stelle, die sonst das Sopha einnahm, der Sarg der jungen Frau. Er war noch offen, und im weißen Kleide, das ihr die alte sorgsame Tante angezogen hatte, sah sie aus wie eine Braut.</p><lb/> <p>Bernhard verließ, seitdem er vom Schlosse zurückgekehrt, die Leiche nicht, und spendete ihr alle Liebe, die er in der letzten Zeit der lebenden Frau versagt hatte.</p><lb/> <p>Auch jetzt saß er vor der Leiche und hielt eine ihrer kalten Hände in den seinen, als es leise an die Thüre pochte und Jan Kortenstiel, einer der Kirchenvorsteher oder „Kirchenväter“, eintrat. Als er die Leiche gewahrte, blieb er an der Thüre stehen, aber Bernhard winkte ihn herbei und frug apathisch:</p><lb/> <p>Was wollt Ihr, Jan? Sagt es mir und setzt Euch.</p><lb/> <p>Aber der Bauer folgte der letzten Aufforderung<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0070]
Thüre, schloß sie hinter ihm ab, und sagte beim Hinausgehen laut zu seinem Diener:
Der arme Artmann ist verrückt geworden.
8. Die Kirchenväter. In Theresens Zimmer, das wir im Anfange unserer Erzählung geschildert haben, stand an der Stelle, die sonst das Sopha einnahm, der Sarg der jungen Frau. Er war noch offen, und im weißen Kleide, das ihr die alte sorgsame Tante angezogen hatte, sah sie aus wie eine Braut.
Bernhard verließ, seitdem er vom Schlosse zurückgekehrt, die Leiche nicht, und spendete ihr alle Liebe, die er in der letzten Zeit der lebenden Frau versagt hatte.
Auch jetzt saß er vor der Leiche und hielt eine ihrer kalten Hände in den seinen, als es leise an die Thüre pochte und Jan Kortenstiel, einer der Kirchenvorsteher oder „Kirchenväter“, eintrat. Als er die Leiche gewahrte, blieb er an der Thüre stehen, aber Bernhard winkte ihn herbei und frug apathisch:
Was wollt Ihr, Jan? Sagt es mir und setzt Euch.
Aber der Bauer folgte der letzten Aufforderung
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| Zitationshilfe: | Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_luege_1910/70>, abgerufen am 22.11.2024. |
