Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.Blumen mit ihnen zu pflücken und Kränze zu Jhre Kindheit hatte sie, nach der Sitte der Blumen mit ihnen zu pfluͤcken und Kraͤnze zu Jhre Kindheit hatte ſie, nach der Sitte der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0071" n="61"/> Blumen mit ihnen zu pfluͤcken und Kraͤnze zu<lb/> winden, lieber aber ſaß ich doch mit meinem<lb/> Vater Abends unter unſern Kaſtanienbaͤumen,<lb/> und blickte nach dem zahlloſen Sternenheere des<lb/> dunkelblauen Himmels auf. Da war ich uner-<lb/> ſchoͤpflich an Fragen, und mein guter Vater<lb/> antwortete ſo gern. Er nannte mir die Stern-<lb/> bilder, machte mich aufmerkſam auf die Unzaͤhl-<lb/> barkeit der Sonnenſyſteme, auf die Unendlichkeit<lb/> des Raumes und der Zeit, und knuͤpfte daran<lb/> den Begriff von der uͤberſchwaͤnglichen Groͤße und<lb/> Erhabenheit des Schoͤpfers. Oft uͤberraſchte uns<lb/> noch die Mitternacht bei dieſen Geſpraͤchen, uͤber<lb/> welche meine Mutter laͤngſt eingeſchlafen war.<lb/> Sie liebte dieſe Unterhaltungen nicht ſehr, ſahe auch<lb/> meine fortſchreitende Ausbildung nicht allzugern.</p><lb/> <p>Jhre Kindheit hatte ſie, nach der Sitte der<lb/> Zeit, in einem Kloſter verlebt. Weibliche Ar-<lb/> beiten, etwas leſen und ſchreiben, und haͤufige<lb/> Religionsuͤbungen waren dort alle zu erlangen-<lb/> den Kenntniſſe geweſen. Mit dieſen hatte ſie<lb/> ausgereicht, und nun in meinem Vater das<lb/> Gluͤck ihres Lebens gefunden; daher bildete ſie<lb/> ſich ein, alles, was daruͤber, ſey uͤberfluͤſſig, wo<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0071]
Blumen mit ihnen zu pfluͤcken und Kraͤnze zu
winden, lieber aber ſaß ich doch mit meinem
Vater Abends unter unſern Kaſtanienbaͤumen,
und blickte nach dem zahlloſen Sternenheere des
dunkelblauen Himmels auf. Da war ich uner-
ſchoͤpflich an Fragen, und mein guter Vater
antwortete ſo gern. Er nannte mir die Stern-
bilder, machte mich aufmerkſam auf die Unzaͤhl-
barkeit der Sonnenſyſteme, auf die Unendlichkeit
des Raumes und der Zeit, und knuͤpfte daran
den Begriff von der uͤberſchwaͤnglichen Groͤße und
Erhabenheit des Schoͤpfers. Oft uͤberraſchte uns
noch die Mitternacht bei dieſen Geſpraͤchen, uͤber
welche meine Mutter laͤngſt eingeſchlafen war.
Sie liebte dieſe Unterhaltungen nicht ſehr, ſahe auch
meine fortſchreitende Ausbildung nicht allzugern.
Jhre Kindheit hatte ſie, nach der Sitte der
Zeit, in einem Kloſter verlebt. Weibliche Ar-
beiten, etwas leſen und ſchreiben, und haͤufige
Religionsuͤbungen waren dort alle zu erlangen-
den Kenntniſſe geweſen. Mit dieſen hatte ſie
ausgereicht, und nun in meinem Vater das
Gluͤck ihres Lebens gefunden; daher bildete ſie
ſich ein, alles, was daruͤber, ſey uͤberfluͤſſig, wo
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