der Felsen über welche sich der Niagara stürzt; hier ließen wir Vieh und Geräth unter Js- maels Obhuth, und John führte uns auf stei- len Fußpfaden bis zu einer Höhe, von welcher wir den betäubenden, jede Beschreibung übertref- fenden Wassersturz übersehen konnten. Wir wa- ren alle ergriffen von diesem einzigen Schau- spiele. Donnernd stürzt sich der Strom von Fels zu Fels, himmelhoch spritzt der Schaum empor, von der Sonne durchschienen, einem Goldregen gleich; hundertfältige Regenbogen bil- den sich an dem dichter herabfallenden Gewässer. Die Sprache ist zu mangelhaft den Eindruck wieder zu geben, den das Auge kaum im Gan- zen auf zu fassen vermag. Sprachlos standen wir lange, und staunten vor uns hin, dann gab ich meine Dienerschaft durch Winke zu verste- hen, daß ich bis zu einer Abstufung des Felsens ohne Begleitung hinunter steigen wolle, wohin ein bequemer Pfad führte, und wo einige Wöl- bungen einen kühlen Aufenthalt zu bieten schie- nen; ich wollte ungestört seyn. Als ich um eine Ecke bog, erblickte ich ein männliches We- sen, welches in Gedanken verloren zu seyn
der Felſen uͤber welche ſich der Niagara ſtuͤrzt; hier ließen wir Vieh und Geraͤth unter Js- maels Obhuth, und John fuͤhrte uns auf ſtei- len Fußpfaden bis zu einer Hoͤhe, von welcher wir den betaͤubenden, jede Beſchreibung uͤbertref- fenden Waſſerſturz uͤberſehen konnten. Wir wa- ren alle ergriffen von dieſem einzigen Schau- ſpiele. Donnernd ſtuͤrzt ſich der Strom von Fels zu Fels, himmelhoch ſpritzt der Schaum empor, von der Sonne durchſchienen, einem Goldregen gleich; hundertfaͤltige Regenbogen bil- den ſich an dem dichter herabfallenden Gewaͤſſer. Die Sprache iſt zu mangelhaft den Eindruck wieder zu geben, den das Auge kaum im Gan- zen auf zu faſſen vermag. Sprachlos ſtanden wir lange, und ſtaunten vor uns hin, dann gab ich meine Dienerſchaft durch Winke zu verſte- hen, daß ich bis zu einer Abſtufung des Felſens ohne Begleitung hinunter ſteigen wolle, wohin ein bequemer Pfad fuͤhrte, und wo einige Woͤl- bungen einen kuͤhlen Aufenthalt zu bieten ſchie- nen; ich wollte ungeſtoͤrt ſeyn. Als ich um eine Ecke bog, erblickte ich ein maͤnnliches We- ſen, welches in Gedanken verloren zu ſeyn
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der Felſen uͤber welche ſich der Niagara ſtuͤrzt;
hier ließen wir Vieh und Geraͤth unter Js-
maels Obhuth, und John fuͤhrte uns auf ſtei-
len Fußpfaden bis zu einer Hoͤhe, von welcher
wir den betaͤubenden, jede Beſchreibung uͤbertref-
fenden Waſſerſturz uͤberſehen konnten. Wir wa-
ren alle ergriffen von dieſem einzigen Schau-
ſpiele. Donnernd ſtuͤrzt ſich der Strom von
Fels zu Fels, himmelhoch ſpritzt der Schaum
empor, von der Sonne durchſchienen, einem
Goldregen gleich; hundertfaͤltige Regenbogen bil-
den ſich an dem dichter herabfallenden Gewaͤſſer.
Die Sprache iſt zu mangelhaft den Eindruck
wieder zu geben, den das Auge kaum im Gan-
zen auf zu faſſen vermag. Sprachlos ſtanden
wir lange, und ſtaunten vor uns hin, dann gab
ich meine Dienerſchaft durch Winke zu verſte-
hen, daß ich bis zu einer Abſtufung des Felſens
ohne Begleitung hinunter ſteigen wolle, wohin
ein bequemer Pfad fuͤhrte, und wo einige Woͤl-
bungen einen kuͤhlen Aufenthalt zu bieten ſchie-
nen; ich wollte ungeſtoͤrt ſeyn. Als ich um
eine Ecke bog, erblickte ich ein maͤnnliches We-
ſen, welches in Gedanken verloren zu ſeyn
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/60>, abgerufen am 16.02.2025.
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