Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Theobald blickte unbeweglich und bleich wie eine Leiche auf diese Zeilen, bis sie in einer zitternden Thräne vor ihm zusammenschwammen; aber es war nicht Freude oder Schmerz allein, es war ein bitterer Zorn der Seele, der diese Thränen in seine Augen trieb. -- Ja, rief er endlich aus, du hältst dein Wort, harter, stolzer Mann; sobald die Rebellion abgethan, soll ich dein Eidam werden, und du glaubst, es sei dies geschehen mit den fallenden Häuptern der drei Unglücklichen. Aber hüte dich, auch du wirst dem Verhängnisse nicht entgehen, das sich an deine Thaten heftet! Es war eine lange, bange Nacht, die er mit schlaflosen Augen zu durchwachen hatte; aber er wehrte dem Schlafe, der sich manchmal auf die müden Lider senken wollte, als fürchte er sich vor den Träumen, die schon drohend vor dem wachen Blicke vorüberwehten. Er versenkte sich in die schmeichelnden Hoffnungen eines reichen Liebesglückes, das ihm nun doch kein Menschenwille mehr zerstören konnte, und wenn sich unheildrohende Gestalten herandrängen wollten, rief er leise aus: Hebt euch weg von mir; der Sterbende hat mir verziehen, und drum trete ich den Lebenden ohne Furcht entgegen. -- Aber diese mühsam ringende Zuversicht wurde bis in ihre letzten Wurzeln erschüttert, als am frühen Morgen schon die Trommeln ertönten und die kriegerischen Schaaren sich unter Theobald's Fenstern zu einem langen Zuge nach dem Gefängnißthurme zusammenordne- Theobald blickte unbeweglich und bleich wie eine Leiche auf diese Zeilen, bis sie in einer zitternden Thräne vor ihm zusammenschwammen; aber es war nicht Freude oder Schmerz allein, es war ein bitterer Zorn der Seele, der diese Thränen in seine Augen trieb. — Ja, rief er endlich aus, du hältst dein Wort, harter, stolzer Mann; sobald die Rebellion abgethan, soll ich dein Eidam werden, und du glaubst, es sei dies geschehen mit den fallenden Häuptern der drei Unglücklichen. Aber hüte dich, auch du wirst dem Verhängnisse nicht entgehen, das sich an deine Thaten heftet! Es war eine lange, bange Nacht, die er mit schlaflosen Augen zu durchwachen hatte; aber er wehrte dem Schlafe, der sich manchmal auf die müden Lider senken wollte, als fürchte er sich vor den Träumen, die schon drohend vor dem wachen Blicke vorüberwehten. Er versenkte sich in die schmeichelnden Hoffnungen eines reichen Liebesglückes, das ihm nun doch kein Menschenwille mehr zerstören konnte, und wenn sich unheildrohende Gestalten herandrängen wollten, rief er leise aus: Hebt euch weg von mir; der Sterbende hat mir verziehen, und drum trete ich den Lebenden ohne Furcht entgegen. — Aber diese mühsam ringende Zuversicht wurde bis in ihre letzten Wurzeln erschüttert, als am frühen Morgen schon die Trommeln ertönten und die kriegerischen Schaaren sich unter Theobald's Fenstern zu einem langen Zuge nach dem Gefängnißthurme zusammenordne- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <pb facs="#f0100"/> <p>Theobald blickte unbeweglich und bleich wie eine Leiche auf diese Zeilen, bis sie in einer zitternden Thräne vor ihm zusammenschwammen; aber es war nicht Freude oder Schmerz allein, es war ein bitterer Zorn der Seele, der diese Thränen in seine Augen trieb. — Ja, rief er endlich aus, du hältst dein Wort, harter, stolzer Mann; sobald die Rebellion abgethan, soll ich dein Eidam werden, und du glaubst, es sei dies geschehen mit den fallenden Häuptern der drei Unglücklichen. Aber hüte dich, auch du wirst dem Verhängnisse nicht entgehen, das sich an deine Thaten heftet!</p><lb/> <p>Es war eine lange, bange Nacht, die er mit schlaflosen Augen zu durchwachen hatte; aber er wehrte dem Schlafe, der sich manchmal auf die müden Lider senken wollte, als fürchte er sich vor den Träumen, die schon drohend vor dem wachen Blicke vorüberwehten. Er versenkte sich in die schmeichelnden Hoffnungen eines reichen Liebesglückes, das ihm nun doch kein Menschenwille mehr zerstören konnte, und wenn sich unheildrohende Gestalten herandrängen wollten, rief er leise aus: Hebt euch weg von mir; der Sterbende hat mir verziehen, und drum trete ich den Lebenden ohne Furcht entgegen. —</p><lb/> <p>Aber diese mühsam ringende Zuversicht wurde bis in ihre letzten Wurzeln erschüttert, als am frühen Morgen schon die Trommeln ertönten und die kriegerischen Schaaren sich unter Theobald's Fenstern zu einem langen Zuge nach dem Gefängnißthurme zusammenordne-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0100]
Theobald blickte unbeweglich und bleich wie eine Leiche auf diese Zeilen, bis sie in einer zitternden Thräne vor ihm zusammenschwammen; aber es war nicht Freude oder Schmerz allein, es war ein bitterer Zorn der Seele, der diese Thränen in seine Augen trieb. — Ja, rief er endlich aus, du hältst dein Wort, harter, stolzer Mann; sobald die Rebellion abgethan, soll ich dein Eidam werden, und du glaubst, es sei dies geschehen mit den fallenden Häuptern der drei Unglücklichen. Aber hüte dich, auch du wirst dem Verhängnisse nicht entgehen, das sich an deine Thaten heftet!
Es war eine lange, bange Nacht, die er mit schlaflosen Augen zu durchwachen hatte; aber er wehrte dem Schlafe, der sich manchmal auf die müden Lider senken wollte, als fürchte er sich vor den Träumen, die schon drohend vor dem wachen Blicke vorüberwehten. Er versenkte sich in die schmeichelnden Hoffnungen eines reichen Liebesglückes, das ihm nun doch kein Menschenwille mehr zerstören konnte, und wenn sich unheildrohende Gestalten herandrängen wollten, rief er leise aus: Hebt euch weg von mir; der Sterbende hat mir verziehen, und drum trete ich den Lebenden ohne Furcht entgegen. —
Aber diese mühsam ringende Zuversicht wurde bis in ihre letzten Wurzeln erschüttert, als am frühen Morgen schon die Trommeln ertönten und die kriegerischen Schaaren sich unter Theobald's Fenstern zu einem langen Zuge nach dem Gefängnißthurme zusammenordne-
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/100>, abgerufen am 27.07.2024. |