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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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gedehnt werden möge, weil sie noch wünsche,
im gelobten Lande um den Bundesaltar zu tan-
zen, ehe sie Runzeln habe, und der Krücke be-
dürfe.

Endlich fuhren wir durch den Fluß und,
nach einer Tagereise, über eine Hügelkette von
ziemlicher Höhe. Auf der Spitze des letzten
Berges, rief Walter: wir sind am Ziel! Und
zu unsern Füßen lagen weit hin die grünen be-
blümten Savannen, wie ein gestickter Teppich,
welchen links ein dunkler Urwald, rechts der
blaue Kentucky mit seinen Silberpappeln und
babilonischen Weiden besäumt. Ein allgemei-
ner Freudenruf, tönte durch die Lüfte; wir
sprangen alle zu gleicher Zeit auf, und liefen
mit ausgebreiteten Armen jauchzend den Berg
hinunter. Hier, auf der Gränze unsres Gebie-
tes, fielen wir alle, mit namenlosem Entzücken,
auf den heiligen Boden nieder, wie vom Sturm
verschlagene Seefahrer, am Ufer eines wirth-
baren Eilandes. Wir umarmten die Pflanzen,
umarmten einander, die Busen schlugen hoch
auf, und Thränen der süßesten Freude träufel-
ten auf die Blumen herab. Es dauerte lange

Zweiter Theil. [7]

gedehnt werden moͤge, weil ſie noch wuͤnſche,
im gelobten Lande um den Bundesaltar zu tan-
zen, ehe ſie Runzeln habe, und der Kruͤcke be-
duͤrfe.

Endlich fuhren wir durch den Fluß und,
nach einer Tagereiſe, uͤber eine Huͤgelkette von
ziemlicher Hoͤhe. Auf der Spitze des letzten
Berges, rief Walter: wir ſind am Ziel! Und
zu unſern Fuͤßen lagen weit hin die gruͤnen be-
bluͤmten Savannen, wie ein geſtickter Teppich,
welchen links ein dunkler Urwald, rechts der
blaue Kentucky mit ſeinen Silberpappeln und
babiloniſchen Weiden beſaͤumt. Ein allgemei-
ner Freudenruf, toͤnte durch die Luͤfte; wir
ſprangen alle zu gleicher Zeit auf, und liefen
mit ausgebreiteten Armen jauchzend den Berg
hinunter. Hier, auf der Graͤnze unſres Gebie-
tes, fielen wir alle, mit namenloſem Entzuͤcken,
auf den heiligen Boden nieder, wie vom Sturm
verſchlagene Seefahrer, am Ufer eines wirth-
baren Eilandes. Wir umarmten die Pflanzen,
umarmten einander, die Buſen ſchlugen hoch
auf, und Thraͤnen der ſuͤßeſten Freude traͤufel-
ten auf die Blumen herab. Es dauerte lange

Zweiter Theil. [7]
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[97/0107] gedehnt werden moͤge, weil ſie noch wuͤnſche, im gelobten Lande um den Bundesaltar zu tan- zen, ehe ſie Runzeln habe, und der Kruͤcke be- duͤrfe. Endlich fuhren wir durch den Fluß und, nach einer Tagereiſe, uͤber eine Huͤgelkette von ziemlicher Hoͤhe. Auf der Spitze des letzten Berges, rief Walter: wir ſind am Ziel! Und zu unſern Fuͤßen lagen weit hin die gruͤnen be- bluͤmten Savannen, wie ein geſtickter Teppich, welchen links ein dunkler Urwald, rechts der blaue Kentucky mit ſeinen Silberpappeln und babiloniſchen Weiden beſaͤumt. Ein allgemei- ner Freudenruf, toͤnte durch die Luͤfte; wir ſprangen alle zu gleicher Zeit auf, und liefen mit ausgebreiteten Armen jauchzend den Berg hinunter. Hier, auf der Graͤnze unſres Gebie- tes, fielen wir alle, mit namenloſem Entzuͤcken, auf den heiligen Boden nieder, wie vom Sturm verſchlagene Seefahrer, am Ufer eines wirth- baren Eilandes. Wir umarmten die Pflanzen, umarmten einander, die Buſen ſchlugen hoch auf, und Thraͤnen der ſuͤßeſten Freude traͤufel- ten auf die Blumen herab. Es dauerte lange Zweiter Theil. [7]

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/107>, abgerufen am 25.11.2024.