Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.einen so ganz andern, hellern Rahmen als bisher um die Stirn, fast wie von einem verborgenen Lichte angeschimmert. Aber auch die Augen, Wangen und Mund -- waren sie nicht wie von einem neuen Glanze erfüllt, von einer frischen Blüte angehaucht? -- Gewiß, du bist recht hübsch, Julie, sagte sie, den Spiegel lächelnd gegen die Wand zurücklehnend, und es fehlt nichts weiter mehr, als daß du dir zu deinen übrigen Vorzügen nun auch noch ein Stück Eitelkeit erwirbst. Dieses heitere, sich selbst neckende Spiel mußte jedoch wieder ernsteren Gedanken und Gefühlen weichen, und mit wachsender Unruhe bedachte das Fräulein, was sich im Gemache des Vaters zutragen möchte. Sie hörte im Geiste die beiden Männer sprechen mit einander, den rauhen befehlenden Ton des Vaters und den vollen melodischen Klang der Stimme des Fremden, der nicht fragen, nur Antwort geben durfte; aber bald verstummte er und blieb auch diese schuldig, oder gab das Wort trotzig zurück von einem dunkel leuchtendem Blicke begleitet. Der Oberst fuhr mit heftiger Geberde vom Stuhle auf und schrie dem Verwegenen eine Drohung ins Gesicht -- was entgegnete dieser darauf? -- Julie, die unter diesen Vorstellungen langsam sich der Thüre genähert hatte, beugte sich in horchender Stellung nieder, als müßte nur ihr äußerliches Ohr vernehmen, was sie dem innerlichen nicht mehr zu beantworten getraute; aber heftig erschrocken fuhr sie zurück, als draußen ein Geräusch entstand und eine Hand auf die Klinke drückte. einen so ganz andern, hellern Rahmen als bisher um die Stirn, fast wie von einem verborgenen Lichte angeschimmert. Aber auch die Augen, Wangen und Mund — waren sie nicht wie von einem neuen Glanze erfüllt, von einer frischen Blüte angehaucht? — Gewiß, du bist recht hübsch, Julie, sagte sie, den Spiegel lächelnd gegen die Wand zurücklehnend, und es fehlt nichts weiter mehr, als daß du dir zu deinen übrigen Vorzügen nun auch noch ein Stück Eitelkeit erwirbst. Dieses heitere, sich selbst neckende Spiel mußte jedoch wieder ernsteren Gedanken und Gefühlen weichen, und mit wachsender Unruhe bedachte das Fräulein, was sich im Gemache des Vaters zutragen möchte. Sie hörte im Geiste die beiden Männer sprechen mit einander, den rauhen befehlenden Ton des Vaters und den vollen melodischen Klang der Stimme des Fremden, der nicht fragen, nur Antwort geben durfte; aber bald verstummte er und blieb auch diese schuldig, oder gab das Wort trotzig zurück von einem dunkel leuchtendem Blicke begleitet. Der Oberst fuhr mit heftiger Geberde vom Stuhle auf und schrie dem Verwegenen eine Drohung ins Gesicht — was entgegnete dieser darauf? — Julie, die unter diesen Vorstellungen langsam sich der Thüre genähert hatte, beugte sich in horchender Stellung nieder, als müßte nur ihr äußerliches Ohr vernehmen, was sie dem innerlichen nicht mehr zu beantworten getraute; aber heftig erschrocken fuhr sie zurück, als draußen ein Geräusch entstand und eine Hand auf die Klinke drückte. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0033"/> einen so ganz andern, hellern Rahmen als bisher um die Stirn, fast wie von einem verborgenen Lichte angeschimmert. Aber auch die Augen, Wangen und Mund — waren sie nicht wie von einem neuen Glanze erfüllt, von einer frischen Blüte angehaucht? — Gewiß, du bist recht hübsch, Julie, sagte sie, den Spiegel lächelnd gegen die Wand zurücklehnend, und es fehlt nichts weiter mehr, als daß du dir zu deinen übrigen Vorzügen nun auch noch ein Stück Eitelkeit erwirbst.</p><lb/> <p>Dieses heitere, sich selbst neckende Spiel mußte jedoch wieder ernsteren Gedanken und Gefühlen weichen, und mit wachsender Unruhe bedachte das Fräulein, was sich im Gemache des Vaters zutragen möchte. Sie hörte im Geiste die beiden Männer sprechen mit einander, den rauhen befehlenden Ton des Vaters und den vollen melodischen Klang der Stimme des Fremden, der nicht fragen, nur Antwort geben durfte; aber bald verstummte er und blieb auch diese schuldig, oder gab das Wort trotzig zurück von einem dunkel leuchtendem Blicke begleitet. Der Oberst fuhr mit heftiger Geberde vom Stuhle auf und schrie dem Verwegenen eine Drohung ins Gesicht — was entgegnete dieser darauf? — Julie, die unter diesen Vorstellungen langsam sich der Thüre genähert hatte, beugte sich in horchender Stellung nieder, als müßte nur ihr äußerliches Ohr vernehmen, was sie dem innerlichen nicht mehr zu beantworten getraute; aber heftig erschrocken fuhr sie zurück, als draußen ein Geräusch entstand und eine Hand auf die Klinke drückte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
einen so ganz andern, hellern Rahmen als bisher um die Stirn, fast wie von einem verborgenen Lichte angeschimmert. Aber auch die Augen, Wangen und Mund — waren sie nicht wie von einem neuen Glanze erfüllt, von einer frischen Blüte angehaucht? — Gewiß, du bist recht hübsch, Julie, sagte sie, den Spiegel lächelnd gegen die Wand zurücklehnend, und es fehlt nichts weiter mehr, als daß du dir zu deinen übrigen Vorzügen nun auch noch ein Stück Eitelkeit erwirbst.
Dieses heitere, sich selbst neckende Spiel mußte jedoch wieder ernsteren Gedanken und Gefühlen weichen, und mit wachsender Unruhe bedachte das Fräulein, was sich im Gemache des Vaters zutragen möchte. Sie hörte im Geiste die beiden Männer sprechen mit einander, den rauhen befehlenden Ton des Vaters und den vollen melodischen Klang der Stimme des Fremden, der nicht fragen, nur Antwort geben durfte; aber bald verstummte er und blieb auch diese schuldig, oder gab das Wort trotzig zurück von einem dunkel leuchtendem Blicke begleitet. Der Oberst fuhr mit heftiger Geberde vom Stuhle auf und schrie dem Verwegenen eine Drohung ins Gesicht — was entgegnete dieser darauf? — Julie, die unter diesen Vorstellungen langsam sich der Thüre genähert hatte, beugte sich in horchender Stellung nieder, als müßte nur ihr äußerliches Ohr vernehmen, was sie dem innerlichen nicht mehr zu beantworten getraute; aber heftig erschrocken fuhr sie zurück, als draußen ein Geräusch entstand und eine Hand auf die Klinke drückte.
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/33>, abgerufen am 16.02.2025. |