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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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aber man zuckte auch allseitig die Achseln über das, was
man hörte, und Niemand fand sich in der Versammlung,
der meiner Ansicht über das geologische Alter des Fundes
mit einem ermuthigenden Worte beigetreten wäre. Das sage
ich nicht, geehrte Anwesende, um jenen Männern zu nahe
zu treten, oder ihrer zögernden Haltung irgend einen Vor-
wurf zu machen; ich sage es vielmehr um zu zeigen, daß
auch die Naturforscher an den Ueberlieferungen auf ihrem
Gebiete mit Zähigkeit festzuhalten und eine Neuerung nur
mit zögerndem Mißtrauen aufzunehmen pflegen. Seitdem
die ersten Funde menschlicher Gebeine auf ein diluviales
Alter unsers Geschlechts gedeutet wurden, hatte ein sechzig-
jähriger, mitunter lebhaft geführter Proceß, in welchem all-
mählich eine beträchtliche Anzahl Zeugen mit immer kräf-
tigern Zeugnissen auftraten, die Angelegenheit nicht zur
Spruchreife bringen können. Dieser zögernde Gang und die
anfänglichen Zweifel an dem Alter meines Fundes haben
mich persönlich nicht befremdet, wohl aber die Veröffentli-
chung meines Fundberichtes insofern verzögert, als sie mich
beständig an die Möglichkeit eines Jrrthums mahnten, da-
durch zur umsichtigsten Prüfung meines Gegenstandes nö-
thigten und schließlich den in solchen Dingen allein richtigen
Standpunkt, welcher sich mit der Constatirung der Thatsa-
chen begnügt, gewinnen ließen. So kam es, daß meine oben
erwähnte Arbeit über den Neanderthaler Fund nur äußerst
langsam vorrückte und erst im Jahre 1859 unter der Ueber-
schrift: "Menschliche Ueberreste aus einer Felsengrotte des
Düsselthals. Ein Beitrag zur Frage über die Existenz fos-
siler Menschen" in den Verhandlungen des naturhistorischen
Vereins veröffentlicht werden konnten.

Die Kunde von dem Neanderthaler Funde war kaum
vernommen, als bald darauf eine Menge von anderen That-

aber man zuckte auch allſeitig die Achſeln über das, was
man hörte, und Niemand fand ſich in der Verſammlung,
der meiner Anſicht über das geologiſche Alter des Fundes
mit einem ermuthigenden Worte beigetreten wäre. Das ſage
ich nicht, geehrte Anweſende, um jenen Männern zu nahe
zu treten, oder ihrer zögernden Haltung irgend einen Vor-
wurf zu machen; ich ſage es vielmehr um zu zeigen, daß
auch die Naturforſcher an den Ueberlieferungen auf ihrem
Gebiete mit Zähigkeit feſtzuhalten und eine Neuerung nur
mit zögerndem Mißtrauen aufzunehmen pflegen. Seitdem
die erſten Funde menſchlicher Gebeine auf ein diluviales
Alter unſers Geſchlechts gedeutet wurden, hatte ein ſechzig-
jähriger, mitunter lebhaft geführter Proceß, in welchem all-
mählich eine beträchtliche Anzahl Zeugen mit immer kräf-
tigern Zeugniſſen auftraten, die Angelegenheit nicht zur
Spruchreife bringen können. Dieſer zögernde Gang und die
anfänglichen Zweifel an dem Alter meines Fundes haben
mich perſönlich nicht befremdet, wohl aber die Veröffentli-
chung meines Fundberichtes inſofern verzögert, als ſie mich
beſtändig an die Möglichkeit eines Jrrthums mahnten, da-
durch zur umſichtigſten Prüfung meines Gegenſtandes nö-
thigten und ſchließlich den in ſolchen Dingen allein richtigen
Standpunkt, welcher ſich mit der Conſtatirung der Thatſa-
chen begnügt, gewinnen ließen. So kam es, daß meine oben
erwähnte Arbeit über den Neanderthaler Fund nur äußerſt
langſam vorrückte und erſt im Jahre 1859 unter der Ueber-
ſchrift: „Menſchliche Ueberreſte aus einer Felſengrotte des
Düſſelthals. Ein Beitrag zur Frage über die Exiſtenz foſ-
ſiler Menſchen“ in den Verhandlungen des naturhiſtoriſchen
Vereins veröffentlicht werden konnten.

Die Kunde von dem Neanderthaler Funde war kaum
vernommen, als bald darauf eine Menge von anderen That-

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[31/0035] aber man zuckte auch allſeitig die Achſeln über das, was man hörte, und Niemand fand ſich in der Verſammlung, der meiner Anſicht über das geologiſche Alter des Fundes mit einem ermuthigenden Worte beigetreten wäre. Das ſage ich nicht, geehrte Anweſende, um jenen Männern zu nahe zu treten, oder ihrer zögernden Haltung irgend einen Vor- wurf zu machen; ich ſage es vielmehr um zu zeigen, daß auch die Naturforſcher an den Ueberlieferungen auf ihrem Gebiete mit Zähigkeit feſtzuhalten und eine Neuerung nur mit zögerndem Mißtrauen aufzunehmen pflegen. Seitdem die erſten Funde menſchlicher Gebeine auf ein diluviales Alter unſers Geſchlechts gedeutet wurden, hatte ein ſechzig- jähriger, mitunter lebhaft geführter Proceß, in welchem all- mählich eine beträchtliche Anzahl Zeugen mit immer kräf- tigern Zeugniſſen auftraten, die Angelegenheit nicht zur Spruchreife bringen können. Dieſer zögernde Gang und die anfänglichen Zweifel an dem Alter meines Fundes haben mich perſönlich nicht befremdet, wohl aber die Veröffentli- chung meines Fundberichtes inſofern verzögert, als ſie mich beſtändig an die Möglichkeit eines Jrrthums mahnten, da- durch zur umſichtigſten Prüfung meines Gegenſtandes nö- thigten und ſchließlich den in ſolchen Dingen allein richtigen Standpunkt, welcher ſich mit der Conſtatirung der Thatſa- chen begnügt, gewinnen ließen. So kam es, daß meine oben erwähnte Arbeit über den Neanderthaler Fund nur äußerſt langſam vorrückte und erſt im Jahre 1859 unter der Ueber- ſchrift: „Menſchliche Ueberreſte aus einer Felſengrotte des Düſſelthals. Ein Beitrag zur Frage über die Exiſtenz foſ- ſiler Menſchen“ in den Verhandlungen des naturhiſtoriſchen Vereins veröffentlicht werden konnten. Die Kunde von dem Neanderthaler Funde war kaum vernommen, als bald darauf eine Menge von anderen That-

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/35>, abgerufen am 25.04.2024.