solcher an, und wurde in eurer Familie selbst, fast nicht anders genannt; der Herzog welcher meh- rere Tage auswärts gespeist hatte, erschien näm- lich bei der Mittagstafel. Bald bemerkte ich, daß er öfters finstere mißfällige Blicke auf mich warf. Nach aufgehobener Tafel näherte er sich mir, und nöthigte mich in ein Fenster zu treten. Warum noch immer in dieser Farbe, gegen welche ich mich schon anfangs mißbilligend erklärt habe? fragte er, mit gebietender Stimme. Die Zeit der Trauer ist noch nicht vorüber, stotterte ich. Trauer paßt nicht für diese Zeit! sagte er herrisch, wäre auch der Todte erst gestern begraben; Trauer- zeichen sind zweideutig, und sie sollen, wenigstens in meinem Hause, nicht gesehen werden. Zudem sollen sie am Montage der Prinzessinn -- vorge- stellt werden, bereiten sie sich gehörig dazu vor. Jch wollte etwas erwiedern, er ließ mich aber nicht zu Worte kommen. Jch meine es gut mit ihnen, Gräsinn Nichte, fuhr er etwas mil- der fort, aber sie müssen sich zu fügen wissen. Er entfernte sich aus dem Zimmer. Jch wankte nach dem meinigen; Deine Mutter folgte mir, und umarmte mich, mit einiger Rührung. Jch
ſolcher an, und wurde in eurer Familie ſelbſt, faſt nicht anders genannt; der Herzog welcher meh- rere Tage auswaͤrts geſpeiſt hatte, erſchien naͤm- lich bei der Mittagstafel. Bald bemerkte ich, daß er oͤfters finſtere mißfaͤllige Blicke auf mich warf. Nach aufgehobener Tafel naͤherte er ſich mir, und noͤthigte mich in ein Fenſter zu treten. Warum noch immer in dieſer Farbe, gegen welche ich mich ſchon anfangs mißbilligend erklaͤrt habe? fragte er, mit gebietender Stimme. Die Zeit der Trauer iſt noch nicht voruͤber, ſtotterte ich. Trauer paßt nicht fuͤr dieſe Zeit! ſagte er herriſch, waͤre auch der Todte erſt geſtern begraben; Trauer- zeichen ſind zweideutig, und ſie ſollen, wenigſtens in meinem Hauſe, nicht geſehen werden. Zudem ſollen ſie am Montage der Prinzeſſinn — vorge- ſtellt werden, bereiten ſie ſich gehoͤrig dazu vor. Jch wollte etwas erwiedern, er ließ mich aber nicht zu Worte kommen. Jch meine es gut mit ihnen, Graͤſinn Nichte, fuhr er etwas mil- der fort, aber ſie muͤſſen ſich zu fuͤgen wiſſen. Er entfernte ſich aus dem Zimmer. Jch wankte nach dem meinigen; Deine Mutter folgte mir, und umarmte mich, mit einiger Ruͤhrung. Jch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0199"n="189"/>ſolcher an, und wurde in eurer Familie ſelbſt, faſt<lb/>
nicht anders genannt; der Herzog welcher meh-<lb/>
rere Tage auswaͤrts geſpeiſt hatte, erſchien naͤm-<lb/>
lich bei der Mittagstafel. Bald bemerkte ich, daß<lb/>
er oͤfters finſtere mißfaͤllige Blicke auf mich warf.<lb/>
Nach aufgehobener Tafel naͤherte er ſich mir, und<lb/>
noͤthigte mich in ein Fenſter zu treten. Warum<lb/>
noch immer in dieſer Farbe, gegen welche ich<lb/>
mich ſchon anfangs mißbilligend erklaͤrt habe?<lb/>
fragte er, mit gebietender Stimme. Die Zeit der<lb/>
Trauer iſt noch nicht voruͤber, ſtotterte ich. Trauer<lb/>
paßt nicht fuͤr dieſe Zeit! ſagte er herriſch, waͤre<lb/>
auch der Todte erſt geſtern begraben; Trauer-<lb/>
zeichen ſind zweideutig, und ſie ſollen, wenigſtens<lb/>
in meinem Hauſe, nicht geſehen werden. Zudem<lb/>ſollen ſie am Montage der Prinzeſſinn — vorge-<lb/>ſtellt werden, bereiten ſie ſich gehoͤrig dazu vor.<lb/>
Jch wollte etwas erwiedern, er ließ mich aber<lb/>
nicht zu Worte kommen. Jch meine es gut<lb/>
mit ihnen, Graͤſinn Nichte, fuhr er etwas mil-<lb/>
der fort, aber ſie muͤſſen ſich zu fuͤgen wiſſen.<lb/>
Er entfernte ſich aus dem Zimmer. Jch wankte<lb/>
nach dem meinigen; Deine Mutter folgte mir,<lb/>
und umarmte mich, mit einiger Ruͤhrung. Jch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[189/0199]
ſolcher an, und wurde in eurer Familie ſelbſt, faſt
nicht anders genannt; der Herzog welcher meh-
rere Tage auswaͤrts geſpeiſt hatte, erſchien naͤm-
lich bei der Mittagstafel. Bald bemerkte ich, daß
er oͤfters finſtere mißfaͤllige Blicke auf mich warf.
Nach aufgehobener Tafel naͤherte er ſich mir, und
noͤthigte mich in ein Fenſter zu treten. Warum
noch immer in dieſer Farbe, gegen welche ich
mich ſchon anfangs mißbilligend erklaͤrt habe?
fragte er, mit gebietender Stimme. Die Zeit der
Trauer iſt noch nicht voruͤber, ſtotterte ich. Trauer
paßt nicht fuͤr dieſe Zeit! ſagte er herriſch, waͤre
auch der Todte erſt geſtern begraben; Trauer-
zeichen ſind zweideutig, und ſie ſollen, wenigſtens
in meinem Hauſe, nicht geſehen werden. Zudem
ſollen ſie am Montage der Prinzeſſinn — vorge-
ſtellt werden, bereiten ſie ſich gehoͤrig dazu vor.
Jch wollte etwas erwiedern, er ließ mich aber
nicht zu Worte kommen. Jch meine es gut
mit ihnen, Graͤſinn Nichte, fuhr er etwas mil-
der fort, aber ſie muͤſſen ſich zu fuͤgen wiſſen.
Er entfernte ſich aus dem Zimmer. Jch wankte
nach dem meinigen; Deine Mutter folgte mir,
und umarmte mich, mit einiger Ruͤhrung. Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/199>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.