nen. Diese einfachen Worte von dem verehrten Munde, erhoben meine sinkende Kraft, ich ver- schloß meinen Gram tief im Busen, und ver- mochte es, mich hülfreich und theilnehmend mit meiner unglücklichen Umgebung zu beschäftigen. Viel lernt der Mensch im Leiden, es ist das ei- gentliche Seelenbad. Groß ist die Kraft des Menschen, wenn er nur den Willen hat sie auf zu rufen. Nicht den Schlägen des Schicksals erliegt der Muth, er wird nur von der eignen Schwäche gelähmt. Unsre Rückreise war jam- mervoll, so viel Beruhigung uns auch die wei- nende Familie des guten Försters nachgewünscht. Noch trostloser war unsre Ankunft in Chaume- rive, in den herzlichen Thränen jedes Einwoh- ners spiegelte sich aufs neue, unser unersetzlicher Verlust. Meine Mutter kleidete das ganze Haus in Trauer, und ließ jeden Morgen eine Seelen- messe für den theuren Todten lesen. Ach, die Ruhe ihrer eignen Seele stellte keine Messe her! Mein Vater ließ sie gewähren, so wie er die ihr anerzogenen Begriffe nie bestritt. Er hatte den Grundsatz, übersinnliche Dinge müsse Jeder nach seiner Einsicht abmachen. Seine eigne Ueber-
nen. Dieſe einfachen Worte von dem verehrten Munde, erhoben meine ſinkende Kraft, ich ver- ſchloß meinen Gram tief im Buſen, und ver- mochte es, mich huͤlfreich und theilnehmend mit meiner ungluͤcklichen Umgebung zu beſchaͤftigen. Viel lernt der Menſch im Leiden, es iſt das ei- gentliche Seelenbad. Groß iſt die Kraft des Menſchen, wenn er nur den Willen hat ſie auf zu rufen. Nicht den Schlaͤgen des Schickſals erliegt der Muth, er wird nur von der eignen Schwaͤche gelaͤhmt. Unſre Ruͤckreiſe war jam- mervoll, ſo viel Beruhigung uns auch die wei- nende Familie des guten Foͤrſters nachgewuͤnſcht. Noch troſtloſer war unſre Ankunft in Chaume- rive, in den herzlichen Thraͤnen jedes Einwoh- ners ſpiegelte ſich aufs neue, unſer unerſetzlicher Verluſt. Meine Mutter kleidete das ganze Haus in Trauer, und ließ jeden Morgen eine Seelen- meſſe fuͤr den theuren Todten leſen. Ach, die Ruhe ihrer eignen Seele ſtellte keine Meſſe her! Mein Vater ließ ſie gewaͤhren, ſo wie er die ihr anerzogenen Begriffe nie beſtritt. Er hatte den Grundſatz, uͤberſinnliche Dinge muͤſſe Jeder nach ſeiner Einſicht abmachen. Seine eigne Ueber-
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nen. Dieſe einfachen Worte von dem verehrten
Munde, erhoben meine ſinkende Kraft, ich ver-
ſchloß meinen Gram tief im Buſen, und ver-
mochte es, mich huͤlfreich und theilnehmend mit
meiner ungluͤcklichen Umgebung zu beſchaͤftigen.
Viel lernt der Menſch im Leiden, es iſt das ei-
gentliche Seelenbad. Groß iſt die Kraft des
Menſchen, wenn er nur den Willen hat ſie auf
zu rufen. Nicht den Schlaͤgen des Schickſals
erliegt der Muth, er wird nur von der eignen
Schwaͤche gelaͤhmt. Unſre Ruͤckreiſe war jam-
mervoll, ſo viel Beruhigung uns auch die wei-
nende Familie des guten Foͤrſters nachgewuͤnſcht.
Noch troſtloſer war unſre Ankunft in Chaume-
rive, in den herzlichen Thraͤnen jedes Einwoh-
ners ſpiegelte ſich aufs neue, unſer unerſetzlicher
Verluſt. Meine Mutter kleidete das ganze Haus
in Trauer, und ließ jeden Morgen eine Seelen-
meſſe fuͤr den theuren Todten leſen. Ach, die
Ruhe ihrer eignen Seele ſtellte keine Meſſe her!
Mein Vater ließ ſie gewaͤhren, ſo wie er die ihr
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/151>, abgerufen am 16.02.2025.
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