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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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Schöpfungsgeschichte erwähnt und darf wohl voraussetzen, daß
wir nicht allein von Jugend auf mit dieser Geschichte vertraut
sind, sondern daß ihre wörtliche Fassung und Deutung seit-
dem auch für Viele maßgebend geblieben sind, wenn es sich
für sie um den Ursprung der Welt und um die Erschaffung
des Menschen gehandelt hat. Bei der Erweiterung des gei-
stigen Blickes in reiferen Jahren mag es Manchen aber auch
begegnet sein, daß sie die sechs Schöpfungstage der mosai-
schen Geschichte mit der Größe und der Ordnung der erschaf-
fenen Welt, so wie mit dem ursachlichen Zusammenhange
der Erscheinungen, die uns unmittelbar umgeben, nicht in
Einklang bringen konnten, daß sie namentlich in dem Baue
der Erde auf Verhältnisse stießen, deren Verständniß nur
bei einem Maßstabe von vielen Jahrtausenden ihnen zugäng-
lich erschien. Die Erscheinungen und Verhältnisse, die ich
hier meine, sind einerseits die mannichfachen über einander
gelagerten Gebirgsschichten, aus denen wir fast überall die
feste Erdrinde zusammengesetzt finden, und andererseits die
darin zahlreich eingeschlossenen Pflanzen- und Thiergebilde,
von denen nach Analogie der gegenwärtig lebenden Pflanzen
und Thiere angenommen werden muß, daß auch sie einstens
an der Oberfläche gelebt und lange Perioden des Wachsens
und Gedeihens für sich in Anspruch genommen haben.

Wurden einmal diese Dinge nach ihren Zahl- und
Raumverhältnissen in Betracht gezogen, so mußte bei aller
Verehrung der Urkunde, die dabei in Frage kam, auch die
Logik des Augenscheins, die Logik der Thatsachen mitreden,
und diese sträubte sich hartnäckig gegen die Annahme, daß
das Alles in sechs Tagen entstanden sein könne. -- So be-
greift es sich denn, daß mit der zunehmenden Kenntniß von
dem Baue der Erde auch die Versuche auftauchen, durch neue
Schöpfungstheorien die vorliegenden Widersprüche zu lösen,

Schöpfungsgeſchichte erwähnt und darf wohl vorausſetzen, daß
wir nicht allein von Jugend auf mit dieſer Geſchichte vertraut
ſind, ſondern daß ihre wörtliche Faſſung und Deutung ſeit-
dem auch für Viele maßgebend geblieben ſind, wenn es ſich
für ſie um den Urſprung der Welt und um die Erſchaffung
des Menſchen gehandelt hat. Bei der Erweiterung des gei-
ſtigen Blickes in reiferen Jahren mag es Manchen aber auch
begegnet ſein, daß ſie die ſechs Schöpfungstage der moſai-
ſchen Geſchichte mit der Größe und der Ordnung der erſchaf-
fenen Welt, ſo wie mit dem urſachlichen Zuſammenhange
der Erſcheinungen, die uns unmittelbar umgeben, nicht in
Einklang bringen konnten, daß ſie namentlich in dem Baue
der Erde auf Verhältniſſe ſtießen, deren Verſtändniß nur
bei einem Maßſtabe von vielen Jahrtauſenden ihnen zugäng-
lich erſchien. Die Erſcheinungen und Verhältniſſe, die ich
hier meine, ſind einerſeits die mannichfachen über einander
gelagerten Gebirgsſchichten, aus denen wir faſt überall die
feſte Erdrinde zuſammengeſetzt finden, und andererſeits die
darin zahlreich eingeſchloſſenen Pflanzen- und Thiergebilde,
von denen nach Analogie der gegenwärtig lebenden Pflanzen
und Thiere angenommen werden muß, daß auch ſie einſtens
an der Oberfläche gelebt und lange Perioden des Wachſens
und Gedeihens für ſich in Anſpruch genommen haben.

Wurden einmal dieſe Dinge nach ihren Zahl- und
Raumverhältniſſen in Betracht gezogen, ſo mußte bei aller
Verehrung der Urkunde, die dabei in Frage kam, auch die
Logik des Augenſcheins, die Logik der Thatſachen mitreden,
und dieſe ſträubte ſich hartnäckig gegen die Annahme, daß
das Alles in ſechs Tagen entſtanden ſein könne. — So be-
greift es ſich denn, daß mit der zunehmenden Kenntniß von
dem Baue der Erde auch die Verſuche auftauchen, durch neue
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[8/0012] Schöpfungsgeſchichte erwähnt und darf wohl vorausſetzen, daß wir nicht allein von Jugend auf mit dieſer Geſchichte vertraut ſind, ſondern daß ihre wörtliche Faſſung und Deutung ſeit- dem auch für Viele maßgebend geblieben ſind, wenn es ſich für ſie um den Urſprung der Welt und um die Erſchaffung des Menſchen gehandelt hat. Bei der Erweiterung des gei- ſtigen Blickes in reiferen Jahren mag es Manchen aber auch begegnet ſein, daß ſie die ſechs Schöpfungstage der moſai- ſchen Geſchichte mit der Größe und der Ordnung der erſchaf- fenen Welt, ſo wie mit dem urſachlichen Zuſammenhange der Erſcheinungen, die uns unmittelbar umgeben, nicht in Einklang bringen konnten, daß ſie namentlich in dem Baue der Erde auf Verhältniſſe ſtießen, deren Verſtändniß nur bei einem Maßſtabe von vielen Jahrtauſenden ihnen zugäng- lich erſchien. Die Erſcheinungen und Verhältniſſe, die ich hier meine, ſind einerſeits die mannichfachen über einander gelagerten Gebirgsſchichten, aus denen wir faſt überall die feſte Erdrinde zuſammengeſetzt finden, und andererſeits die darin zahlreich eingeſchloſſenen Pflanzen- und Thiergebilde, von denen nach Analogie der gegenwärtig lebenden Pflanzen und Thiere angenommen werden muß, daß auch ſie einſtens an der Oberfläche gelebt und lange Perioden des Wachſens und Gedeihens für ſich in Anſpruch genommen haben. Wurden einmal dieſe Dinge nach ihren Zahl- und Raumverhältniſſen in Betracht gezogen, ſo mußte bei aller Verehrung der Urkunde, die dabei in Frage kam, auch die Logik des Augenſcheins, die Logik der Thatſachen mitreden, und dieſe ſträubte ſich hartnäckig gegen die Annahme, daß das Alles in ſechs Tagen entſtanden ſein könne. — So be- greift es ſich denn, daß mit der zunehmenden Kenntniß von dem Baue der Erde auch die Verſuche auftauchen, durch neue Schöpfungstheorien die vorliegenden Widerſprüche zu löſen,

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/12>, abgerufen am 29.03.2024.