Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Lisbeth sah ihn erstaunt an, er kam ihr so männlich, so entschlossen vor, an seine Jugend hatte sie gar nicht gedacht; aber er schien ihr ein großes Opfer bringen zu wollen, und das durfte sie doch nicht annehmen. "Aber - aber warum denn?" seufzte sie bedenklich.

Er besah seine Nägel, denn seit er Lisbeths Hände hielt, waren die Glaces verschwunden. "Warum? wenn wir beide wollen? Du weißt doch, Symbiose, Lisbeth!"

"Aber, ist Dir das nicht zu wenig, Axel?"

"Es ist mir genug - mit Dir!" Sie sahen sich einander in die Augen. "Und Du?" flüsterte er sehr leise und eindringlich.

"Mir auch," flüsterte es zurück. Sie drückten sich noch einmal fest die Hände. Dann hielt der Zug in Wedel.

Die jungen Leute gingen mitsammen bis zum Pfarrhause, Lisbeth ein wenig voraus. Es regnete jetzt nicht, aber der Wind fuhr mit Heulen von der Elbe herüber und drängte die Wandernden oft gewaltsam gegen die schwarzen sausenden Bäume.

"Hier kannst Du mir ruhig den Arm geben," sagte Axel leise. Sie kam langsam an seine Seite. "Friert Dich, Lisbeth? Soll ich Dir meinen Rock geben?"

"O, nein, ich bin ja 'n Butenminsch, weißt Du."

Lisbeth sah ihn erstaunt an, er kam ihr so männlich, so entschlossen vor, an seine Jugend hatte sie gar nicht gedacht; aber er schien ihr ein großes Opfer bringen zu wollen, und das durfte sie doch nicht annehmen. „Aber – aber warum denn?“ seufzte sie bedenklich.

Er besah seine Nägel, denn seit er Lisbeths Hände hielt, waren die Glacés verschwunden. „Warum? wenn wir beide wollen? Du weißt doch, Symbiose, Lisbeth!“

„Aber, ist Dir das nicht zu wenig, Axel?“

„Es ist mir genug – mit Dir!“ Sie sahen sich einander in die Augen. „Und Du?“ flüsterte er sehr leise und eindringlich.

„Mir auch,“ flüsterte es zurück. Sie drückten sich noch einmal fest die Hände. Dann hielt der Zug in Wedel.

Die jungen Leute gingen mitsammen bis zum Pfarrhause, Lisbeth ein wenig voraus. Es regnete jetzt nicht, aber der Wind fuhr mit Heulen von der Elbe herüber und drängte die Wandernden oft gewaltsam gegen die schwarzen sausenden Bäume.

„Hier kannst Du mir ruhig den Arm geben,“ sagte Axel leise. Sie kam langsam an seine Seite. „Friert Dich, Lisbeth? Soll ich Dir meinen Rock geben?“

„O, nein, ich bin ja ’n Butenminsch, weißt Du.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0363" n="355"/>
          <p>Lisbeth sah ihn erstaunt an, er kam ihr so männlich, so entschlossen vor, an seine Jugend hatte sie gar nicht gedacht; aber er schien ihr ein großes Opfer bringen zu wollen, und das durfte sie doch nicht annehmen. &#x201E;Aber &#x2013; aber warum denn?&#x201C; seufzte sie bedenklich.</p>
          <p>Er besah seine Nägel, denn seit er Lisbeths Hände hielt, waren die Glacés verschwunden. &#x201E;Warum? wenn wir beide wollen? Du weißt doch, Symbiose, Lisbeth!&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Aber, ist Dir das nicht zu wenig, Axel?&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Es ist mir genug &#x2013; mit Dir!&#x201C; Sie sahen sich einander in die Augen. &#x201E;Und Du?&#x201C; flüsterte er sehr leise und eindringlich.</p>
          <p>&#x201E;Mir auch,&#x201C; flüsterte es zurück. Sie drückten sich noch einmal fest die Hände. Dann hielt der Zug in Wedel.</p>
          <p>Die jungen Leute gingen mitsammen bis zum Pfarrhause, Lisbeth ein wenig voraus. Es regnete jetzt nicht, aber der Wind fuhr mit Heulen von der Elbe herüber und drängte die Wandernden oft gewaltsam gegen die schwarzen sausenden Bäume.</p>
          <p>&#x201E;Hier kannst Du mir ruhig den Arm geben,&#x201C; sagte Axel leise. Sie kam langsam an seine Seite. &#x201E;Friert Dich, Lisbeth? Soll ich Dir meinen Rock geben?&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;O, nein, ich bin ja &#x2019;n Butenminsch, weißt Du.&#x201C;</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[355/0363] Lisbeth sah ihn erstaunt an, er kam ihr so männlich, so entschlossen vor, an seine Jugend hatte sie gar nicht gedacht; aber er schien ihr ein großes Opfer bringen zu wollen, und das durfte sie doch nicht annehmen. „Aber – aber warum denn?“ seufzte sie bedenklich. Er besah seine Nägel, denn seit er Lisbeths Hände hielt, waren die Glacés verschwunden. „Warum? wenn wir beide wollen? Du weißt doch, Symbiose, Lisbeth!“ „Aber, ist Dir das nicht zu wenig, Axel?“ „Es ist mir genug – mit Dir!“ Sie sahen sich einander in die Augen. „Und Du?“ flüsterte er sehr leise und eindringlich. „Mir auch,“ flüsterte es zurück. Sie drückten sich noch einmal fest die Hände. Dann hielt der Zug in Wedel. Die jungen Leute gingen mitsammen bis zum Pfarrhause, Lisbeth ein wenig voraus. Es regnete jetzt nicht, aber der Wind fuhr mit Heulen von der Elbe herüber und drängte die Wandernden oft gewaltsam gegen die schwarzen sausenden Bäume. „Hier kannst Du mir ruhig den Arm geben,“ sagte Axel leise. Sie kam langsam an seine Seite. „Friert Dich, Lisbeth? Soll ich Dir meinen Rock geben?“ „O, nein, ich bin ja ’n Butenminsch, weißt Du.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/363
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/363>, abgerufen am 22.11.2024.