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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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gleich nicht unbedingt, die Fossilität des Fundes behauptete,
also ein diluviales Alter für denselben in Anspruch nahm.
Es ist vielleicht nicht ohne Jnteresse, wenn ich hier wörtlich
wiederhole, was ich damals vor der Versammlung aussprach:
"Der Fund, sagte ich, besteht in einer Anzahl zusammenge-
höriger menschlichen Gebeine, die durch die Eigenthümlichkeit
ihres osteologischen Charakters und die localen Bedingungen
ihres Vorkommens die Ansicht rechtfertigen können, daß sie
aus der vorhistorischen Zeit, wahrscheinlich aus der Diluvial-
periode stammen und daher einem urtypischen Jndividuum
unseres Geschlechtes einstens angehört haben. Da die Trag-
weite einer solchen Ansicht zur Zeit noch zur sorgfältigsten
Prüfung ihres Gegenstandes verpflichtet, für die Begründung
derselben aber, abgesehen von der Beschaffenheit des Fundes,
die Art und die näheren Umstände der Auffindung, so wie
zumal die localen Verhältnisse des Fundorts von maßgeben-
der Bedeutung sind, so brauche ich die umständliche Aus-
führlichkeit wohl nicht zu entschuldigen, mit der ich diese
Verhältnisse beschrieben habe."

Das war mein Standpunkt im Frühjahr 1857. Der
Bericht, aus dem ich diese Stelle entlehne, wurde in den
Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins u. s. w. erst
im Jahre 1859 veröffentlicht, bis wohin sich meine Ansicht
von der Fossilität des Fundes, also von der Existenz des so-
genannten fossilen Menschen, bei fortgesetzter gewissenhaften
Prüfung derselben, nur immermehr bestärkt hatte. Dessen
ungeachtet schloß ich meinen damaligen Bericht mit der etwas
schüchternen Aeußerung: "daß ich auf den Versuch einer
Propaganda für meine Ueberzeugung verzichten und das
entscheidende Urtheil über die Existenz fossiler Menschen der
Zukunft anheim geben wolle", -- womit ich weniger dem
eigenen Standpunkte, als einer Befangenheit Rechnung trug,

gleich nicht unbedingt, die Foſſilität des Fundes behauptete,
alſo ein diluviales Alter für denſelben in Anſpruch nahm.
Es iſt vielleicht nicht ohne Jntereſſe, wenn ich hier wörtlich
wiederhole, was ich damals vor der Verſammlung ausſprach:
„Der Fund, ſagte ich, beſteht in einer Anzahl zuſammenge-
höriger menſchlichen Gebeine, die durch die Eigenthümlichkeit
ihres oſteologiſchen Charakters und die localen Bedingungen
ihres Vorkommens die Anſicht rechtfertigen können, daß ſie
aus der vorhiſtoriſchen Zeit, wahrſcheinlich aus der Diluvial-
periode ſtammen und daher einem urtypiſchen Jndividuum
unſeres Geſchlechtes einſtens angehört haben. Da die Trag-
weite einer ſolchen Anſicht zur Zeit noch zur ſorgfältigſten
Prüfung ihres Gegenſtandes verpflichtet, für die Begründung
derſelben aber, abgeſehen von der Beſchaffenheit des Fundes,
die Art und die näheren Umſtände der Auffindung, ſo wie
zumal die localen Verhältniſſe des Fundorts von maßgeben-
der Bedeutung ſind, ſo brauche ich die umſtändliche Aus-
führlichkeit wohl nicht zu entſchuldigen, mit der ich dieſe
Verhältniſſe beſchrieben habe.“

Das war mein Standpunkt im Frühjahr 1857. Der
Bericht, aus dem ich dieſe Stelle entlehne, wurde in den
Verhandlungen des Naturhiſtoriſchen Vereins u. ſ. w. erſt
im Jahre 1859 veröffentlicht, bis wohin ſich meine Anſicht
von der Foſſilität des Fundes, alſo von der Exiſtenz des ſo-
genannten foſſilen Menſchen, bei fortgeſetzter gewiſſenhaften
Prüfung derſelben, nur immermehr beſtärkt hatte. Deſſen
ungeachtet ſchloß ich meinen damaligen Bericht mit der etwas
ſchüchternen Aeußerung: „daß ich auf den Verſuch einer
Propaganda für meine Ueberzeugung verzichten und das
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Zukunft anheim geben wolle“, — womit ich weniger dem
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[55/0059] gleich nicht unbedingt, die Foſſilität des Fundes behauptete, alſo ein diluviales Alter für denſelben in Anſpruch nahm. Es iſt vielleicht nicht ohne Jntereſſe, wenn ich hier wörtlich wiederhole, was ich damals vor der Verſammlung ausſprach: „Der Fund, ſagte ich, beſteht in einer Anzahl zuſammenge- höriger menſchlichen Gebeine, die durch die Eigenthümlichkeit ihres oſteologiſchen Charakters und die localen Bedingungen ihres Vorkommens die Anſicht rechtfertigen können, daß ſie aus der vorhiſtoriſchen Zeit, wahrſcheinlich aus der Diluvial- periode ſtammen und daher einem urtypiſchen Jndividuum unſeres Geſchlechtes einſtens angehört haben. Da die Trag- weite einer ſolchen Anſicht zur Zeit noch zur ſorgfältigſten Prüfung ihres Gegenſtandes verpflichtet, für die Begründung derſelben aber, abgeſehen von der Beſchaffenheit des Fundes, die Art und die näheren Umſtände der Auffindung, ſo wie zumal die localen Verhältniſſe des Fundorts von maßgeben- der Bedeutung ſind, ſo brauche ich die umſtändliche Aus- führlichkeit wohl nicht zu entſchuldigen, mit der ich dieſe Verhältniſſe beſchrieben habe.“ Das war mein Standpunkt im Frühjahr 1857. Der Bericht, aus dem ich dieſe Stelle entlehne, wurde in den Verhandlungen des Naturhiſtoriſchen Vereins u. ſ. w. erſt im Jahre 1859 veröffentlicht, bis wohin ſich meine Anſicht von der Foſſilität des Fundes, alſo von der Exiſtenz des ſo- genannten foſſilen Menſchen, bei fortgeſetzter gewiſſenhaften Prüfung derſelben, nur immermehr beſtärkt hatte. Deſſen ungeachtet ſchloß ich meinen damaligen Bericht mit der etwas ſchüchternen Aeußerung: „daß ich auf den Verſuch einer Propaganda für meine Ueberzeugung verzichten und das entſcheidende Urtheil über die Exiſtenz foſſiler Menſchen der Zukunft anheim geben wolle“, — womit ich weniger dem eigenen Standpunkte, als einer Befangenheit Rechnung trug,

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/59>, abgerufen am 24.11.2024.