die fertigste und sorgsamste Arbeiterinn. Mit gleichem Erfolge stellte er mich bei der Wein- lese an, wo ich dafür sorgte, daß die Beeren, behutsam und eigen, von der Traube gekämmt wurden, welches unserem Wein, einen großen Vorzug, vor allen Weinen der Provinz gab. Bei allen solchen Geschäften, welche nur Tage- oder Wochenlang dauerten, und in großer Ge- meinschaft betrieben wurden, war ich uner- müdet thätig, und in hohem Grade ver- gnügt und fröhlich. Wir sangen Romanzen und Rundgesänge, erzählten Märchen und No- vellen, immer brachte ich neue mit, und Jung und Alt liebte mich herzlich. Aber wenn ich wieder zurück trat, in den alltäglichen Gang des häuslichen Lebens, da fühlte ich meine Thätig- keit plötzlich gelähmt. Die kleinen, immer wie- derkommenden Sorgen des Haushalts vermochten nicht, meine Seele zu füllen, und mein Geist kehrte heißhungrig in die Jdeenwelt zurück.
Nicht die Geschichte der vergangenen Zeiten allein war es jetzt, was mich beschäftigte, ich nahm an den Begebenheiten unserer Tage den lebhaftesten Antheil. Von meiner frühesten
die fertigſte und ſorgſamſte Arbeiterinn. Mit gleichem Erfolge ſtellte er mich bei der Wein- leſe an, wo ich dafuͤr ſorgte, daß die Beeren, behutſam und eigen, von der Traube gekaͤmmt wurden, welches unſerem Wein, einen großen Vorzug, vor allen Weinen der Provinz gab. Bei allen ſolchen Geſchaͤften, welche nur Tage- oder Wochenlang dauerten, und in großer Ge- meinſchaft betrieben wurden, war ich uner- muͤdet thaͤtig, und in hohem Grade ver- gnuͤgt und froͤhlich. Wir ſangen Romanzen und Rundgeſaͤnge, erzaͤhlten Maͤrchen und No- vellen, immer brachte ich neue mit, und Jung und Alt liebte mich herzlich. Aber wenn ich wieder zuruͤck trat, in den alltaͤglichen Gang des haͤuslichen Lebens, da fuͤhlte ich meine Thaͤtig- keit ploͤtzlich gelaͤhmt. Die kleinen, immer wie- derkommenden Sorgen des Haushalts vermochten nicht, meine Seele zu fuͤllen, und mein Geiſt kehrte heißhungrig in die Jdeenwelt zuruͤck.
Nicht die Geſchichte der vergangenen Zeiten allein war es jetzt, was mich beſchaͤftigte, ich nahm an den Begebenheiten unſerer Tage den lebhafteſten Antheil. Von meiner fruͤheſten
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die fertigſte und ſorgſamſte Arbeiterinn. Mit
gleichem Erfolge ſtellte er mich bei der Wein-
leſe an, wo ich dafuͤr ſorgte, daß die Beeren,
behutſam und eigen, von der Traube gekaͤmmt
wurden, welches unſerem Wein, einen großen
Vorzug, vor allen Weinen der Provinz gab.
Bei allen ſolchen Geſchaͤften, welche nur Tage-
oder Wochenlang dauerten, und in großer Ge-
meinſchaft betrieben wurden, war ich uner-
muͤdet thaͤtig, und in hohem Grade ver-
gnuͤgt und froͤhlich. Wir ſangen Romanzen
und Rundgeſaͤnge, erzaͤhlten Maͤrchen und No-
vellen, immer brachte ich neue mit, und Jung
und Alt liebte mich herzlich. Aber wenn ich
wieder zuruͤck trat, in den alltaͤglichen Gang des
haͤuslichen Lebens, da fuͤhlte ich meine Thaͤtig-
keit ploͤtzlich gelaͤhmt. Die kleinen, immer wie-
derkommenden Sorgen des Haushalts vermochten
nicht, meine Seele zu fuͤllen, und mein Geiſt
kehrte heißhungrig in die Jdeenwelt zuruͤck.
Nicht die Geſchichte der vergangenen Zeiten
allein war es jetzt, was mich beſchaͤftigte, ich
nahm an den Begebenheiten unſerer Tage den
lebhafteſten Antheil. Von meiner fruͤheſten
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/78>, abgerufen am 16.02.2025.
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