Kraft verweisen würde! Die feste Gesundheit, und die noch jugendliche Kraft meines Vaters ga- ben mir kindliche Sicherheit, und Ruhe, Zufrie- denheit und Wohlseyn herrschten in dem ganzen mir bekannten Lebenskreise. Hätte ich es den- ken können, daß dieß mein letzter froher Früh- ling, wenigstens der letzte, auf meines Frank- reichs lieben Fluren, in den blühenden Thälern mei- ner schönen Provence seyn würde? denken konnte ich es nicht, aber meine Seele schien ein dunkles Vorgefühl zu hegen. Denn liebender, als je, hing ich mich an jeden mir irgend werthen Gegen- stand, als könnte er mir über Nacht entrissen werden. Mit durstigen Zügen trank' ich jede Naturschönheit, jede Frühlingslust, wie der hei- tere Sterbende noch begierig den Duft der Blü- then und die Strahlen des Lichts empfängt. Selbst da blieb ich noch lebensfroh, als schon mein Vater bisweilen besorgt den Kopf schüt- telte. Jch hörte wohl von einem neuen Krie- geszuge gegen Norden, aber ich hatte ja dabei nichts zu verlieren. Jch war unter Kriegern aufgewachsen, wie Frankreichs ganze Jugend; uns konnte das Wort Krieg nicht in dem Grade erschrek-
Kraft verweiſen wuͤrde! Die feſte Geſundheit, und die noch jugendliche Kraft meines Vaters ga- ben mir kindliche Sicherheit, und Ruhe, Zufrie- denheit und Wohlſeyn herrſchten in dem ganzen mir bekannten Lebenskreiſe. Haͤtte ich es den- ken koͤnnen, daß dieß mein letzter froher Fruͤh- ling, wenigſtens der letzte, auf meines Frank- reichs lieben Fluren, in den bluͤhenden Thaͤlern mei- ner ſchoͤnen Provence ſeyn wuͤrde? denken konnte ich es nicht, aber meine Seele ſchien ein dunkles Vorgefuͤhl zu hegen. Denn liebender, als je, hing ich mich an jeden mir irgend werthen Gegen- ſtand, als koͤnnte er mir uͤber Nacht entriſſen werden. Mit durſtigen Zuͤgen trank’ ich jede Naturſchoͤnheit, jede Fruͤhlingsluſt, wie der hei- tere Sterbende noch begierig den Duft der Bluͤ- then und die Strahlen des Lichts empfaͤngt. Selbſt da blieb ich noch lebensfroh, als ſchon mein Vater bisweilen beſorgt den Kopf ſchuͤt- telte. Jch hoͤrte wohl von einem neuen Krie- geszuge gegen Norden, aber ich hatte ja dabei nichts zu verlieren. Jch war unter Kriegern aufgewachſen, wie Frankreichs ganze Jugend; uns konnte das Wort Krieg nicht in dem Grade erſchrek-
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Kraft verweiſen wuͤrde! Die feſte Geſundheit,
und die noch jugendliche Kraft meines Vaters ga-
ben mir kindliche Sicherheit, und Ruhe, Zufrie-
denheit und Wohlſeyn herrſchten in dem ganzen
mir bekannten Lebenskreiſe. Haͤtte ich es den-
ken koͤnnen, daß dieß mein letzter froher Fruͤh-
ling, wenigſtens der letzte, auf meines Frank-
reichs lieben Fluren, in den bluͤhenden Thaͤlern mei-
ner ſchoͤnen Provence ſeyn wuͤrde? denken konnte
ich es nicht, aber meine Seele ſchien ein dunkles
Vorgefuͤhl zu hegen. Denn liebender, als je, hing
ich mich an jeden mir irgend werthen Gegen-
ſtand, als koͤnnte er mir uͤber Nacht entriſſen
werden. Mit durſtigen Zuͤgen trank’ ich jede
Naturſchoͤnheit, jede Fruͤhlingsluſt, wie der hei-
tere Sterbende noch begierig den Duft der Bluͤ-
then und die Strahlen des Lichts empfaͤngt.
Selbſt da blieb ich noch lebensfroh, als ſchon
mein Vater bisweilen beſorgt den Kopf ſchuͤt-
telte. Jch hoͤrte wohl von einem neuen Krie-
geszuge gegen Norden, aber ich hatte ja dabei
nichts zu verlieren. Jch war unter Kriegern
aufgewachſen, wie Frankreichs ganze Jugend; uns
konnte das Wort Krieg nicht in dem Grade erſchrek-
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/159>, abgerufen am 16.02.2025.
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