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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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Blüthe zerschmettert die Hoffnung deines Al-
ters! Die Natur hatte sich mitleidig meiner er-
barmt, und durch einen todtenähnlichen Schlum-
mer, meinem Leiden auf einige Minuten Still-
stand geboten. Die einzige Ohnmacht meines
Lebens. Sie mochte lange gedauert haben, denn
es fing schon an zu dämmern, als ich in den Ar-
men meines Vaters erwachte. Er war sehr
blaß, doch mit Besonnenheit um mich beschäf-
tigt. Emil! rief ich, als das Bewußtseyn mir
klar zurückkehrte, Emil! mein Emil! und ein
Strom von Thränen stürzte aus meinen starren
Augen. Mein Vater verbarg sein Angesicht, doch
fühlte ich an dem Zittern seines Armes, wie be-
wegt er innerlich seyn mußte. Aber nur einige Mi-
nuten lang, dann sahe er wieder mit Fassung auf
mich nieder. Virginia, sagte er mit liebkosen-
der Stimme, Virginia, mein starkes Mädchen,
erhole dich. Thränen gebühren dem lieben,
dem edlen Sohn und Bruder, aber wir haben
noch lange Zeit ihn zu beweinen, jetzt rufen
nahe Sorgen unsre ganze Thatkraft auf. O,
meine Mutter! rief ich schmerzlich. Für sie

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Bluͤthe zerſchmettert die Hoffnung deines Al-
ters! Die Natur hatte ſich mitleidig meiner er-
barmt, und durch einen todtenaͤhnlichen Schlum-
mer, meinem Leiden auf einige Minuten Still-
ſtand geboten. Die einzige Ohnmacht meines
Lebens. Sie mochte lange gedauert haben, denn
es fing ſchon an zu daͤmmern, als ich in den Ar-
men meines Vaters erwachte. Er war ſehr
blaß, doch mit Beſonnenheit um mich beſchaͤf-
tigt. Emil! rief ich, als das Bewußtſeyn mir
klar zuruͤckkehrte, Emil! mein Emil! und ein
Strom von Thraͤnen ſtuͤrzte aus meinen ſtarren
Augen. Mein Vater verbarg ſein Angeſicht, doch
fuͤhlte ich an dem Zittern ſeines Armes, wie be-
wegt er innerlich ſeyn mußte. Aber nur einige Mi-
nuten lang, dann ſahe er wieder mit Faſſung auf
mich nieder. Virginia, ſagte er mit liebkoſen-
der Stimme, Virginia, mein ſtarkes Maͤdchen,
erhole dich. Thraͤnen gebuͤhren dem lieben,
dem edlen Sohn und Bruder, aber wir haben
noch lange Zeit ihn zu beweinen, jetzt rufen
nahe Sorgen unſre ganze Thatkraft auf. O,
meine Mutter! rief ich ſchmerzlich. Fuͤr ſie

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[131/0141] Bluͤthe zerſchmettert die Hoffnung deines Al- ters! Die Natur hatte ſich mitleidig meiner er- barmt, und durch einen todtenaͤhnlichen Schlum- mer, meinem Leiden auf einige Minuten Still- ſtand geboten. Die einzige Ohnmacht meines Lebens. Sie mochte lange gedauert haben, denn es fing ſchon an zu daͤmmern, als ich in den Ar- men meines Vaters erwachte. Er war ſehr blaß, doch mit Beſonnenheit um mich beſchaͤf- tigt. Emil! rief ich, als das Bewußtſeyn mir klar zuruͤckkehrte, Emil! mein Emil! und ein Strom von Thraͤnen ſtuͤrzte aus meinen ſtarren Augen. Mein Vater verbarg ſein Angeſicht, doch fuͤhlte ich an dem Zittern ſeines Armes, wie be- wegt er innerlich ſeyn mußte. Aber nur einige Mi- nuten lang, dann ſahe er wieder mit Faſſung auf mich nieder. Virginia, ſagte er mit liebkoſen- der Stimme, Virginia, mein ſtarkes Maͤdchen, erhole dich. Thraͤnen gebuͤhren dem lieben, dem edlen Sohn und Bruder, aber wir haben noch lange Zeit ihn zu beweinen, jetzt rufen nahe Sorgen unſre ganze Thatkraft auf. O, meine Mutter! rief ich ſchmerzlich. Fuͤr ſie *

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/141>, abgerufen am 23.11.2024.