Für den Augenblick gab ich der Nothwen- digkeit nach, und ließ mich einführen in diese fremde Welt. Jhr alle waret nun voll Besorg- niß für mein erstes Auftreten, und eifrig be- müht, mir Muth ein zu sprechen. Jch mußte in- nerlich lächeln, denn er fehlte mir nicht. Wohl fühlte ich Widerstreben, aber keine Aengstlich- keit. Was euch imponirte ließ mich im Gleich- gewicht. Auch schien man allgemein überrascht von meiner ruhigen Besonnenheit. Jch war in den spiegelglatten Sälen des Hofes, unter hoffähige Leute, mit meinem sicheren Gange, eine fremde Erscheinung. Aber wie fast immer das Fremde Glück macht, so wurde auch ich nicht ungünstig aufgenommen, ja es hätte vielleicht nur bei mir gestanden, zu einer gewissen Be- rühmtheit zu gelangen, wenigstens unterhielt mich Dein Bruder unaufhörlich von dem glän- zenden Eindruck, welchen ich gemacht; mir wurde aber mein Glück mit jedem Tage unerträglicher. Es war mir gleich unmöglich die Maske der Un- terwürfigkeit vor zu nehmen, oder in Schmähungen gegen die verflossenen Zeiten einzustimmen. Die ewig witzelnde, schaale Unterhaltung, welche, in
Fuͤr den Augenblick gab ich der Nothwen- digkeit nach, und ließ mich einfuͤhren in dieſe fremde Welt. Jhr alle waret nun voll Beſorg- niß fuͤr mein erſtes Auftreten, und eifrig be- muͤht, mir Muth ein zu ſprechen. Jch mußte in- nerlich laͤcheln, denn er fehlte mir nicht. Wohl fuͤhlte ich Widerſtreben, aber keine Aengſtlich- keit. Was euch imponirte ließ mich im Gleich- gewicht. Auch ſchien man allgemein uͤberraſcht von meiner ruhigen Beſonnenheit. Jch war in den ſpiegelglatten Saͤlen des Hofes, unter hoffaͤhige Leute, mit meinem ſicheren Gange, eine fremde Erſcheinung. Aber wie faſt immer das Fremde Gluͤck macht, ſo wurde auch ich nicht unguͤnſtig aufgenommen, ja es haͤtte vielleicht nur bei mir geſtanden, zu einer gewiſſen Be- ruͤhmtheit zu gelangen, wenigſtens unterhielt mich Dein Bruder unaufhoͤrlich von dem glaͤn- zenden Eindruck, welchen ich gemacht; mir wurde aber mein Gluͤck mit jedem Tage unertraͤglicher. Es war mir gleich unmoͤglich die Maske der Un- terwuͤrfigkeit vor zu nehmen, oder in Schmaͤhungen gegen die verfloſſenen Zeiten einzuſtimmen. Die ewig witzelnde, ſchaale Unterhaltung, welche, in
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Fuͤr den Augenblick gab ich der Nothwen-
digkeit nach, und ließ mich einfuͤhren in dieſe
fremde Welt. Jhr alle waret nun voll Beſorg-
niß fuͤr mein erſtes Auftreten, und eifrig be-
muͤht, mir Muth ein zu ſprechen. Jch mußte in-
nerlich laͤcheln, denn er fehlte mir nicht. Wohl
fuͤhlte ich Widerſtreben, aber keine Aengſtlich-
keit. Was euch imponirte ließ mich im Gleich-
gewicht. Auch ſchien man allgemein uͤberraſcht
von meiner ruhigen Beſonnenheit. Jch war
in den ſpiegelglatten Saͤlen des Hofes, unter
hoffaͤhige Leute, mit meinem ſicheren Gange,
eine fremde Erſcheinung. Aber wie faſt immer
das Fremde Gluͤck macht, ſo wurde auch ich nicht
unguͤnſtig aufgenommen, ja es haͤtte vielleicht
nur bei mir geſtanden, zu einer gewiſſen Be-
ruͤhmtheit zu gelangen, wenigſtens unterhielt
mich Dein Bruder unaufhoͤrlich von dem glaͤn-
zenden Eindruck, welchen ich gemacht; mir wurde
aber mein Gluͤck mit jedem Tage unertraͤglicher.
Es war mir gleich unmoͤglich die Maske der Un-
terwuͤrfigkeit vor zu nehmen, oder in Schmaͤhungen
gegen die verfloſſenen Zeiten einzuſtimmen. Die
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/201>, abgerufen am 27.07.2024.
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