Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.schon etwas versäumt habe. Und dann wollte er auf seine kleine Wirthin eindringen und sie zum Reden veranlassen. Sie ist ja weich wie Butter, warum sollte sie nur mir gegenüber unerbittlich sein? Einen Anderen würde er sicher verlacht haben, wenn er sich so wie ein kleines Kind beschwichtigen ließe. Auf der braunen Tuchplatte seines Schreibtisches leuchtete es schon von weitem. Es lagen dort drei weiße Lilien, ein wenig matt, dazwischen ein Brief. Warum sie nur nicht ins Wasser gestellt worden sind? dachte er, ob die schon lange hier liegen? Der gelbe Blüthenstaub lag über das Tuch verstreut, der starke Duft war im ganzen Zimmer verbreitet. Es sah so feierlich aus, wie bei einem Grabmahl. Wenn's nur keine traurige Endschaft bedeutet! Dann die Worte: Der Tag ist hingegangen, Verklungen Lust und Weh: Das kalte blasse Mondlicht Schläft auf dem schweigenden See. Im Garten blüh'n die Lilien, Sie schimmern bleich wie Schnee; Bald blüh'n sie auf meinem Grabe Drunten am schweigenden See. Als die erste Verwunderung vorüber war - Iversen fand es sehr unbequem, immer von einer Stimmung in die andere geworfen zu werden -, tröstete er sich damit, daß es jetzt erst interessant schon etwas versäumt habe. Und dann wollte er auf seine kleine Wirthin eindringen und sie zum Reden veranlassen. Sie ist ja weich wie Butter, warum sollte sie nur mir gegenüber unerbittlich sein? Einen Anderen würde er sicher verlacht haben, wenn er sich so wie ein kleines Kind beschwichtigen ließe. Auf der braunen Tuchplatte seines Schreibtisches leuchtete es schon von weitem. Es lagen dort drei weiße Lilien, ein wenig matt, dazwischen ein Brief. Warum sie nur nicht ins Wasser gestellt worden sind? dachte er, ob die schon lange hier liegen? Der gelbe Blüthenstaub lag über das Tuch verstreut, der starke Duft war im ganzen Zimmer verbreitet. Es sah so feierlich aus, wie bei einem Grabmahl. Wenn’s nur keine traurige Endschaft bedeutet! Dann die Worte: Der Tag ist hingegangen, Verklungen Lust und Weh: Das kalte blasse Mondlicht Schläft auf dem schweigenden See. Im Garten blüh’n die Lilien, Sie schimmern bleich wie Schnee; Bald blüh’n sie auf meinem Grabe Drunten am schweigenden See. Als die erste Verwunderung vorüber war – Iversen fand es sehr unbequem, immer von einer Stimmung in die andere geworfen zu werden –, tröstete er sich damit, daß es jetzt erst interessant <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0073" n="65"/> schon etwas versäumt habe. Und dann wollte er auf seine kleine Wirthin eindringen und sie zum Reden veranlassen. Sie ist ja weich wie Butter, warum sollte sie nur mir gegenüber unerbittlich sein? Einen Anderen würde er sicher verlacht haben, wenn er sich so wie ein kleines Kind beschwichtigen ließe.</p> <p>Auf der braunen Tuchplatte seines Schreibtisches leuchtete es schon von weitem. Es lagen dort drei weiße Lilien, ein wenig matt, dazwischen ein Brief. Warum sie nur nicht ins Wasser gestellt worden sind? dachte er, ob die schon lange hier liegen? Der gelbe Blüthenstaub lag über das Tuch verstreut, der starke Duft war im ganzen Zimmer verbreitet. Es sah so feierlich aus, wie bei einem Grabmahl. Wenn’s nur keine traurige Endschaft bedeutet! Dann die Worte:</p> <lg type="poem"> <lg> <l>Der Tag ist hingegangen,</l><lb/> <l>Verklungen Lust und Weh:</l><lb/> <l>Das kalte blasse Mondlicht</l><lb/> <l>Schläft auf dem schweigenden See.</l><lb/> </lg> <lg> <l>Im Garten blüh’n die Lilien,</l><lb/> <l>Sie schimmern bleich wie Schnee;</l><lb/> <l>Bald blüh’n sie auf meinem Grabe</l><lb/> <l>Drunten am schweigenden See.</l><lb/> </lg> </lg> <p>Als die erste Verwunderung vorüber war – Iversen fand es sehr unbequem, immer von einer Stimmung in die andere geworfen zu werden –, tröstete er sich damit, daß es jetzt erst interessant </p> </div> </body> </text> </TEI> [65/0073]
schon etwas versäumt habe. Und dann wollte er auf seine kleine Wirthin eindringen und sie zum Reden veranlassen. Sie ist ja weich wie Butter, warum sollte sie nur mir gegenüber unerbittlich sein? Einen Anderen würde er sicher verlacht haben, wenn er sich so wie ein kleines Kind beschwichtigen ließe.
Auf der braunen Tuchplatte seines Schreibtisches leuchtete es schon von weitem. Es lagen dort drei weiße Lilien, ein wenig matt, dazwischen ein Brief. Warum sie nur nicht ins Wasser gestellt worden sind? dachte er, ob die schon lange hier liegen? Der gelbe Blüthenstaub lag über das Tuch verstreut, der starke Duft war im ganzen Zimmer verbreitet. Es sah so feierlich aus, wie bei einem Grabmahl. Wenn’s nur keine traurige Endschaft bedeutet! Dann die Worte:
Der Tag ist hingegangen,
Verklungen Lust und Weh:
Das kalte blasse Mondlicht
Schläft auf dem schweigenden See.
Im Garten blüh’n die Lilien,
Sie schimmern bleich wie Schnee;
Bald blüh’n sie auf meinem Grabe
Drunten am schweigenden See.
Als die erste Verwunderung vorüber war – Iversen fand es sehr unbequem, immer von einer Stimmung in die andere geworfen zu werden –, tröstete er sich damit, daß es jetzt erst interessant
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Zitationshilfe: | Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/73>, abgerufen am 23.07.2024. |