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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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das Theater gebracht. Das Stück ist sehr gut gemacht,
und Moliere selbst hätte den Gegenstand desselben nicht
glücklicher bearbeiten können. Es thut mir leid, daß
ich Ihnen nicht eine größre Menge unsrer guten Pro-
dukte aufzählen kann. Ich mache deshalb der Nation
keine Vorwürfe; es fehlt ihr nicht an Genie und Geist.
Aber gewisse Ursachen haben sie zurückgehalten und ver-
hindert, sich zu gleicher Zeit mit ihren Nachbarn zu
erheben. Lassen Sie uns bis zu der Wiederauflebung
der Wissenschaften zurückgehn, und die verschiedene La-
ge gegen einander halten, in der sich Italien, Frank-
reich
und Deutschland, zur Zeit dieser Revolution des
menschlichen Geistes befanden.

Sie wissen, daß die Wissenschaften zuerst in Ita-
lien
wieder gebohren wurden, wo das Haus Este, die
Medicis und der Pabst Leo X. sie beschützten und ihre
Fortschritte begünstigten. Zu eben dieser Zeit, da Ita-
lien
verfeinert wurde, war Deutschland, durch die Zän-
kereyen der Theologen, in zwey Partheyen getheilt, de-
ren jede durch erbitterten Haß gegen die andere, und
durch fanatischen Enthusiasmus, sich auszeichnete. In
Frankreich bemühte sich dagegen Franz I. mit Italien
den Ruhm der Wiederherstellung der Wissenschaften
zu theilen. Aber seine Mühe war vergeblich, sie in sein
Vaterland herüberzubringen. Die französische Mo-
narchie befand sich damals in einem Zustande der Er-
mattung, erschöpft durch die Loskaufung ihres Kö-

nigs

das Theater gebracht. Das Stuͤck iſt ſehr gut gemacht,
und Moliere ſelbſt haͤtte den Gegenſtand deſſelben nicht
gluͤcklicher bearbeiten koͤnnen. Es thut mir leid, daß
ich Ihnen nicht eine groͤßre Menge unſrer guten Pro-
dukte aufzaͤhlen kann. Ich mache deshalb der Nation
keine Vorwuͤrfe; es fehlt ihr nicht an Genie und Geiſt.
Aber gewiſſe Urſachen haben ſie zuruͤckgehalten und ver-
hindert, ſich zu gleicher Zeit mit ihren Nachbarn zu
erheben. Laſſen Sie uns bis zu der Wiederauflebung
der Wiſſenſchaften zuruͤckgehn, und die verſchiedene La-
ge gegen einander halten, in der ſich Italien, Frank-
reich
und Deutſchland, zur Zeit dieſer Revolution des
menſchlichen Geiſtes befanden.

Sie wiſſen, daß die Wiſſenſchaften zuerſt in Ita-
lien
wieder gebohren wurden, wo das Haus Eſte, die
Medicis und der Pabſt Leo X. ſie beſchuͤtzten und ihre
Fortſchritte beguͤnſtigten. Zu eben dieſer Zeit, da Ita-
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verfeinert wurde, war Deutſchland, durch die Zaͤn-
kereyen der Theologen, in zwey Partheyen getheilt, de-
ren jede durch erbitterten Haß gegen die andere, und
durch fanatiſchen Enthuſiaſmus, ſich auszeichnete. In
Frankreich bemuͤhte ſich dagegen Franz I. mit Italien
den Ruhm der Wiederherſtellung der Wiſſenſchaften
zu theilen. Aber ſeine Muͤhe war vergeblich, ſie in ſein
Vaterland heruͤberzubringen. Die franzoͤſiſche Mo-
narchie befand ſich damals in einem Zuſtande der Er-
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[10/0016] das Theater gebracht. Das Stuͤck iſt ſehr gut gemacht, und Moliere ſelbſt haͤtte den Gegenſtand deſſelben nicht gluͤcklicher bearbeiten koͤnnen. Es thut mir leid, daß ich Ihnen nicht eine groͤßre Menge unſrer guten Pro- dukte aufzaͤhlen kann. Ich mache deshalb der Nation keine Vorwuͤrfe; es fehlt ihr nicht an Genie und Geiſt. Aber gewiſſe Urſachen haben ſie zuruͤckgehalten und ver- hindert, ſich zu gleicher Zeit mit ihren Nachbarn zu erheben. Laſſen Sie uns bis zu der Wiederauflebung der Wiſſenſchaften zuruͤckgehn, und die verſchiedene La- ge gegen einander halten, in der ſich Italien, Frank- reich und Deutſchland, zur Zeit dieſer Revolution des menſchlichen Geiſtes befanden. Sie wiſſen, daß die Wiſſenſchaften zuerſt in Ita- lien wieder gebohren wurden, wo das Haus Eſte, die Medicis und der Pabſt Leo X. ſie beſchuͤtzten und ihre Fortſchritte beguͤnſtigten. Zu eben dieſer Zeit, da Ita- lien verfeinert wurde, war Deutſchland, durch die Zaͤn- kereyen der Theologen, in zwey Partheyen getheilt, de- ren jede durch erbitterten Haß gegen die andere, und durch fanatiſchen Enthuſiaſmus, ſich auszeichnete. In Frankreich bemuͤhte ſich dagegen Franz I. mit Italien den Ruhm der Wiederherſtellung der Wiſſenſchaften zu theilen. Aber ſeine Muͤhe war vergeblich, ſie in ſein Vaterland heruͤberzubringen. Die franzoͤſiſche Mo- narchie befand ſich damals in einem Zuſtande der Er- mattung, erſchoͤpft durch die Loskaufung ihres Koͤ- nigs

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/16>, abgerufen am 29.03.2024.