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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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lien, in Frankreich und England schrieben die ersten
Gelehrten und ihre Nachfolger allemal in der Landes-
sprache. Das Publikum nahm ihre Werke mit größ-
ter Begierde auf, und die Kenntnisse verbreiteten sich
durch die ganze Nation. Bey uns war es hierinn ganz
anders. Die Religionszänkereyen lieferten uns eini-
ge Streiter, welche ganz unverständliche Materien auf
eine sehr dunkle Art untersuchten; dieselben Sätze bald
behaupteten, bald bestritten; und die Sophismen nur
mit Schimpfworten vermengten. Unsere ersten Ge-
lehrten waren, wie sie es allenthalben gewesen, Män-
ner, die nur Begebenheiten in ihrem Gedächtniß an-
häuften; Pedanten ohne Beurtheilungskraft, wie die
Lipsius, die Freinshemius, die Gronovius, die Grä-
vius
, welche auf eine sehr schwerfällige Art einige dunk-
le Phrasen wieder herstellten, die sie in alten Manu-
scripten fanden. Dieses konnte bis auf einen gewissen
Grad ganz nützlich seyn; aber man mußte nicht allen
seinen Fleiß und Aufmerksamkeit auf dergleichen un-
wichtige Kleinigkeiten wenden. Und doch machte
die pedantische Eitelkeit dieser Herren auf den Beyfall
von ganz Europa Anspruch; theils um ihr schönes La-
tein zu zeigen, theils um auch von fremden Pedanten
bewundert zu werden, schrieben sie durchaus nicht an-
ders, als lateinisch. Ihre Werke waren daher für
das ganze übrige Deutschland ungeschrieben. Hier-
aus entstanden zwey Unbequemlichkeiten. Die deutsche

Sprache

lien, in Frankreich und England ſchrieben die erſten
Gelehrten und ihre Nachfolger allemal in der Landes-
ſprache. Das Publikum nahm ihre Werke mit groͤß-
ter Begierde auf, und die Kenntniſſe verbreiteten ſich
durch die ganze Nation. Bey uns war es hierinn ganz
anders. Die Religionszaͤnkereyen lieferten uns eini-
ge Streiter, welche ganz unverſtaͤndliche Materien auf
eine ſehr dunkle Art unterſuchten; dieſelben Saͤtze bald
behaupteten, bald beſtritten; und die Sophiſmen nur
mit Schimpfworten vermengten. Unſere erſten Ge-
lehrten waren, wie ſie es allenthalben geweſen, Maͤn-
ner, die nur Begebenheiten in ihrem Gedaͤchtniß an-
haͤuften; Pedanten ohne Beurtheilungskraft, wie die
Lipſius, die Freinshemius, die Gronovius, die Graͤ-
vius
, welche auf eine ſehr ſchwerfaͤllige Art einige dunk-
le Phraſen wieder herſtellten, die ſie in alten Manu-
ſcripten fanden. Dieſes konnte bis auf einen gewiſſen
Grad ganz nuͤtzlich ſeyn; aber man mußte nicht allen
ſeinen Fleiß und Aufmerkſamkeit auf dergleichen un-
wichtige Kleinigkeiten wenden. Und doch machte
die pedantiſche Eitelkeit dieſer Herren auf den Beyfall
von ganz Europa Anſpruch; theils um ihr ſchoͤnes La-
tein zu zeigen, theils um auch von fremden Pedanten
bewundert zu werden, ſchrieben ſie durchaus nicht an-
ders, als lateiniſch. Ihre Werke waren daher fuͤr
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[58/0064] lien, in Frankreich und England ſchrieben die erſten Gelehrten und ihre Nachfolger allemal in der Landes- ſprache. Das Publikum nahm ihre Werke mit groͤß- ter Begierde auf, und die Kenntniſſe verbreiteten ſich durch die ganze Nation. Bey uns war es hierinn ganz anders. Die Religionszaͤnkereyen lieferten uns eini- ge Streiter, welche ganz unverſtaͤndliche Materien auf eine ſehr dunkle Art unterſuchten; dieſelben Saͤtze bald behaupteten, bald beſtritten; und die Sophiſmen nur mit Schimpfworten vermengten. Unſere erſten Ge- lehrten waren, wie ſie es allenthalben geweſen, Maͤn- ner, die nur Begebenheiten in ihrem Gedaͤchtniß an- haͤuften; Pedanten ohne Beurtheilungskraft, wie die Lipſius, die Freinshemius, die Gronovius, die Graͤ- vius, welche auf eine ſehr ſchwerfaͤllige Art einige dunk- le Phraſen wieder herſtellten, die ſie in alten Manu- ſcripten fanden. Dieſes konnte bis auf einen gewiſſen Grad ganz nuͤtzlich ſeyn; aber man mußte nicht allen ſeinen Fleiß und Aufmerkſamkeit auf dergleichen un- wichtige Kleinigkeiten wenden. Und doch machte die pedantiſche Eitelkeit dieſer Herren auf den Beyfall von ganz Europa Anſpruch; theils um ihr ſchoͤnes La- tein zu zeigen, theils um auch von fremden Pedanten bewundert zu werden, ſchrieben ſie durchaus nicht an- ders, als lateiniſch. Ihre Werke waren daher fuͤr das ganze uͤbrige Deutſchland ungeſchrieben. Hier- aus entſtanden zwey Unbequemlichkeiten. Die deutſche Sprache

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/64>, abgerufen am 22.11.2024.