und nur die Stimme der Freundschaft hörend warf er sein Pferd herum, und jagte am Ufer des reißenden Flusses entlang. Nach einigen Minuten sahe er Mucius auftauchen, und matt mit den Wellen kämpfen, der Strom schlang ihn immer wieder in seine Strudel. Endlich blieb der schon fast Entseelte mit den Kleidern an einem Gesträuch hangen, und mit der größ- ten Mühe gelang es dem Freunde, ihn ans Ufer zu ziehn, mit noch größerer, ihn völlig ins Le- ben zurück zu rufen. Beide waren weiter als eine Viertelstunde von der Festung entfernt. Jn dieser Lage wurden sie plötzlich von einer Abtheilung englischer Reiterei umringt, und ge- fangen genommen. Mucius fühlte und begriff wenig von dem, was um ihn her vorging, er glich einem Seelenlosen, sein Freund mußte für ihn denken und handeln.
Jn diesem Zustande wurden sie bis Lissabon gebracht, und von dort, mit mehreren Gefangenen, auf einem Transportschiffe nach England geführt. Der Kapitän schien gerührt von der tiefen Nie- dergeschlagenheit des Einen, und von der auf- opfernden Freundschaft des Andern, und behan-
und nur die Stimme der Freundſchaft hoͤrend warf er ſein Pferd herum, und jagte am Ufer des reißenden Fluſſes entlang. Nach einigen Minuten ſahe er Mucius auftauchen, und matt mit den Wellen kaͤmpfen, der Strom ſchlang ihn immer wieder in ſeine Strudel. Endlich blieb der ſchon faſt Entſeelte mit den Kleidern an einem Geſtraͤuch hangen, und mit der groͤß- ten Muͤhe gelang es dem Freunde, ihn ans Ufer zu ziehn, mit noch groͤßerer, ihn voͤllig ins Le- ben zuruͤck zu rufen. Beide waren weiter als eine Viertelſtunde von der Feſtung entfernt. Jn dieſer Lage wurden ſie ploͤtzlich von einer Abtheilung engliſcher Reiterei umringt, und ge- fangen genommen. Mucius fuͤhlte und begriff wenig von dem, was um ihn her vorging, er glich einem Seelenloſen, ſein Freund mußte fuͤr ihn denken und handeln.
Jn dieſem Zuſtande wurden ſie bis Liſſabon gebracht, und von dort, mit mehreren Gefangenen, auf einem Transportſchiffe nach England gefuͤhrt. Der Kapitaͤn ſchien geruͤhrt von der tiefen Nie- dergeſchlagenheit des Einen, und von der auf- opfernden Freundſchaft des Andern, und behan-
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und nur die Stimme der Freundſchaft hoͤrend
warf er ſein Pferd herum, und jagte am Ufer
des reißenden Fluſſes entlang. Nach einigen
Minuten ſahe er Mucius auftauchen, und matt
mit den Wellen kaͤmpfen, der Strom ſchlang
ihn immer wieder in ſeine Strudel. Endlich
blieb der ſchon faſt Entſeelte mit den Kleidern
an einem Geſtraͤuch hangen, und mit der groͤß-
ten Muͤhe gelang es dem Freunde, ihn ans Ufer
zu ziehn, mit noch groͤßerer, ihn voͤllig ins Le-
ben zuruͤck zu rufen. Beide waren weiter als
eine Viertelſtunde von der Feſtung entfernt.
Jn dieſer Lage wurden ſie ploͤtzlich von einer
Abtheilung engliſcher Reiterei umringt, und ge-
fangen genommen. Mucius fuͤhlte und begriff
wenig von dem, was um ihn her vorging, er
glich einem Seelenloſen, ſein Freund mußte fuͤr
ihn denken und handeln.
Jn dieſem Zuſtande wurden ſie bis Liſſabon
gebracht, und von dort, mit mehreren Gefangenen,
auf einem Transportſchiffe nach England gefuͤhrt.
Der Kapitaͤn ſchien geruͤhrt von der tiefen Nie-
dergeſchlagenheit des Einen, und von der auf-
opfernden Freundſchaft des Andern, und behan-
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/68>, abgerufen am 16.02.2025.
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