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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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einen großen Reichthum an Resten von längst ausgestorbe-
nen Säugethierarten, wie von Mammuthen, Nashörnern,
Mastodonten, Bären, Löwen und Hyänen einschließt, die
nicht selten auch in Begleitung von rohen menschlichen Kunst-
erzeugnissen und selbst von menschlichen Gebeinen darin auf-
gefunden werden. -- Die jüngste Formation endlich, das
Alluvium enthält ausschließlich Reste von jetzt noch lebenden
Organismen aus allen Lebenskreisen und ist in den Thä-
lern und an den Mündungen der Flüsse noch fortwährend
in der Bildung begriffen.

Finden nun die thatsächlichen Beziehungen der vier
geologischen Epochen in der vorliegenden kurzen Charakteri-
stik derselben ihren wahren Ausdruck, woran nach dem heu-
tigen Standpunkte der Wissenschaft kaum zu zweifeln ist,
so kann von völliger Abgeschlossenheit einer Epoche gegen die
andere, d. h. von wiederholtem Untergange alles organischen
Lebens und mehrfachen neuen Schöpfungen nicht mehr die
Rede sein. Das Verhältniß stellt sich vielmehr so, daß die
Thier- und Pflanzenformen zweier Epochen und ihrer Mit-
telglieder um so unähnlicher sind, je weiter diese der Zeit
nach von einander entfernt liegen, um so ähnlicher mithin,
je kürzer die Zeitabschnitte waren, welche die Formationen
trennen, aus denen die organischen Reste, die Versteinerun-
gen verglichen werden. Allerdings sind von Epoche zu Epoche,
ja von Formation zu Formation zahlreiche Thier- und Pflan-
zenformen aus der Reihe der lebenden Wesen verschwunden,
wie die Mammuthe und Höhlenbären verschwunden sind,
die noch in der Diluvialzeit so häufig durch alle Länder Eu-
ropas verbreitet waren; -- wie aber die genannten Thiere
nur der Art nach ausgestorben sind, während sich ihre Gat-
tungen in zahlreichen neuen Arten bis in unsere Zeit erhal-
ten haben, und wie sich thatsächlich sämmtliche Schalthiere

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einen großen Reichthum an Reſten von längſt ausgeſtorbe-
nen Säugethierarten, wie von Mammuthen, Nashörnern,
Maſtodonten, Bären, Löwen und Hyänen einſchließt, die
nicht ſelten auch in Begleitung von rohen menſchlichen Kunſt-
erzeugniſſen und ſelbſt von menſchlichen Gebeinen darin auf-
gefunden werden. — Die jüngſte Formation endlich, das
Alluvium enthält ausſchließlich Reſte von jetzt noch lebenden
Organismen aus allen Lebenskreiſen und iſt in den Thä-
lern und an den Mündungen der Flüſſe noch fortwährend
in der Bildung begriffen.

Finden nun die thatſächlichen Beziehungen der vier
geologiſchen Epochen in der vorliegenden kurzen Charakteri-
ſtik derſelben ihren wahren Ausdruck, woran nach dem heu-
tigen Standpunkte der Wiſſenſchaft kaum zu zweifeln iſt,
ſo kann von völliger Abgeſchloſſenheit einer Epoche gegen die
andere, d. h. von wiederholtem Untergange alles organiſchen
Lebens und mehrfachen neuen Schöpfungen nicht mehr die
Rede ſein. Das Verhältniß ſtellt ſich vielmehr ſo, daß die
Thier- und Pflanzenformen zweier Epochen und ihrer Mit-
telglieder um ſo unähnlicher ſind, je weiter dieſe der Zeit
nach von einander entfernt liegen, um ſo ähnlicher mithin,
je kürzer die Zeitabſchnitte waren, welche die Formationen
trennen, aus denen die organiſchen Reſte, die Verſteinerun-
gen verglichen werden. Allerdings ſind von Epoche zu Epoche,
ja von Formation zu Formation zahlreiche Thier- und Pflan-
zenformen aus der Reihe der lebenden Weſen verſchwunden,
wie die Mammuthe und Höhlenbären verſchwunden ſind,
die noch in der Diluvialzeit ſo häufig durch alle Länder Eu-
ropas verbreitet waren; — wie aber die genannten Thiere
nur der Art nach ausgeſtorben ſind, während ſich ihre Gat-
tungen in zahlreichen neuen Arten bis in unſere Zeit erhal-
ten haben, und wie ſich thatſächlich ſämmtliche Schalthiere

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[17/0021] einen großen Reichthum an Reſten von längſt ausgeſtorbe- nen Säugethierarten, wie von Mammuthen, Nashörnern, Maſtodonten, Bären, Löwen und Hyänen einſchließt, die nicht ſelten auch in Begleitung von rohen menſchlichen Kunſt- erzeugniſſen und ſelbſt von menſchlichen Gebeinen darin auf- gefunden werden. — Die jüngſte Formation endlich, das Alluvium enthält ausſchließlich Reſte von jetzt noch lebenden Organismen aus allen Lebenskreiſen und iſt in den Thä- lern und an den Mündungen der Flüſſe noch fortwährend in der Bildung begriffen. Finden nun die thatſächlichen Beziehungen der vier geologiſchen Epochen in der vorliegenden kurzen Charakteri- ſtik derſelben ihren wahren Ausdruck, woran nach dem heu- tigen Standpunkte der Wiſſenſchaft kaum zu zweifeln iſt, ſo kann von völliger Abgeſchloſſenheit einer Epoche gegen die andere, d. h. von wiederholtem Untergange alles organiſchen Lebens und mehrfachen neuen Schöpfungen nicht mehr die Rede ſein. Das Verhältniß ſtellt ſich vielmehr ſo, daß die Thier- und Pflanzenformen zweier Epochen und ihrer Mit- telglieder um ſo unähnlicher ſind, je weiter dieſe der Zeit nach von einander entfernt liegen, um ſo ähnlicher mithin, je kürzer die Zeitabſchnitte waren, welche die Formationen trennen, aus denen die organiſchen Reſte, die Verſteinerun- gen verglichen werden. Allerdings ſind von Epoche zu Epoche, ja von Formation zu Formation zahlreiche Thier- und Pflan- zenformen aus der Reihe der lebenden Weſen verſchwunden, wie die Mammuthe und Höhlenbären verſchwunden ſind, die noch in der Diluvialzeit ſo häufig durch alle Länder Eu- ropas verbreitet waren; — wie aber die genannten Thiere nur der Art nach ausgeſtorben ſind, während ſich ihre Gat- tungen in zahlreichen neuen Arten bis in unſere Zeit erhal- ten haben, und wie ſich thatſächlich ſämmtliche Schalthiere 2

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/21>, abgerufen am 19.04.2024.