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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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fein sind, daß sie unsern Sinnen entwischen und man
also nothwendig annehmen müsse, daß die ersten Grund-
stoffe der Elemente unzerstörbar sind. Denn aus nichts
kann nichts hervorgebracht werden, und nichts kann
vernichtet werden. Das System der vorherbe-
stimmten Harmonie wird unser Weltweise als den
Roman eines Mannes von vielem Geiste vorstellen,
und dabey bemerken, wie die Natur allemal die kürze-
sten Wege wähle, um ihren Zweck zu erreichen, und
wie man niemals ohne Noth die Wesen vervielfältigen
müsse. Hernach wird er zum Spinosa kommen, des-
sen Wiederlegung ihm nicht viel Mühe kosten wird, da
hier eben die Gründe zu gebrauchen sind, deren man
sich gegen die Stoicker bedienet. Nichts aber wird
unserm Lehrer leichter seyn, als dieses System von der
Seite zu zerstören, da es die Existenz Gottes leugnet;
er darf nur zeigen, wie jede Sache in der Welt zu ei-
nem gewissen Zweck bestimmt, und auf das vollkom-
menste so eingerichtet ist, diesen Zweck zu erfüllen.
Alles, sogar das Wachsthum des geringsten Graß-
halms
, beweiset die Gottheit. Der Mensch besitzet
einen Grad von Verstand, den er sich selbst nicht
gegeben hat, hieraus folget unwidersprechlich,
daß das Wesen, von dem er Alles hat, noch einen
viel tiefern und unermeßlichern Verstand besitzen
müsse.

Auch
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fein ſind, daß ſie unſern Sinnen entwiſchen und man
alſo nothwendig annehmen muͤſſe, daß die erſten Grund-
ſtoffe der Elemente unzerſtoͤrbar ſind. Denn aus nichts
kann nichts hervorgebracht werden, und nichts kann
vernichtet werden. Das Syſtem der vorherbe-
ſtimmten Harmonie wird unſer Weltweiſe als den
Roman eines Mannes von vielem Geiſte vorſtellen,
und dabey bemerken, wie die Natur allemal die kuͤrze-
ſten Wege waͤhle, um ihren Zweck zu erreichen, und
wie man niemals ohne Noth die Weſen vervielfaͤltigen
muͤſſe. Hernach wird er zum Spinoſa kommen, deſ-
ſen Wiederlegung ihm nicht viel Muͤhe koſten wird, da
hier eben die Gruͤnde zu gebrauchen ſind, deren man
ſich gegen die Stoicker bedienet. Nichts aber wird
unſerm Lehrer leichter ſeyn, als dieſes Syſtem von der
Seite zu zerſtoͤren, da es die Exiſtenz Gottes leugnet;
er darf nur zeigen, wie jede Sache in der Welt zu ei-
nem gewiſſen Zweck beſtimmt, und auf das vollkom-
menſte ſo eingerichtet iſt, dieſen Zweck zu erfuͤllen.
Alles, ſogar das Wachsthum des geringſten Graß-
halms
, beweiſet die Gottheit. Der Menſch beſitzet
einen Grad von Verſtand, den er ſich ſelbſt nicht
gegeben hat, hieraus folget unwiderſprechlich,
daß das Weſen, von dem er Alles hat, noch einen
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muͤſſe.

Auch
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[41/0047] fein ſind, daß ſie unſern Sinnen entwiſchen und man alſo nothwendig annehmen muͤſſe, daß die erſten Grund- ſtoffe der Elemente unzerſtoͤrbar ſind. Denn aus nichts kann nichts hervorgebracht werden, und nichts kann vernichtet werden. Das Syſtem der vorherbe- ſtimmten Harmonie wird unſer Weltweiſe als den Roman eines Mannes von vielem Geiſte vorſtellen, und dabey bemerken, wie die Natur allemal die kuͤrze- ſten Wege waͤhle, um ihren Zweck zu erreichen, und wie man niemals ohne Noth die Weſen vervielfaͤltigen muͤſſe. Hernach wird er zum Spinoſa kommen, deſ- ſen Wiederlegung ihm nicht viel Muͤhe koſten wird, da hier eben die Gruͤnde zu gebrauchen ſind, deren man ſich gegen die Stoicker bedienet. Nichts aber wird unſerm Lehrer leichter ſeyn, als dieſes Syſtem von der Seite zu zerſtoͤren, da es die Exiſtenz Gottes leugnet; er darf nur zeigen, wie jede Sache in der Welt zu ei- nem gewiſſen Zweck beſtimmt, und auf das vollkom- menſte ſo eingerichtet iſt, dieſen Zweck zu erfuͤllen. Alles, ſogar das Wachsthum des geringſten Graß- halms, beweiſet die Gottheit. Der Menſch beſitzet einen Grad von Verſtand, den er ſich ſelbſt nicht gegeben hat, hieraus folget unwiderſprechlich, daß das Weſen, von dem er Alles hat, noch einen viel tiefern und unermeßlichern Verſtand beſitzen muͤſſe. Auch C 5

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/47>, abgerufen am 16.04.2024.