immer auf Uebertreibungen fällt, er in seinem gei- stigen Stolze nicht auf die Winke seiner Lehre- rinn, der Natur, achtet! Das höchste Glück wel- ches ich hier finde, ist die völlige Freiheit der Meinungen. Niemahls hört, man weder einen religiösen noch politischen Streit; ein jeder sagt ohne Rückhalt sein Urtheil, und hört ruhig ein entgegengesetztes an. Es ist möglich daß du recht hast, sagt der eine, mir scheint es jedoch so, aber ich kann irren; der andre äußert sich eben so, und kein Tropfen Wermuth fällt in den Becher der Freundschaft. Diese Mäßi- gung ist um so bewundernswürdiger im gegen- wärtigen Augenblick, wo der Krieg und die daraus entsprungenen Unglücksfälle, die Gemüther mehr als gewöhnlich spannen. Nur unter diesem ru- higen Volke, konnte die Freiheit ihren Sitz auf- schlagen, ohne daß ihr Weg mit Blut bezeignet wurde. Mir ist als ob ich hier ausruhte, von all dem Weh, welches mein armes Herz in den letzten Jahren unaufhörlich bestürmt hat, als ob ich nach langer Pilgerschaft, Quarantaine hielte. Diese ist freilich nicht sehr ergetzlich, aber sie sichert die Gesundheit, und deßhalb sey sie mei-
immer auf Uebertreibungen faͤllt, er in ſeinem gei- ſtigen Stolze nicht auf die Winke ſeiner Lehre- rinn, der Natur, achtet! Das hoͤchſte Gluͤck wel- ches ich hier finde, iſt die voͤllige Freiheit der Meinungen. Niemahls hoͤrt, man weder einen religioͤſen noch politiſchen Streit; ein jeder ſagt ohne Ruͤckhalt ſein Urtheil, und hoͤrt ruhig ein entgegengeſetztes an. Es iſt moͤglich daß du recht haſt, ſagt der eine, mir ſcheint es jedoch ſo, aber ich kann irren; der andre aͤußert ſich eben ſo, und kein Tropfen Wermuth faͤllt in den Becher der Freundſchaft. Dieſe Maͤßi- gung iſt um ſo bewundernswuͤrdiger im gegen- waͤrtigen Augenblick, wo der Krieg und die daraus entſprungenen Ungluͤcksfaͤlle, die Gemuͤther mehr als gewoͤhnlich ſpannen. Nur unter dieſem ru- higen Volke, konnte die Freiheit ihren Sitz auf- ſchlagen, ohne daß ihr Weg mit Blut bezeignet wurde. Mir iſt als ob ich hier ausruhte, von all dem Weh, welches mein armes Herz in den letzten Jahren unaufhoͤrlich beſtuͤrmt hat, als ob ich nach langer Pilgerſchaft, Quarantaine hielte. Dieſe iſt freilich nicht ſehr ergetzlich, aber ſie ſichert die Geſundheit, und deßhalb ſey ſie mei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0019"n="11"/>
immer auf Uebertreibungen faͤllt, er in ſeinem gei-<lb/>ſtigen Stolze nicht auf die Winke ſeiner Lehre-<lb/>
rinn, der Natur, achtet! Das hoͤchſte Gluͤck wel-<lb/>
ches ich hier finde, iſt die voͤllige Freiheit der<lb/>
Meinungen. Niemahls hoͤrt, man weder einen<lb/>
religioͤſen noch politiſchen Streit; ein jeder ſagt<lb/>
ohne Ruͤckhalt ſein Urtheil, und hoͤrt ruhig ein<lb/>
entgegengeſetztes an. Es iſt moͤglich daß du<lb/>
recht haſt, ſagt der eine, mir ſcheint es jedoch<lb/>ſo, aber ich kann irren; der andre aͤußert<lb/>ſich eben ſo, und kein Tropfen Wermuth faͤllt<lb/>
in den Becher der Freundſchaft. Dieſe Maͤßi-<lb/>
gung iſt um ſo bewundernswuͤrdiger im gegen-<lb/>
waͤrtigen Augenblick, wo der Krieg und die daraus<lb/>
entſprungenen Ungluͤcksfaͤlle, die Gemuͤther mehr<lb/>
als gewoͤhnlich ſpannen. Nur unter dieſem ru-<lb/>
higen Volke, konnte die Freiheit ihren Sitz auf-<lb/>ſchlagen, ohne daß ihr Weg mit Blut bezeignet<lb/>
wurde. Mir iſt als ob ich hier ausruhte, von<lb/>
all dem Weh, welches mein armes Herz in den<lb/>
letzten Jahren unaufhoͤrlich beſtuͤrmt hat, als ob<lb/>
ich nach langer Pilgerſchaft, Quarantaine hielte.<lb/>
Dieſe iſt freilich nicht ſehr ergetzlich, aber ſie<lb/>ſichert die Geſundheit, und deßhalb ſey ſie mei-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[11/0019]
immer auf Uebertreibungen faͤllt, er in ſeinem gei-
ſtigen Stolze nicht auf die Winke ſeiner Lehre-
rinn, der Natur, achtet! Das hoͤchſte Gluͤck wel-
ches ich hier finde, iſt die voͤllige Freiheit der
Meinungen. Niemahls hoͤrt, man weder einen
religioͤſen noch politiſchen Streit; ein jeder ſagt
ohne Ruͤckhalt ſein Urtheil, und hoͤrt ruhig ein
entgegengeſetztes an. Es iſt moͤglich daß du
recht haſt, ſagt der eine, mir ſcheint es jedoch
ſo, aber ich kann irren; der andre aͤußert
ſich eben ſo, und kein Tropfen Wermuth faͤllt
in den Becher der Freundſchaft. Dieſe Maͤßi-
gung iſt um ſo bewundernswuͤrdiger im gegen-
waͤrtigen Augenblick, wo der Krieg und die daraus
entſprungenen Ungluͤcksfaͤlle, die Gemuͤther mehr
als gewoͤhnlich ſpannen. Nur unter dieſem ru-
higen Volke, konnte die Freiheit ihren Sitz auf-
ſchlagen, ohne daß ihr Weg mit Blut bezeignet
wurde. Mir iſt als ob ich hier ausruhte, von
all dem Weh, welches mein armes Herz in den
letzten Jahren unaufhoͤrlich beſtuͤrmt hat, als ob
ich nach langer Pilgerſchaft, Quarantaine hielte.
Dieſe iſt freilich nicht ſehr ergetzlich, aber ſie
ſichert die Geſundheit, und deßhalb ſey ſie mei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/19>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.