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Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

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Die Frau hob wieder den Kopf, lauschte mit vorgestrecktem Hals, mit heftig klopfenden Herzen. Ihr Gesicht überzog sich mit Roth; sie trank die Musik der süßen Stimme, und ein plötzlicher Rausch schien über sie zu kommen. "Mann, ich finde, - - ich muß immer denken, wenn es nicht ganz verrückt wäre -"

"Scht!" machte es hinter ihr. Das aufgeregte Flüstern ward wieder lästig für die Nachbarn.

Aber sowie der erste Theil zu Ende war, und man ein Wort einschieben konnte, tauschten die zwei Alten ihren Eindruck. "Immer denk' ich an die Lotte!"

"Freilich, ich auch!"

"Das Einsetzen, nicht wahr? Aber dann die Fülle und Kraft, - wer mag es denn sein? 's ist eppes Dummes, so ohne Programm! Ich geh' g'schwind - - !"

Die Frau hielt ihn am Rockärmel. "Wozu? Solang bild' ich mir ein, unsere Lotte zu hören, wenn ich aber den fremden Namen auf dem Zettel seh' - - ."

Der Souffleur setzte sich wieder, die Nachbarn stöhnten schon über die zwei unruhigen Geister.

Aber der Beginn des zweiten Theils war wieder wie ein elektrischer Schlag in die Seelen der Horchenden. ,Und Liebe girrt das zarte Taubenpaar', - wie der reizende Lockruf aus der Stimme der Singenden girrte!

Die Frau hob wieder den Kopf, lauschte mit vorgestrecktem Hals, mit heftig klopfenden Herzen. Ihr Gesicht überzog sich mit Roth; sie trank die Musik der süßen Stimme, und ein plötzlicher Rausch schien über sie zu kommen. „Mann, ich finde, – – ich muß immer denken, wenn es nicht ganz verrückt wäre –“

„Scht!“ machte es hinter ihr. Das aufgeregte Flüstern ward wieder lästig für die Nachbarn.

Aber sowie der erste Theil zu Ende war, und man ein Wort einschieben konnte, tauschten die zwei Alten ihren Eindruck. „Immer denk’ ich an die Lotte!“

„Freilich, ich auch!“

„Das Einsetzen, nicht wahr? Aber dann die Fülle und Kraft, – wer mag es denn sein? ’s ist eppes Dummes, so ohne Programm! Ich geh’ g’schwind – – !“

Die Frau hielt ihn am Rockärmel. „Wozu? Solang bild’ ich mir ein, unsere Lotte zu hören, wenn ich aber den fremden Namen auf dem Zettel seh’ – – .“

Der Souffleur setzte sich wieder, die Nachbarn stöhnten schon über die zwei unruhigen Geister.

Aber der Beginn des zweiten Theils war wieder wie ein elektrischer Schlag in die Seelen der Horchenden. ‚Und Liebe girrt das zarte Taubenpaar‘, – wie der reizende Lockruf aus der Stimme der Singenden girrte!

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[295/0303] Die Frau hob wieder den Kopf, lauschte mit vorgestrecktem Hals, mit heftig klopfenden Herzen. Ihr Gesicht überzog sich mit Roth; sie trank die Musik der süßen Stimme, und ein plötzlicher Rausch schien über sie zu kommen. „Mann, ich finde, – – ich muß immer denken, wenn es nicht ganz verrückt wäre –“ „Scht!“ machte es hinter ihr. Das aufgeregte Flüstern ward wieder lästig für die Nachbarn. Aber sowie der erste Theil zu Ende war, und man ein Wort einschieben konnte, tauschten die zwei Alten ihren Eindruck. „Immer denk’ ich an die Lotte!“ „Freilich, ich auch!“ „Das Einsetzen, nicht wahr? Aber dann die Fülle und Kraft, – wer mag es denn sein? ’s ist eppes Dummes, so ohne Programm! Ich geh’ g’schwind – – !“ Die Frau hielt ihn am Rockärmel. „Wozu? Solang bild’ ich mir ein, unsere Lotte zu hören, wenn ich aber den fremden Namen auf dem Zettel seh’ – – .“ Der Souffleur setzte sich wieder, die Nachbarn stöhnten schon über die zwei unruhigen Geister. Aber der Beginn des zweiten Theils war wieder wie ein elektrischer Schlag in die Seelen der Horchenden. ‚Und Liebe girrt das zarte Taubenpaar‘, – wie der reizende Lockruf aus der Stimme der Singenden girrte!

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/303>, abgerufen am 11.06.2024.