Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ziemlich entfernt in stetiger Richtung der Brücke zubewegte. Er ist's, er schwimmt! schrie der Oberst aus seiner Erstarrung emporfahrend; he, wer kann schwimmen von euch ... wer wagt sich dran? Hölle und Teufel, daß ich im Wasser sinke wie ein Mühlenstein! Und dort am untern Ende der Stadt scheinen ihn gute Freunde zu erwarten, wenn ihm die Kräfte so weit reichen, rief Theobald, dem ein wildverworrener Sturm von Schadenfreude, Mitleid, Furcht und hoffendem Muthe das Herz erfaßte; er ist dem Brückenpfeiler glücklich ausgewichen. Der Oberst heftete sein Auge auf die Gruppe, die weit unten am Mauerthurm in Bewegung gerathen, mit einem rothen, flatternden Tuche auf den Fluß hinauswinkte. Er schien mit einem Blick den weiten Umweg zu bemessen, der über die Brücke in fast stundenweitem Umkreise die Stadt hinan zu dieser Stelle führte; dann wendete er sich mit bebenden Lippen an seine Umgebung zurück. Ist Keiner unter euch, rief er mit dumpfer Stimme, der sich dran wagt, meine Ehre -- eure Ehre zu retten -- was? Zwanzigtausend Kronen für den Gefangenen -- mein ganzes Vermögen -- Hab' und Gut -- Keiner? -- Nein, es regte sich Keiner; die Männer blickten einander mit ängstlichen Geberden an, oder schauten dumpf in die treibenden Wogen hinaus. Und Ihr da, Meyer! sagte der Oberst leiser, wie? Theobald's Gesicht war plötzlich bleich und fahl ziemlich entfernt in stetiger Richtung der Brücke zubewegte. Er ist's, er schwimmt! schrie der Oberst aus seiner Erstarrung emporfahrend; he, wer kann schwimmen von euch … wer wagt sich dran? Hölle und Teufel, daß ich im Wasser sinke wie ein Mühlenstein! Und dort am untern Ende der Stadt scheinen ihn gute Freunde zu erwarten, wenn ihm die Kräfte so weit reichen, rief Theobald, dem ein wildverworrener Sturm von Schadenfreude, Mitleid, Furcht und hoffendem Muthe das Herz erfaßte; er ist dem Brückenpfeiler glücklich ausgewichen. Der Oberst heftete sein Auge auf die Gruppe, die weit unten am Mauerthurm in Bewegung gerathen, mit einem rothen, flatternden Tuche auf den Fluß hinauswinkte. Er schien mit einem Blick den weiten Umweg zu bemessen, der über die Brücke in fast stundenweitem Umkreise die Stadt hinan zu dieser Stelle führte; dann wendete er sich mit bebenden Lippen an seine Umgebung zurück. Ist Keiner unter euch, rief er mit dumpfer Stimme, der sich dran wagt, meine Ehre — eure Ehre zu retten — was? Zwanzigtausend Kronen für den Gefangenen — mein ganzes Vermögen — Hab' und Gut — Keiner? — Nein, es regte sich Keiner; die Männer blickten einander mit ängstlichen Geberden an, oder schauten dumpf in die treibenden Wogen hinaus. Und Ihr da, Meyer! sagte der Oberst leiser, wie? Theobald's Gesicht war plötzlich bleich und fahl <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0069"/> ziemlich entfernt in stetiger Richtung der Brücke zubewegte. Er ist's, er schwimmt! schrie der Oberst aus seiner Erstarrung emporfahrend; he, wer kann schwimmen von euch … wer wagt sich dran? Hölle und Teufel, daß ich im Wasser sinke wie ein Mühlenstein!</p><lb/> <p>Und dort am untern Ende der Stadt scheinen ihn gute Freunde zu erwarten, wenn ihm die Kräfte so weit reichen, rief Theobald, dem ein wildverworrener Sturm von Schadenfreude, Mitleid, Furcht und hoffendem Muthe das Herz erfaßte; er ist dem Brückenpfeiler glücklich ausgewichen.</p><lb/> <p>Der Oberst heftete sein Auge auf die Gruppe, die weit unten am Mauerthurm in Bewegung gerathen, mit einem rothen, flatternden Tuche auf den Fluß hinauswinkte. Er schien mit einem Blick den weiten Umweg zu bemessen, der über die Brücke in fast stundenweitem Umkreise die Stadt hinan zu dieser Stelle führte; dann wendete er sich mit bebenden Lippen an seine Umgebung zurück. Ist Keiner unter euch, rief er mit dumpfer Stimme, der sich dran wagt, meine Ehre — eure Ehre zu retten — was? Zwanzigtausend Kronen für den Gefangenen — mein ganzes Vermögen — Hab' und Gut — Keiner? —</p><lb/> <p>Nein, es regte sich Keiner; die Männer blickten einander mit ängstlichen Geberden an, oder schauten dumpf in die treibenden Wogen hinaus.</p><lb/> <p>Und Ihr da, Meyer! sagte der Oberst leiser, wie?</p><lb/> <p>Theobald's Gesicht war plötzlich bleich und fahl<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0069]
ziemlich entfernt in stetiger Richtung der Brücke zubewegte. Er ist's, er schwimmt! schrie der Oberst aus seiner Erstarrung emporfahrend; he, wer kann schwimmen von euch … wer wagt sich dran? Hölle und Teufel, daß ich im Wasser sinke wie ein Mühlenstein!
Und dort am untern Ende der Stadt scheinen ihn gute Freunde zu erwarten, wenn ihm die Kräfte so weit reichen, rief Theobald, dem ein wildverworrener Sturm von Schadenfreude, Mitleid, Furcht und hoffendem Muthe das Herz erfaßte; er ist dem Brückenpfeiler glücklich ausgewichen.
Der Oberst heftete sein Auge auf die Gruppe, die weit unten am Mauerthurm in Bewegung gerathen, mit einem rothen, flatternden Tuche auf den Fluß hinauswinkte. Er schien mit einem Blick den weiten Umweg zu bemessen, der über die Brücke in fast stundenweitem Umkreise die Stadt hinan zu dieser Stelle führte; dann wendete er sich mit bebenden Lippen an seine Umgebung zurück. Ist Keiner unter euch, rief er mit dumpfer Stimme, der sich dran wagt, meine Ehre — eure Ehre zu retten — was? Zwanzigtausend Kronen für den Gefangenen — mein ganzes Vermögen — Hab' und Gut — Keiner? —
Nein, es regte sich Keiner; die Männer blickten einander mit ängstlichen Geberden an, oder schauten dumpf in die treibenden Wogen hinaus.
Und Ihr da, Meyer! sagte der Oberst leiser, wie?
Theobald's Gesicht war plötzlich bleich und fahl
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