Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Diese Nationen glauben sich schon im Besitz des Ruhms,
den ihre Vorfahren erworben haben, und schlummern
auf ihren Lorbeeren ein. Aber ich finde, daß diese Di-
gression mich von meinem Gegenstande ableitet; ich
kehre zu ihm zurück, und fahre fort zu untersuchen,
was vor Fehler mehr in unsrer Art zu studiren sich
finden?

Ich glaube zu bemerken, daß die Schulen nicht
so viele gute und geschickte Lehrer haben, als sie bedürf-
ten. Denn wir haben viele Schulen, und alle wollen
versorgt seyn. Wenn die Lehrer Pedanten sind, wenn
ihr beschränkter Geist sich in Kleinigkeiten vertieft,
und über denselben wichtige Sachen vergißt; wenn
ihr Unterricht verworren, langweilig und leer von Sa-
chen ist; so peinigen sie ihre Schüler, und bringen ih-
nen oft auf immer einen Widerwillen für den Wissen-
schaften bey. Andre Schullehrer verrichten ihr Amt
wie bloße Miethlinge. Es kümmert sie wenig, ob die
Schüler von ihrem Unterricht Nutzen haben oder nicht;
sie sind zufrieden, wenn sie nur ihren Gehalt richtig
ausgezahlt bekommen. Noch ärger ist es, wenn die
Lehrer selbst keine Kenntnisse haben. Was können sie
andre lehren, wenn sie selbst nichts wissen? Ich weiß
freylich sehr wohl, daß es glücklicherweise noch Aus-
nahmen von dieser Regel giebt, und daß man auch in
Deutschland einige sehr geschickte Schulmänner findet.
So wenig ich dieses leugne, so wünsche ich nur, daß

ihre
B

Dieſe Nationen glauben ſich ſchon im Beſitz des Ruhms,
den ihre Vorfahren erworben haben, und ſchlummern
auf ihren Lorbeeren ein. Aber ich finde, daß dieſe Di-
greſſion mich von meinem Gegenſtande ableitet; ich
kehre zu ihm zuruͤck, und fahre fort zu unterſuchen,
was vor Fehler mehr in unſrer Art zu ſtudiren ſich
finden?

Ich glaube zu bemerken, daß die Schulen nicht
ſo viele gute und geſchickte Lehrer haben, als ſie beduͤrf-
ten. Denn wir haben viele Schulen, und alle wollen
verſorgt ſeyn. Wenn die Lehrer Pedanten ſind, wenn
ihr beſchraͤnkter Geiſt ſich in Kleinigkeiten vertieft,
und uͤber denſelben wichtige Sachen vergißt; wenn
ihr Unterricht verworren, langweilig und leer von Sa-
chen iſt; ſo peinigen ſie ihre Schuͤler, und bringen ih-
nen oft auf immer einen Widerwillen fuͤr den Wiſſen-
ſchaften bey. Andre Schullehrer verrichten ihr Amt
wie bloße Miethlinge. Es kuͤmmert ſie wenig, ob die
Schuͤler von ihrem Unterricht Nutzen haben oder nicht;
ſie ſind zufrieden, wenn ſie nur ihren Gehalt richtig
ausgezahlt bekommen. Noch aͤrger iſt es, wenn die
Lehrer ſelbſt keine Kenntniſſe haben. Was koͤnnen ſie
andre lehren, wenn ſie ſelbſt nichts wiſſen? Ich weiß
freylich ſehr wohl, daß es gluͤcklicherweiſe noch Aus-
nahmen von dieſer Regel giebt, und daß man auch in
Deutſchland einige ſehr geſchickte Schulmaͤnner findet.
So wenig ich dieſes leugne, ſo wuͤnſche ich nur, daß

