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Frauenfeld, Georg von: Die Grundlagen des Vogelschutzgesetzes. Wien, 1871.

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Grundlagen des Vogelschutzgesetzes.
kommene neue Massenerscheinungen von Pflanzenfeinden nur allein der
Abnahme der Vögel zugeschrieben werden müssen.

Der Mensch ist unzweifelhaft berechtigt, alles was die Natur bietet,
nicht nur für seine Erhaltung. sondern auch zu seinem Wohlbehagen im
vollsten Umfange zu benützen, so weit es die Verhältnisse des Gesellschafts-
lebens gestatten, und so weit nicht erfahrungsgemäss entgegenstehende
Zwecke eine Beschränkung in ein oder der anderen Richtung gebieten.

Es kann sich sonach nur noch um unparteiische Abwägung dessen
handeln, was durch den, diesen Vögeln gewährten Schutz dem Menschen
entgeht. Dieser Entgang bedingt bloss allein den Ausfall eines Nahrungs-
mittels und einiger beliebter Sänger als Stubengenossen. Wenn es auch
in Betreff des ersteren Pflicht und Recht der Verwaltung ist, diese Mittel
zu mehren, und nicht zu verkümmern, so wird doch Niemand behaupten
können, dass der Entgang dieses Luxusartikels so bedeutend sei, dass in
staatsökonomischer Beziehung ein Bedenken entstehen dürfte, und diese
wenigen unter gesetzlichen Schutz gestellten Vögel einen Einfluss auf den
Wohlstand der Völker haben, wenn sie nicht verspeist werden dürfen,
oder dass dieser Ausfall in anderer Weise gedeckt werden müsste, zumal
der Lüsternheit in dem noch übrigen so namhaften Theil der Körnerfresser,
die unbedenklich preisgegeben werden können, hinlänglich Ersatz geboten
ist, diess Verlangen zu stillen.

Es dürfte schwerer werden, das Verbot dieser Singvögel als Stu-
benge ährten zu rechtfertigen, da. ich, wie ich schon an einem anderen
Orte bemerkte, den sittlichen Werth, den die liebevolle Pflege der trauten
Zimmergenossen, die Erheiterung durch dieselben in trüben Stunden, den
wohlthätigen Einfluss, den sie auf das Gemüth unzweifelhaft üben, un-
endlich hoch anschlage.

Allein, wenn man bedenkt, wie wenige von den tausend und tau-
send aus dem Nest geraubten oder gefangenen Vögeln in freundliche
Hände gelangen, wie unendlich viele im Gegensatze zu diesen wenigen
martervoll zu Grunde gehen, während ihre Erhaltung für die Thätigkeit
in der Natur so hoch ins Gewicht fällt, so dürfte dieses Verbot umsomehr
gerechtfertigt erscheinen, als von den hier in Frage stehenden Vögeln ein
grosser Theil für den Käfig keinen besonderen Werth hat oder nur
äusserst schwer in der Gefangenschaft aushält, andererseits aber für die
wenigen allerdings ausgezeichneten Sänger, deren Besitz nicht gestattet
werden soll, in den derberen Körnerfressern hinreichender Ersatz sich findet.

Der zweifache Zweck des Vogelfangs ist, die Vögel, welche durch
Vogelleim oder Schlingen festgehalten, oder durch mehr oder minder um-
fangreiche Netzvorrichtungen umstrickt und gefangen werden, entweder
lebend zu erhalten, um sie als Stubenvögel verwenden zu können, oder
sie, natürlich in grosser Menge, für die Küche todt zu erbeuten oder
hiefür zu erwürgen.

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Grundlagen des Vogelschutzgesetzes.
kommene neue Massenerscheinungen von Pflanzenfeinden nur allein der
Abnahme der Vögel zugeschrieben werden müssen.

Der Mensch ist unzweifelhaft berechtigt, alles was die Natur bietet,
nicht nur für seine Erhaltung. sondern auch zu seinem Wohlbehagen im
vollsten Umfange zu benützen, so weit es die Verhältnisse des Gesellschafts-
lebens gestatten, und so weit nicht erfahrungsgemäss entgegenstehende
Zwecke eine Beschränkung in ein oder der anderen Richtung gebieten.

Es kann sich sonach nur noch um unparteiische Abwägung dessen
handeln, was durch den, diesen Vögeln gewährten Schutz dem Menschen
entgeht. Dieser Entgang bedingt bloss allein den Ausfall eines Nahrungs-
mittels und einiger beliebter Sänger als Stubengenossen. Wenn es auch
in Betreff des ersteren Pflicht und Recht der Verwaltung ist, diese Mittel
zu mehren, und nicht zu verkümmern, so wird doch Niemand behaupten
können, dass der Entgang dieses Luxusartikels so bedeutend sei, dass in
staatsökonomischer Beziehung ein Bedenken entstehen dürfte, und diese
wenigen unter gesetzlichen Schutz gestellten Vögel einen Einfluss auf den
Wohlstand der Völker haben, wenn sie nicht verspeist werden dürfen,
oder dass dieser Ausfall in anderer Weise gedeckt werden müsste, zumal
der Lüsternheit in dem noch übrigen so namhaften Theil der Körnerfresser,
die unbedenklich preisgegeben werden können, hinlänglich Ersatz geboten
ist, diess Verlangen zu stillen.

Es dürfte schwerer werden, das Verbot dieser Singvögel als Stu-
benge ährten zu rechtfertigen, da. ich, wie ich schon an einem anderen
Orte bemerkte, den sittlichen Werth, den die liebevolle Pflege der trauten
Zimmergenossen, die Erheiterung durch dieselben in trüben Stunden, den
wohlthätigen Einfluss, den sie auf das Gemüth unzweifelhaft üben, un-
endlich hoch anschlage.

Allein, wenn man bedenkt, wie wenige von den tausend und tau-
send aus dem Nest geraubten oder gefangenen Vögeln in freundliche
Hände gelangen, wie unendlich viele im Gegensatze zu diesen wenigen
martervoll zu Grunde gehen, während ihre Erhaltung für die Thätigkeit
in der Natur so hoch ins Gewicht fällt, so dürfte dieses Verbot umsomehr
gerechtfertigt erscheinen, als von den hier in Frage stehenden Vögeln ein
grosser Theil für den Käfig keinen besonderen Werth hat oder nur
äusserst schwer in der Gefangenschaft aushält, andererseits aber für die
wenigen allerdings ausgezeichneten Sänger, deren Besitz nicht gestattet
werden soll, in den derberen Körnerfressern hinreichender Ersatz sich findet.

Der zweifache Zweck des Vogelfangs ist, die Vögel, welche durch
Vogelleim oder Schlingen festgehalten, oder durch mehr oder minder um-
fangreiche Netzvorrichtungen umstrickt und gefangen werden, entweder
lebend zu erhalten, um sie als Stubenvögel verwenden zu können, oder
sie, natürlich in grosser Menge, für die Küche todt zu erbeuten oder
hiefür zu erwürgen.

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Zitationshilfe: Frauenfeld, Georg von: Die Grundlagen des Vogelschutzgesetzes. Wien, 1871, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frauenfeld_vogelschutzgesetz_1871/13>, abgerufen am 24.04.2024.