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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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Einräumen kann man und muß es am Ende, daß
durch die Entdeckung des Gorilla und des Homo Neander-
thalensis
*) die weite Kluft zwischen Thier- und Menschen-
welt sich enger zusammengezogen und die Annahme der
Möglichkeit eines natürlichen Zusammenhangs zwischen bei-
den wesentlich erleichtert hat. Aber weiter gehen und im
Sinne der Darwin'schen Theorie die Möglichkeit zur Wirk-
lichkeit stempeln, dazu -- glaube ich -- berechtigen uns diese
Entdeckungen noch durchaus nicht. Nehmen wir hinzu, daß
die ganze Darwin'sche Theorie eine Hypothese ist, die sich
noch im Stadium der völligen Neuheit befindet, daß sie
somit noch eine unübersehbare Reihe von Prüfungen der
schwierigsten Art zu bestehen hat, ehe sie auf gesetzmäßige
Geltung wird Anspruch machen können; beachten wir ferner,
daß sich hierüber Niemand weniger täuscht, als der berühmte
Autor selber, und übersehen wir endlich nicht, daß ein ver-
einzeltes Factum, wie der Neanderthaler Fund, in einer so
wichtigen Frage nicht entscheiden kann, -- so mögen die An-
hänger der Umbildungstheorie nur immerhin neue Belege
für dieselbe sammeln und die Wissenschaft bereichern, -- zu dem
Glauben aber, oder gar zu der Ueberzeugung von der wirk-
lichen Stammverwandtschaft zwischen Affe und Mensch wer-
den sie uns -- vorläufig wenigstens -- nicht überreden
können.

Jch verlasse diesen schwierigen Punkt meiner Aufgabe
mit folgender Bemerkung:

Die weite Kluft, welche in geistiger Beziehung Thier-
und Menschenwelt von einander trennt, wird von Jedermann
als Thatsache anerkannt. Auf der anderen Seite aber steht,
in gleicher Weise anerkannt, die ungemeine Langsamkeit,

*) Jm Sinne des Prof. King. Vergl. die zweite Vorlesung.

Einräumen kann man und muß es am Ende, daß
durch die Entdeckung des Gorilla und des Homo Neander-
thalensis
*) die weite Kluft zwiſchen Thier- und Menſchen-
welt ſich enger zuſammengezogen und die Annahme der
Möglichkeit eines natürlichen Zuſammenhangs zwiſchen bei-
den weſentlich erleichtert hat. Aber weiter gehen und im
Sinne der Darwin'ſchen Theorie die Möglichkeit zur Wirk-
lichkeit ſtempeln, dazu — glaube ich — berechtigen uns dieſe
Entdeckungen noch durchaus nicht. Nehmen wir hinzu, daß
die ganze Darwin'ſche Theorie eine Hypotheſe iſt, die ſich
noch im Stadium der völligen Neuheit befindet, daß ſie
ſomit noch eine unüberſehbare Reihe von Prüfungen der
ſchwierigſten Art zu beſtehen hat, ehe ſie auf geſetzmäßige
Geltung wird Anſpruch machen können; beachten wir ferner,
daß ſich hierüber Niemand weniger täuſcht, als der berühmte
Autor ſelber, und überſehen wir endlich nicht, daß ein ver-
einzeltes Factum, wie der Neanderthaler Fund, in einer ſo
wichtigen Frage nicht entſcheiden kann, — ſo mögen die An-
hänger der Umbildungstheorie nur immerhin neue Belege
für dieſelbe ſammeln und die Wiſſenſchaft bereichern, — zu dem
Glauben aber, oder gar zu der Ueberzeugung von der wirk-
lichen Stammverwandtſchaft zwiſchen Affe und Menſch wer-
den ſie uns — vorläufig wenigſtens — nicht überreden
können.

Jch verlaſſe dieſen ſchwierigen Punkt meiner Aufgabe
mit folgender Bemerkung:

Die weite Kluft, welche in geiſtiger Beziehung Thier-
und Menſchenwelt von einander trennt, wird von Jedermann
als Thatſache anerkannt. Auf der anderen Seite aber ſteht,
in gleicher Weiſe anerkannt, die ungemeine Langſamkeit,

*) Jm Sinne des Prof. King. Vergl. die zweite Vorleſung.
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[23/0027] Einräumen kann man und muß es am Ende, daß durch die Entdeckung des Gorilla und des Homo Neander- thalensis *) die weite Kluft zwiſchen Thier- und Menſchen- welt ſich enger zuſammengezogen und die Annahme der Möglichkeit eines natürlichen Zuſammenhangs zwiſchen bei- den weſentlich erleichtert hat. Aber weiter gehen und im Sinne der Darwin'ſchen Theorie die Möglichkeit zur Wirk- lichkeit ſtempeln, dazu — glaube ich — berechtigen uns dieſe Entdeckungen noch durchaus nicht. Nehmen wir hinzu, daß die ganze Darwin'ſche Theorie eine Hypotheſe iſt, die ſich noch im Stadium der völligen Neuheit befindet, daß ſie ſomit noch eine unüberſehbare Reihe von Prüfungen der ſchwierigſten Art zu beſtehen hat, ehe ſie auf geſetzmäßige Geltung wird Anſpruch machen können; beachten wir ferner, daß ſich hierüber Niemand weniger täuſcht, als der berühmte Autor ſelber, und überſehen wir endlich nicht, daß ein ver- einzeltes Factum, wie der Neanderthaler Fund, in einer ſo wichtigen Frage nicht entſcheiden kann, — ſo mögen die An- hänger der Umbildungstheorie nur immerhin neue Belege für dieſelbe ſammeln und die Wiſſenſchaft bereichern, — zu dem Glauben aber, oder gar zu der Ueberzeugung von der wirk- lichen Stammverwandtſchaft zwiſchen Affe und Menſch wer- den ſie uns — vorläufig wenigſtens — nicht überreden können. Jch verlaſſe dieſen ſchwierigen Punkt meiner Aufgabe mit folgender Bemerkung: Die weite Kluft, welche in geiſtiger Beziehung Thier- und Menſchenwelt von einander trennt, wird von Jedermann als Thatſache anerkannt. Auf der anderen Seite aber ſteht, in gleicher Weiſe anerkannt, die ungemeine Langſamkeit, *) Jm Sinne des Prof. King. Vergl. die zweite Vorleſung.

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/27>, abgerufen am 26.04.2024.