Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Gewiß, gewiß, erwiderte sie rasch, morgen zur nämlichen Stunde, oder etwas später, wenn es Euch gelegen ist, und so dann alle Tage. Und noch Eines, fügte sie hinzu, als er langsam sich der Thüre zuwendete, mein Vater scheint manchmal etwas barsch, bis man sich daran gewöhnt hat; aber böse ist's nicht gemeint.

Nehmt meinen herzlichsten Dank, gnädiges Fräulein ... Julia!

Sie schaute betroffen auf, der sich bereits schließenden Thüre nach, und legte dann mit langem, nachdenklichen Sinnen die Hand über die Augen. Julia? ... Wer hatte den Namen ausgesprochen? Hab' ich es selbst gethan oder er? ... Nein, er ist's gewesen, gewiß ... es klingt mir ja noch der Ton seiner Stimme im Ohre nach. Aber wie ist er dazu gekommen ... hast du eine Unvorsichtigkeit, eine Thorheit begangen? ... Nein, gab sie sich laut die Antwort auf diese Selbstanfragen ... und wenn es doch wäre, so trage ich keine Schuld daran ... ich nicht.

Sie wendete sich langsam wieder dem Spiegel zu, um nochmals ihr Bild zu beschauen. Ja, es war eine Veränderung vorgegangen mit ihr seit einer kurzen halben Stunde -- sie war eine Andere geworden; aber wo lag er denn, dieser Wechsel? -- An dem Haarschmucke allein konnte es nicht liegen, er war in all seinen Touren bis in die kleinsten Formen herab der nämliche geblieben; und doch ... und doch bildete er

Gewiß, gewiß, erwiderte sie rasch, morgen zur nämlichen Stunde, oder etwas später, wenn es Euch gelegen ist, und so dann alle Tage. Und noch Eines, fügte sie hinzu, als er langsam sich der Thüre zuwendete, mein Vater scheint manchmal etwas barsch, bis man sich daran gewöhnt hat; aber böse ist's nicht gemeint.

Nehmt meinen herzlichsten Dank, gnädiges Fräulein … Julia!

Sie schaute betroffen auf, der sich bereits schließenden Thüre nach, und legte dann mit langem, nachdenklichen Sinnen die Hand über die Augen. Julia? … Wer hatte den Namen ausgesprochen? Hab' ich es selbst gethan oder er? … Nein, er ist's gewesen, gewiß … es klingt mir ja noch der Ton seiner Stimme im Ohre nach. Aber wie ist er dazu gekommen … hast du eine Unvorsichtigkeit, eine Thorheit begangen? … Nein, gab sie sich laut die Antwort auf diese Selbstanfragen … und wenn es doch wäre, so trage ich keine Schuld daran … ich nicht.

Sie wendete sich langsam wieder dem Spiegel zu, um nochmals ihr Bild zu beschauen. Ja, es war eine Veränderung vorgegangen mit ihr seit einer kurzen halben Stunde — sie war eine Andere geworden; aber wo lag er denn, dieser Wechsel? — An dem Haarschmucke allein konnte es nicht liegen, er war in all seinen Touren bis in die kleinsten Formen herab der nämliche geblieben; und doch … und doch bildete er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <pb facs="#f0032"/>
        <p>Gewiß, gewiß, erwiderte sie rasch, morgen zur nämlichen Stunde, oder etwas später, wenn es      Euch gelegen ist, und so dann alle Tage. Und noch Eines, fügte sie hinzu, als er langsam sich      der Thüre zuwendete, mein Vater scheint manchmal etwas barsch, bis man sich daran gewöhnt hat;      aber böse ist's nicht gemeint.</p><lb/>
        <p>Nehmt meinen herzlichsten Dank, gnädiges Fräulein &#x2026; Julia!</p><lb/>
        <p>Sie schaute betroffen auf, der sich bereits schließenden Thüre nach, und legte dann mit      langem, nachdenklichen Sinnen die Hand über die Augen. Julia? &#x2026; Wer hatte den Namen      ausgesprochen? Hab' ich es selbst gethan oder er? &#x2026; Nein, er ist's gewesen, gewiß &#x2026; es      klingt mir ja noch der Ton seiner Stimme im Ohre nach. Aber wie ist er dazu gekommen &#x2026; hast du      eine Unvorsichtigkeit, eine Thorheit begangen? &#x2026; Nein, gab sie sich laut die Antwort auf      diese Selbstanfragen &#x2026; und wenn es doch wäre, so trage ich keine Schuld daran &#x2026; ich      nicht.</p><lb/>
        <p>Sie wendete sich langsam wieder dem Spiegel zu, um nochmals ihr Bild zu beschauen. Ja, es war      eine Veränderung vorgegangen mit ihr seit einer kurzen halben Stunde &#x2014; sie war eine Andere      geworden; aber wo lag er denn, dieser Wechsel? &#x2014; An dem Haarschmucke allein konnte es nicht      liegen, er war in all seinen Touren bis in die kleinsten Formen herab der nämliche geblieben;      und doch &#x2026; und doch bildete er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0032] Gewiß, gewiß, erwiderte sie rasch, morgen zur nämlichen Stunde, oder etwas später, wenn es Euch gelegen ist, und so dann alle Tage. Und noch Eines, fügte sie hinzu, als er langsam sich der Thüre zuwendete, mein Vater scheint manchmal etwas barsch, bis man sich daran gewöhnt hat; aber böse ist's nicht gemeint. Nehmt meinen herzlichsten Dank, gnädiges Fräulein … Julia! Sie schaute betroffen auf, der sich bereits schließenden Thüre nach, und legte dann mit langem, nachdenklichen Sinnen die Hand über die Augen. Julia? … Wer hatte den Namen ausgesprochen? Hab' ich es selbst gethan oder er? … Nein, er ist's gewesen, gewiß … es klingt mir ja noch der Ton seiner Stimme im Ohre nach. Aber wie ist er dazu gekommen … hast du eine Unvorsichtigkeit, eine Thorheit begangen? … Nein, gab sie sich laut die Antwort auf diese Selbstanfragen … und wenn es doch wäre, so trage ich keine Schuld daran … ich nicht. Sie wendete sich langsam wieder dem Spiegel zu, um nochmals ihr Bild zu beschauen. Ja, es war eine Veränderung vorgegangen mit ihr seit einer kurzen halben Stunde — sie war eine Andere geworden; aber wo lag er denn, dieser Wechsel? — An dem Haarschmucke allein konnte es nicht liegen, er war in all seinen Touren bis in die kleinsten Formen herab der nämliche geblieben; und doch … und doch bildete er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:04:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:04:13Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/32
Zitationshilfe: Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/32>, abgerufen am 22.11.2024.