Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wurde, über dem Christoph Bernhard's von Galen edles Wappen noch immer prangt, und dort in feierlicher Taufe die erste Weihe des katholischen Glaubens empfing, vergaßen sie es beinahe ganz, weßhalb Therese immer in der Frühmesse fehlte und beinahe jeden Sonntag von ihrem Manne in einem entferntem Städtchen abgeholt wurde, wohin sie der alte Knecht zu ihrer Kirche geleitete. Bernhard war ein sehr fleißiger, ein sehr intelligenter und dabei ein sehr gesunder Mensch; wie wäre es möglich, mit diesen drei Eigenschaften, sobald der beste Wille von der Welt dazu sich findet, nicht ein guter Landwirth zu werden? Der Graf war stolz auf diesen Pachter und rühmte sich bei seinen Bekannten des Kunststücks, das er vollbracht, indem er aus einem lockern Studenten, welche Benennung übrigens Bernhard nie verdient hatte, einen soliden Landwirth gemacht habe. Als ihm Bernhard pflichtschuldigst die Geburt seines Söhnchens anzuzeigen kam, weil der Graf sich ihm zum Pathen angetragen, empfing ihn dieser mit bekümmertem Gesicht und sagte traurig: Ach, Artmann, wären wir erst so weit. Aber, sagte er nach einer kleinen Pause, durchblitzt von einem Gedanken, ich will dir etwas sagen, wenn meine Frau mir auch einen gesunden Sohn schenkt, dann sollst du Pathe sein und kein Anderer. Da der Graf Artmann von seiner wurde, über dem Christoph Bernhard's von Galen edles Wappen noch immer prangt, und dort in feierlicher Taufe die erste Weihe des katholischen Glaubens empfing, vergaßen sie es beinahe ganz, weßhalb Therese immer in der Frühmesse fehlte und beinahe jeden Sonntag von ihrem Manne in einem entferntem Städtchen abgeholt wurde, wohin sie der alte Knecht zu ihrer Kirche geleitete. Bernhard war ein sehr fleißiger, ein sehr intelligenter und dabei ein sehr gesunder Mensch; wie wäre es möglich, mit diesen drei Eigenschaften, sobald der beste Wille von der Welt dazu sich findet, nicht ein guter Landwirth zu werden? Der Graf war stolz auf diesen Pachter und rühmte sich bei seinen Bekannten des Kunststücks, das er vollbracht, indem er aus einem lockern Studenten, welche Benennung übrigens Bernhard nie verdient hatte, einen soliden Landwirth gemacht habe. Als ihm Bernhard pflichtschuldigst die Geburt seines Söhnchens anzuzeigen kam, weil der Graf sich ihm zum Pathen angetragen, empfing ihn dieser mit bekümmertem Gesicht und sagte traurig: Ach, Artmann, wären wir erst so weit. Aber, sagte er nach einer kleinen Pause, durchblitzt von einem Gedanken, ich will dir etwas sagen, wenn meine Frau mir auch einen gesunden Sohn schenkt, dann sollst du Pathe sein und kein Anderer. Da der Graf Artmann von seiner <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0012"/> wurde, über dem Christoph Bernhard's von Galen edles Wappen noch immer prangt, und dort in feierlicher Taufe die erste Weihe des katholischen Glaubens empfing, vergaßen sie es beinahe ganz, weßhalb Therese immer in der Frühmesse fehlte und beinahe jeden Sonntag von ihrem Manne in einem entferntem Städtchen abgeholt wurde, wohin sie der alte Knecht zu ihrer Kirche geleitete.</p><lb/> <p>Bernhard war ein sehr fleißiger, ein sehr intelligenter und dabei ein sehr gesunder Mensch; wie wäre es möglich, mit diesen drei Eigenschaften, sobald der beste Wille von der Welt dazu sich findet, nicht ein guter Landwirth zu werden? Der Graf war stolz auf diesen Pachter und rühmte sich bei seinen Bekannten des Kunststücks, das er vollbracht, indem er aus einem lockern Studenten, welche Benennung übrigens Bernhard nie verdient hatte, einen soliden Landwirth gemacht habe.</p><lb/> <p>Als ihm Bernhard pflichtschuldigst die Geburt seines Söhnchens anzuzeigen kam, weil der Graf sich ihm zum Pathen angetragen, empfing ihn dieser mit bekümmertem Gesicht und sagte traurig: Ach, Artmann, wären wir erst so weit. Aber, sagte er nach einer kleinen Pause, durchblitzt von einem Gedanken, ich will dir etwas sagen, wenn meine Frau mir auch einen gesunden Sohn schenkt, dann sollst du Pathe sein und kein Anderer. Da der Graf Artmann von seiner<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
wurde, über dem Christoph Bernhard's von Galen edles Wappen noch immer prangt, und dort in feierlicher Taufe die erste Weihe des katholischen Glaubens empfing, vergaßen sie es beinahe ganz, weßhalb Therese immer in der Frühmesse fehlte und beinahe jeden Sonntag von ihrem Manne in einem entferntem Städtchen abgeholt wurde, wohin sie der alte Knecht zu ihrer Kirche geleitete.
Bernhard war ein sehr fleißiger, ein sehr intelligenter und dabei ein sehr gesunder Mensch; wie wäre es möglich, mit diesen drei Eigenschaften, sobald der beste Wille von der Welt dazu sich findet, nicht ein guter Landwirth zu werden? Der Graf war stolz auf diesen Pachter und rühmte sich bei seinen Bekannten des Kunststücks, das er vollbracht, indem er aus einem lockern Studenten, welche Benennung übrigens Bernhard nie verdient hatte, einen soliden Landwirth gemacht habe.
Als ihm Bernhard pflichtschuldigst die Geburt seines Söhnchens anzuzeigen kam, weil der Graf sich ihm zum Pathen angetragen, empfing ihn dieser mit bekümmertem Gesicht und sagte traurig: Ach, Artmann, wären wir erst so weit. Aber, sagte er nach einer kleinen Pause, durchblitzt von einem Gedanken, ich will dir etwas sagen, wenn meine Frau mir auch einen gesunden Sohn schenkt, dann sollst du Pathe sein und kein Anderer. Da der Graf Artmann von seiner
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Zitationshilfe: | Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_luege_1910/12>, abgerufen am 16.02.2025. |