Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dete sich dann ab, um die eigene Glut zu verbergen, die auf ihre Wangen stieg. Der Redelaut schien tief in ihrer Brust festgeklemmt, und die wenigen Worte, die sie sprechen wollte, mußte sie sich erst leise im Gedanken vorsprechen; aber wie gewöhnlich und alltäglich sie auch waren, sie traten vielfach anders über die Zunge, als das Fräulein beabsichtigt hatte. -- Ihr seid also der neue ... Herr, der bei Meister Hänni eingetreten ist! -- Die gewöhnliche Anrede des bürgerlichen Er und das Wort Geselle hatten sich fast unbewußt noch auf den Lippen umgewandelt in höflichere Formen. -- Zu dienen, gnädiges Fräulein, und wenn Ihre Güte mir einige freundliche Nachsicht gewähren möchte, so hoffe ich wohl, meinen Dienst bald zu Ihrer Zufriedenheit versehen zu können! -- Welch ein reiner Klang der Stimme und welch eigener, wehmüthig-froher Aufblick des großen, dunklen Auges hatten dieser Antwort das Begleit gegeben! -- Aber war es das, oder war's die schon sich andeutende, alle widerstrebenden Schleichwege abschneidende Offenheit in den Worten des Fremden, was den unheimlichen Druck so plötzlich von der Seele des Fräuleins hob? Sie wußte es selbst nicht und gab sich auch keine Rechenschaft darüber, warum sie nun sofort mit ihrer gewohnten Freundlichkeit erwidern konnte: Meinetwegen braucht Ihr nicht in Sorge zu sein; ich habe nicht Ursache, einen allzu hohen Werth auf meine Frisur zu legen. -- Unter dieser Erwiderung hatte sie selbst das von seinen dete sich dann ab, um die eigene Glut zu verbergen, die auf ihre Wangen stieg. Der Redelaut schien tief in ihrer Brust festgeklemmt, und die wenigen Worte, die sie sprechen wollte, mußte sie sich erst leise im Gedanken vorsprechen; aber wie gewöhnlich und alltäglich sie auch waren, sie traten vielfach anders über die Zunge, als das Fräulein beabsichtigt hatte. — Ihr seid also der neue … Herr, der bei Meister Hänni eingetreten ist! — Die gewöhnliche Anrede des bürgerlichen Er und das Wort Geselle hatten sich fast unbewußt noch auf den Lippen umgewandelt in höflichere Formen. — Zu dienen, gnädiges Fräulein, und wenn Ihre Güte mir einige freundliche Nachsicht gewähren möchte, so hoffe ich wohl, meinen Dienst bald zu Ihrer Zufriedenheit versehen zu können! — Welch ein reiner Klang der Stimme und welch eigener, wehmüthig-froher Aufblick des großen, dunklen Auges hatten dieser Antwort das Begleit gegeben! — Aber war es das, oder war's die schon sich andeutende, alle widerstrebenden Schleichwege abschneidende Offenheit in den Worten des Fremden, was den unheimlichen Druck so plötzlich von der Seele des Fräuleins hob? Sie wußte es selbst nicht und gab sich auch keine Rechenschaft darüber, warum sie nun sofort mit ihrer gewohnten Freundlichkeit erwidern konnte: Meinetwegen braucht Ihr nicht in Sorge zu sein; ich habe nicht Ursache, einen allzu hohen Werth auf meine Frisur zu legen. — Unter dieser Erwiderung hatte sie selbst das von seinen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0027"/> dete sich dann ab, um die eigene Glut zu verbergen, die auf ihre Wangen stieg. Der Redelaut schien tief in ihrer Brust festgeklemmt, und die wenigen Worte, die sie sprechen wollte, mußte sie sich erst leise im Gedanken vorsprechen; aber wie gewöhnlich und alltäglich sie auch waren, sie traten vielfach anders über die Zunge, als das Fräulein beabsichtigt hatte. — Ihr seid also der neue … Herr, der bei Meister Hänni eingetreten ist! — Die gewöhnliche Anrede des bürgerlichen Er und das Wort Geselle hatten sich fast unbewußt noch auf den Lippen umgewandelt in höflichere Formen. — Zu dienen, gnädiges Fräulein, und wenn Ihre Güte mir einige freundliche Nachsicht gewähren möchte, so hoffe ich wohl, meinen Dienst bald zu Ihrer Zufriedenheit versehen zu können! — Welch ein reiner Klang der Stimme und welch eigener, wehmüthig-froher Aufblick des großen, dunklen Auges hatten dieser Antwort das Begleit gegeben! — Aber war es das, oder war's die schon sich andeutende, alle widerstrebenden Schleichwege abschneidende Offenheit in den Worten des Fremden, was den unheimlichen Druck so plötzlich von der Seele des Fräuleins hob? Sie wußte es selbst nicht und gab sich auch keine Rechenschaft darüber, warum sie nun sofort mit ihrer gewohnten Freundlichkeit erwidern konnte: Meinetwegen braucht Ihr nicht in Sorge zu sein; ich habe nicht Ursache, einen allzu hohen Werth auf meine Frisur zu legen. — Unter dieser Erwiderung hatte sie selbst das von seinen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0027]
dete sich dann ab, um die eigene Glut zu verbergen, die auf ihre Wangen stieg. Der Redelaut schien tief in ihrer Brust festgeklemmt, und die wenigen Worte, die sie sprechen wollte, mußte sie sich erst leise im Gedanken vorsprechen; aber wie gewöhnlich und alltäglich sie auch waren, sie traten vielfach anders über die Zunge, als das Fräulein beabsichtigt hatte. — Ihr seid also der neue … Herr, der bei Meister Hänni eingetreten ist! — Die gewöhnliche Anrede des bürgerlichen Er und das Wort Geselle hatten sich fast unbewußt noch auf den Lippen umgewandelt in höflichere Formen. — Zu dienen, gnädiges Fräulein, und wenn Ihre Güte mir einige freundliche Nachsicht gewähren möchte, so hoffe ich wohl, meinen Dienst bald zu Ihrer Zufriedenheit versehen zu können! — Welch ein reiner Klang der Stimme und welch eigener, wehmüthig-froher Aufblick des großen, dunklen Auges hatten dieser Antwort das Begleit gegeben! — Aber war es das, oder war's die schon sich andeutende, alle widerstrebenden Schleichwege abschneidende Offenheit in den Worten des Fremden, was den unheimlichen Druck so plötzlich von der Seele des Fräuleins hob? Sie wußte es selbst nicht und gab sich auch keine Rechenschaft darüber, warum sie nun sofort mit ihrer gewohnten Freundlichkeit erwidern konnte: Meinetwegen braucht Ihr nicht in Sorge zu sein; ich habe nicht Ursache, einen allzu hohen Werth auf meine Frisur zu legen. — Unter dieser Erwiderung hatte sie selbst das von seinen
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/27>, abgerufen am 05.07.2024. |