ihre
B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0023" n="17"/>
Die&#x017F;e Nationen glauben &#x017F;ich &#x017F;chon im Be&#x017F;itz des Ruhms,<lb/>
den ihre Vorfahren erworben haben, und &#x017F;chlummern<lb/>
auf ihren Lorbeeren ein. Aber ich finde, daß die&#x017F;e Di-<lb/>
gre&#x017F;&#x017F;ion mich von meinem Gegen&#x017F;tande ableitet; ich<lb/>
kehre zu ihm zuru&#x0364;ck, und fahre fort zu unter&#x017F;uchen,<lb/>
was vor Fehler mehr in un&#x017F;rer Art zu &#x017F;tudiren &#x017F;ich<lb/>
finden?</p><lb/>
        <p>Ich glaube zu bemerken, daß die Schulen nicht<lb/>
&#x017F;o viele gute und ge&#x017F;chickte Lehrer haben, als &#x017F;ie bedu&#x0364;rf-<lb/>
ten. Denn wir haben viele Schulen, und alle wollen<lb/>
ver&#x017F;orgt &#x017F;eyn. Wenn die Lehrer Pedanten &#x017F;ind, wenn<lb/>
ihr be&#x017F;chra&#x0364;nkter Gei&#x017F;t &#x017F;ich in Kleinigkeiten vertieft,<lb/>
und u&#x0364;ber den&#x017F;elben wichtige Sachen vergißt; wenn<lb/>
ihr Unterricht verworren, langweilig und leer von Sa-<lb/>
chen i&#x017F;t; &#x017F;o peinigen &#x017F;ie ihre Schu&#x0364;ler, und bringen ih-<lb/>
nen oft auf immer einen Widerwillen fu&#x0364;r den Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaften bey. Andre Schullehrer verrichten ihr Amt<lb/>
wie bloße Miethlinge. Es ku&#x0364;mmert &#x017F;ie wenig, ob die<lb/>
Schu&#x0364;ler von ihrem Unterricht Nutzen haben oder nicht;<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ind zufrieden, wenn &#x017F;ie nur ihren Gehalt richtig<lb/>
ausgezahlt bekommen. Noch a&#x0364;rger i&#x017F;t es, wenn die<lb/>
Lehrer &#x017F;elb&#x017F;t keine Kenntni&#x017F;&#x017F;e haben. Was ko&#x0364;nnen &#x017F;ie<lb/>
andre lehren, wenn &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t nichts wi&#x017F;&#x017F;en? Ich weiß<lb/>
freylich &#x017F;ehr wohl, daß es glu&#x0364;cklicherwei&#x017F;e noch Aus-<lb/>
nahmen von die&#x017F;er Regel giebt, und daß man auch in<lb/><placeName>Deut&#x017F;chland</placeName> einige &#x017F;ehr ge&#x017F;chickte Schulma&#x0364;nner findet.<lb/>
So wenig ich die&#x017F;es leugne, &#x017F;o wu&#x0364;n&#x017F;che ich nur, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B</fw> <fw place="bottom" type="catch">ihre</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0023] Dieſe Nationen glauben ſich ſchon im Beſitz des Ruhms, den ihre Vorfahren erworben haben, und ſchlummern auf ihren Lorbeeren ein. Aber ich finde, daß dieſe Di- greſſion mich von meinem Gegenſtande ableitet; ich kehre zu ihm zuruͤck, und fahre fort zu unterſuchen, was vor Fehler mehr in unſrer Art zu ſtudiren ſich finden? Ich glaube zu bemerken, daß die Schulen nicht ſo viele gute und geſchickte Lehrer haben, als ſie beduͤrf- ten. Denn wir haben viele Schulen, und alle wollen verſorgt ſeyn. Wenn die Lehrer Pedanten ſind, wenn ihr beſchraͤnkter Geiſt ſich in Kleinigkeiten vertieft, und uͤber denſelben wichtige Sachen vergißt; wenn ihr Unterricht verworren, langweilig und leer von Sa- chen iſt; ſo peinigen ſie ihre Schuͤler, und bringen ih- nen oft auf immer einen Widerwillen fuͤr den Wiſſen- ſchaften bey. Andre Schullehrer verrichten ihr Amt wie bloße Miethlinge. Es kuͤmmert ſie wenig, ob die Schuͤler von ihrem Unterricht Nutzen haben oder nicht; ſie ſind zufrieden, wenn ſie nur ihren Gehalt richtig ausgezahlt bekommen. Noch aͤrger iſt es, wenn die Lehrer ſelbſt keine Kenntniſſe haben. Was koͤnnen ſie andre lehren, wenn ſie ſelbſt nichts wiſſen? Ich weiß freylich ſehr wohl, daß es gluͤcklicherweiſe noch Aus- nahmen von dieſer Regel giebt, und daß man auch in Deutſchland einige ſehr geſchickte Schulmaͤnner findet. So wenig ich dieſes leugne, ſo wuͤnſche ich nur, daß ihre B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/23
Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/23>, abgerufen am 23.11.2024.