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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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ragenden Fachmännern, so wie mit ihren literarischen Er-
zeugnissen persönlich in sehr nahe Beziehungen gekommen bin.

Dieser interessante Fund besteht in einer Anzahl un-
zweifelhaft menschlicher Gebeine, die durch ihre plumpe,
massive Form, besonders aber durch die abnorme Bildung des
zugehörigen Schädels, wenn nicht einen völlig erloschenen Men-
schentypus, so doch eine auffallende Affenähnlichkeit des Jndivi-
duums vermuthen lassen, dem sie einstens angehört haben.
Die Lage und sonstige Beschaffenheit des Fundorts, von dem
ich seiner Zeit*) eine Beschreibung veröffentlicht habe, setzen
es meines Erachtens außer Zweifel, daß die Gebeine dem
Diluvium, also der Urzeit angehören, d. h. aus einer Pe-
riode der Vergangenheit stammen, wo unser Vaterland noch
von verschiedenen Thiergeschlechtern, namentlich von Mammu-
then und Höhlenbären bewohnt war, die längst aus der
Reihe der lebenden Wesen verschwunden sind. Menschliche
Ueberreste, die ein gleich hohes Alter beanspruchen konnten,
sind mehrfach schon früher beobachtet worden; sie standen
aber stets vereinzelt, auch hatten sie das Vorurtheil der Zeit
gegen sich, die von fossilen oder sogenannten vorweltlichen
Menschen nichts wissen wollte, und fanden daher nach dieser
Seite hin entweder gar keine, oder nur eine sehr beschränkte
Anerkennung. Günstiger stand es damit allerdings schon --
es war im Jahre 1857 -- als der Neanderthaler Fund den
Fachmännern bekannt wurde. Dessen ungeachtet erhob man
Bedenken gegen die Fossilität desselben, während man ihm
immerhin ein sehr hohes Alter einräumen zu müssen glaubte.
Wie alt aber diese menschlichen Gebeine auch sein mögen,
ihre osteologischen Eigenthümlichkeiten, namentlich die völlig
abnorme, fast thierähnliche Bildung des Schädels wurden

*) S. Verhandlungen des naturhist. Vereins der Preuß. Rheinlande
und Westphalens. Jahrg. 1859.

ragenden Fachmännern, ſo wie mit ihren literariſchen Er-
zeugniſſen perſönlich in ſehr nahe Beziehungen gekommen bin.

Dieſer intereſſante Fund beſteht in einer Anzahl un-
zweifelhaft menſchlicher Gebeine, die durch ihre plumpe,
maſſive Form, beſonders aber durch die abnorme Bildung des
zugehörigen Schädels, wenn nicht einen völlig erloſchenen Men-
ſchentypus, ſo doch eine auffallende Affenähnlichkeit des Jndivi-
duums vermuthen laſſen, dem ſie einſtens angehört haben.
Die Lage und ſonſtige Beſchaffenheit des Fundorts, von dem
ich ſeiner Zeit*) eine Beſchreibung veröffentlicht habe, ſetzen
es meines Erachtens außer Zweifel, daß die Gebeine dem
Diluvium, alſo der Urzeit angehören, d. h. aus einer Pe-
riode der Vergangenheit ſtammen, wo unſer Vaterland noch
von verſchiedenen Thiergeſchlechtern, namentlich von Mammu-
then und Höhlenbären bewohnt war, die längſt aus der
Reihe der lebenden Weſen verſchwunden ſind. Menſchliche
Ueberreſte, die ein gleich hohes Alter beanſpruchen konnten,
ſind mehrfach ſchon früher beobachtet worden; ſie ſtanden
aber ſtets vereinzelt, auch hatten ſie das Vorurtheil der Zeit
gegen ſich, die von foſſilen oder ſogenannten vorweltlichen
Menſchen nichts wiſſen wollte, und fanden daher nach dieſer
Seite hin entweder gar keine, oder nur eine ſehr beſchränkte
Anerkennung. Günſtiger ſtand es damit allerdings ſchon —
es war im Jahre 1857 — als der Neanderthaler Fund den
Fachmännern bekannt wurde. Deſſen ungeachtet erhob man
Bedenken gegen die Foſſilität deſſelben, während man ihm
immerhin ein ſehr hohes Alter einräumen zu müſſen glaubte.
Wie alt aber dieſe menſchlichen Gebeine auch ſein mögen,
ihre oſteologiſchen Eigenthümlichkeiten, namentlich die völlig
abnorme, faſt thierähnliche Bildung des Schädels wurden

*) S. Verhandlungen des naturhiſt. Vereins der Preuß. Rheinlande
und Weſtphalens. Jahrg. 1859.
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[21/0025] ragenden Fachmännern, ſo wie mit ihren literariſchen Er- zeugniſſen perſönlich in ſehr nahe Beziehungen gekommen bin. Dieſer intereſſante Fund beſteht in einer Anzahl un- zweifelhaft menſchlicher Gebeine, die durch ihre plumpe, maſſive Form, beſonders aber durch die abnorme Bildung des zugehörigen Schädels, wenn nicht einen völlig erloſchenen Men- ſchentypus, ſo doch eine auffallende Affenähnlichkeit des Jndivi- duums vermuthen laſſen, dem ſie einſtens angehört haben. Die Lage und ſonſtige Beſchaffenheit des Fundorts, von dem ich ſeiner Zeit *) eine Beſchreibung veröffentlicht habe, ſetzen es meines Erachtens außer Zweifel, daß die Gebeine dem Diluvium, alſo der Urzeit angehören, d. h. aus einer Pe- riode der Vergangenheit ſtammen, wo unſer Vaterland noch von verſchiedenen Thiergeſchlechtern, namentlich von Mammu- then und Höhlenbären bewohnt war, die längſt aus der Reihe der lebenden Weſen verſchwunden ſind. Menſchliche Ueberreſte, die ein gleich hohes Alter beanſpruchen konnten, ſind mehrfach ſchon früher beobachtet worden; ſie ſtanden aber ſtets vereinzelt, auch hatten ſie das Vorurtheil der Zeit gegen ſich, die von foſſilen oder ſogenannten vorweltlichen Menſchen nichts wiſſen wollte, und fanden daher nach dieſer Seite hin entweder gar keine, oder nur eine ſehr beſchränkte Anerkennung. Günſtiger ſtand es damit allerdings ſchon — es war im Jahre 1857 — als der Neanderthaler Fund den Fachmännern bekannt wurde. Deſſen ungeachtet erhob man Bedenken gegen die Foſſilität deſſelben, während man ihm immerhin ein ſehr hohes Alter einräumen zu müſſen glaubte. Wie alt aber dieſe menſchlichen Gebeine auch ſein mögen, ihre oſteologiſchen Eigenthümlichkeiten, namentlich die völlig abnorme, faſt thierähnliche Bildung des Schädels wurden *) S. Verhandlungen des naturhiſt. Vereins der Preuß. Rheinlande und Weſtphalens. Jahrg. 1859.

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/25>, abgerufen am 25.04.2024.