Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Auch um meinetwillen? -- Aber, ersetzte er den ernstern Ton mit einem Lächeln, wie sollte denn die Unerschrockenste ihres Geschlechtes sich unnützen Befürchtungen hingeben können! Laßt Euern Scherz, Theobald ... ich seh' es Euern Augen an, daß Ihr Euch doch zwingen müßt dazu; und wahrlich, auch ich habe weder Lust noch Ursache zum Fröhlichsein. Der Vater ist bald nach Mitternacht in die Rathsversammlung abgeholt worden und bis diesen Augenblick noch nicht zurückgekehrt. Das ist in meinem Leben nie geschehen! Um Mitternacht Rathsversammlung! rief Theobald, und er hat Euch auch keine Nachricht geben lassen, ob er sich noch dort befindet? Schon in der ersten Morgendämmerung ist der Rathsbote mit der Weisung gekommen, daß ich das Haus nicht verlassen solle, bis der Vater zurückgekehrt sei. Theobald stand mit nachdenklichem Schweigen an den Tisch gelehnt, bis das Fräulein wieder sagte: Um Gotteswillen, so sprecht doch ... Euer Schweigen ängstigt mich ins tiefste Herz hinein; erzählt mir wenigstens, was in der Stadt vorgeht, Theobald. Nein, beunruhigt Euch nicht, Fräulein, erwiderte er langsam; und doch ... was hilft es, meine eigene Unruhe verbergen zu wollen ... ich darf es auch nicht thun! Seht, Julia, es macht mich unsäglich glücklich, daß Ihr nicht, wie viele andere Frauen schon von Auch um meinetwillen? — Aber, ersetzte er den ernstern Ton mit einem Lächeln, wie sollte denn die Unerschrockenste ihres Geschlechtes sich unnützen Befürchtungen hingeben können! Laßt Euern Scherz, Theobald … ich seh' es Euern Augen an, daß Ihr Euch doch zwingen müßt dazu; und wahrlich, auch ich habe weder Lust noch Ursache zum Fröhlichsein. Der Vater ist bald nach Mitternacht in die Rathsversammlung abgeholt worden und bis diesen Augenblick noch nicht zurückgekehrt. Das ist in meinem Leben nie geschehen! Um Mitternacht Rathsversammlung! rief Theobald, und er hat Euch auch keine Nachricht geben lassen, ob er sich noch dort befindet? Schon in der ersten Morgendämmerung ist der Rathsbote mit der Weisung gekommen, daß ich das Haus nicht verlassen solle, bis der Vater zurückgekehrt sei. Theobald stand mit nachdenklichem Schweigen an den Tisch gelehnt, bis das Fräulein wieder sagte: Um Gotteswillen, so sprecht doch … Euer Schweigen ängstigt mich ins tiefste Herz hinein; erzählt mir wenigstens, was in der Stadt vorgeht, Theobald. Nein, beunruhigt Euch nicht, Fräulein, erwiderte er langsam; und doch … was hilft es, meine eigene Unruhe verbergen zu wollen … ich darf es auch nicht thun! Seht, Julia, es macht mich unsäglich glücklich, daß Ihr nicht, wie viele andere Frauen schon von <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <pb facs="#f0048"/> <p>Auch um meinetwillen? — Aber, ersetzte er den ernstern Ton mit einem Lächeln, wie sollte denn die Unerschrockenste ihres Geschlechtes sich unnützen Befürchtungen hingeben können!</p><lb/> <p>Laßt Euern Scherz, Theobald … ich seh' es Euern Augen an, daß Ihr Euch doch zwingen müßt dazu; und wahrlich, auch ich habe weder Lust noch Ursache zum Fröhlichsein. Der Vater ist bald nach Mitternacht in die Rathsversammlung abgeholt worden und bis diesen Augenblick noch nicht zurückgekehrt. Das ist in meinem Leben nie geschehen!</p><lb/> <p>Um Mitternacht Rathsversammlung! rief Theobald, und er hat Euch auch keine Nachricht geben lassen, ob er sich noch dort befindet?</p><lb/> <p>Schon in der ersten Morgendämmerung ist der Rathsbote mit der Weisung gekommen, daß ich das Haus nicht verlassen solle, bis der Vater zurückgekehrt sei.</p><lb/> <p>Theobald stand mit nachdenklichem Schweigen an den Tisch gelehnt, bis das Fräulein wieder sagte: Um Gotteswillen, so sprecht doch … Euer Schweigen ängstigt mich ins tiefste Herz hinein; erzählt mir wenigstens, was in der Stadt vorgeht, Theobald.</p><lb/> <p>Nein, beunruhigt Euch nicht, Fräulein, erwiderte er langsam; und doch … was hilft es, meine eigene Unruhe verbergen zu wollen … ich darf es auch nicht thun! Seht, Julia, es macht mich unsäglich glücklich, daß Ihr nicht, wie viele andere Frauen schon von<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0048]
Auch um meinetwillen? — Aber, ersetzte er den ernstern Ton mit einem Lächeln, wie sollte denn die Unerschrockenste ihres Geschlechtes sich unnützen Befürchtungen hingeben können!
Laßt Euern Scherz, Theobald … ich seh' es Euern Augen an, daß Ihr Euch doch zwingen müßt dazu; und wahrlich, auch ich habe weder Lust noch Ursache zum Fröhlichsein. Der Vater ist bald nach Mitternacht in die Rathsversammlung abgeholt worden und bis diesen Augenblick noch nicht zurückgekehrt. Das ist in meinem Leben nie geschehen!
Um Mitternacht Rathsversammlung! rief Theobald, und er hat Euch auch keine Nachricht geben lassen, ob er sich noch dort befindet?
Schon in der ersten Morgendämmerung ist der Rathsbote mit der Weisung gekommen, daß ich das Haus nicht verlassen solle, bis der Vater zurückgekehrt sei.
Theobald stand mit nachdenklichem Schweigen an den Tisch gelehnt, bis das Fräulein wieder sagte: Um Gotteswillen, so sprecht doch … Euer Schweigen ängstigt mich ins tiefste Herz hinein; erzählt mir wenigstens, was in der Stadt vorgeht, Theobald.
Nein, beunruhigt Euch nicht, Fräulein, erwiderte er langsam; und doch … was hilft es, meine eigene Unruhe verbergen zu wollen … ich darf es auch nicht thun! Seht, Julia, es macht mich unsäglich glücklich, daß Ihr nicht, wie viele andere Frauen schon von
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/48>, abgerufen am 05.07.2024. |