hohe Erbitterung der verbündeten Mächte, fast unvermeidlich herbei geführt worden. Die Jn- tegrität der jungen Republik schien fast nicht anders zu retten, als, wenn es seyn müßte, mit Aufopferung eines großen Theils, der ge- genwärtigen Generation. Die Umstände trafen schrecklich zusammen, und die Menschlichkeit mußte der Vaterlandsliebe weichen. Daneben kam so oft die Erhaltung der Einzelnen mit der Erhaltung der Nation in Streit, und die- ser wird fast niemahls ohne Blut geschlichtet.
Meines Vaters sanftes, menschliches Herz litt schmerzlich während dieser Zeit, und er dankte dem Himmel für den Entschluß, sich schon früh in die ländliche Stille geflüchtet zu haben; doch tadelte er auch die härteren Naturen nicht, welche es versuchten, das mast- und steuer- lose Schiff des Vaterlandes durch die schäu- mende Brandung zu führen. Er gedachte oft der beiden Brutus, von welchen der eine seine Söhne hinrichten ließ, weil sie einer Verbindung mit dem verbannten Tarquinius sich schuldig ge- macht, der andre den Dolch in den Busen seines
hohe Erbitterung der verbuͤndeten Maͤchte, faſt unvermeidlich herbei gefuͤhrt worden. Die Jn- tegritaͤt der jungen Republik ſchien faſt nicht anders zu retten, als, wenn es ſeyn muͤßte, mit Aufopferung eines großen Theils, der ge- genwaͤrtigen Generation. Die Umſtaͤnde trafen ſchrecklich zuſammen, und die Menſchlichkeit mußte der Vaterlandsliebe weichen. Daneben kam ſo oft die Erhaltung der Einzelnen mit der Erhaltung der Nation in Streit, und die- ſer wird faſt niemahls ohne Blut geſchlichtet.
Meines Vaters ſanftes, menſchliches Herz litt ſchmerzlich waͤhrend dieſer Zeit, und er dankte dem Himmel fuͤr den Entſchluß, ſich ſchon fruͤh in die laͤndliche Stille gefluͤchtet zu haben; doch tadelte er auch die haͤrteren Naturen nicht, welche es verſuchten, das maſt- und ſteuer- loſe Schiff des Vaterlandes durch die ſchaͤu- mende Brandung zu fuͤhren. Er gedachte oft der beiden Brutus, von welchen der eine ſeine Soͤhne hinrichten ließ, weil ſie einer Verbindung mit dem verbannten Tarquinius ſich ſchuldig ge- macht, der andre den Dolch in den Buſen ſeines
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0080"n="70"/>
hohe Erbitterung der verbuͤndeten Maͤchte, faſt<lb/>
unvermeidlich herbei gefuͤhrt worden. Die Jn-<lb/>
tegritaͤt der jungen Republik ſchien faſt nicht<lb/>
anders zu retten, als, wenn es ſeyn muͤßte,<lb/>
mit Aufopferung eines großen Theils, der ge-<lb/>
genwaͤrtigen Generation. Die Umſtaͤnde trafen<lb/>ſchrecklich zuſammen, und die Menſchlichkeit<lb/>
mußte der Vaterlandsliebe weichen. Daneben<lb/>
kam ſo oft die Erhaltung der Einzelnen mit<lb/>
der Erhaltung der Nation in Streit, und die-<lb/>ſer wird faſt niemahls ohne Blut geſchlichtet.</p><lb/><p>Meines Vaters ſanftes, menſchliches Herz<lb/>
litt ſchmerzlich waͤhrend dieſer Zeit, und er<lb/>
dankte dem Himmel fuͤr den Entſchluß, ſich<lb/>ſchon fruͤh in die laͤndliche Stille gefluͤchtet zu<lb/>
haben; doch tadelte er auch die haͤrteren Naturen<lb/>
nicht, welche es verſuchten, das maſt- und ſteuer-<lb/>
loſe Schiff des Vaterlandes durch die ſchaͤu-<lb/>
mende Brandung zu fuͤhren. Er gedachte oft<lb/>
der beiden Brutus, von welchen der eine ſeine<lb/>
Soͤhne hinrichten ließ, weil ſie einer Verbindung<lb/>
mit dem verbannten Tarquinius ſich ſchuldig ge-<lb/>
macht, der andre den Dolch in den Buſen ſeines<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[70/0080]
hohe Erbitterung der verbuͤndeten Maͤchte, faſt
unvermeidlich herbei gefuͤhrt worden. Die Jn-
tegritaͤt der jungen Republik ſchien faſt nicht
anders zu retten, als, wenn es ſeyn muͤßte,
mit Aufopferung eines großen Theils, der ge-
genwaͤrtigen Generation. Die Umſtaͤnde trafen
ſchrecklich zuſammen, und die Menſchlichkeit
mußte der Vaterlandsliebe weichen. Daneben
kam ſo oft die Erhaltung der Einzelnen mit
der Erhaltung der Nation in Streit, und die-
ſer wird faſt niemahls ohne Blut geſchlichtet.
Meines Vaters ſanftes, menſchliches Herz
litt ſchmerzlich waͤhrend dieſer Zeit, und er
dankte dem Himmel fuͤr den Entſchluß, ſich
ſchon fruͤh in die laͤndliche Stille gefluͤchtet zu
haben; doch tadelte er auch die haͤrteren Naturen
nicht, welche es verſuchten, das maſt- und ſteuer-
loſe Schiff des Vaterlandes durch die ſchaͤu-
mende Brandung zu fuͤhren. Er gedachte oft
der beiden Brutus, von welchen der eine ſeine
Soͤhne hinrichten ließ, weil ſie einer Verbindung
mit dem verbannten Tarquinius ſich ſchuldig ge-
macht, der andre den Dolch in den Buſen ſeines
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/80>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.