Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.ironisch sprechen; je mehr Zeit verging, in der sie ihn nicht sah, desto unerträglicher ward ihr's, dergleichen auch nur zu hören von Andern. Adolf wurde immer mehr zu dem zweiten Adolf, für den sie empfindlich, besorgt, ja zärtlich war wie für Niemand sonst. Sie traute ihm die merkwürdigsten Eigenschaften zu, war auch überzeugt, daß einzig eine leidige Verkettung von Umständen ihn bis jetzt verhindert hatte, sich in "seinem waren Licht" zu zeigen. Adelheid zog sich offenbar von ihr zurück, Mama Severin sogar sprach mit ärgerlichem Antheil von Rothermunds Liebenswürdigkeit. Sie hatte die zerstreute Familie besucht und zwei von ihnen zu Hause erwischt, aber das gab einem gleich einen Begriff, - einen Begriff - - und überhaupt dieser solide Luxus! Was sie am meisten freute, war, daß Leute wie die, die so dastanden, alle Kleider im Hause schneidern ließen! Denke Dir, Angelas und Marys Ballkleider! Auch August war entzückt davon; er konnte stundenlang von Rothermunds erzählen hören, die kleinsten Einzelheiten, wie sie die scharfen Blicke von Mutter und Tochter in ihr Gedächtniß notirt hatten. Annita war ganz allein mit sich und Adolf. Wie er wuchs und sich verschönte von Tag zu Tage! Sogar äußerlich. Es war offenbar ein Irrthum, daß er dick sein sollte. Wer war nur auf diesen Unsinn verfallen? Er hatte im ganzen eine ungemein interessante Erscheinung, wie es eben selbstverständlich war für ironisch sprechen; je mehr Zeit verging, in der sie ihn nicht sah, desto unerträglicher ward ihr’s, dergleichen auch nur zu hören von Andern. Adolf wurde immer mehr zu dem zweiten Adolf, für den sie empfindlich, besorgt, ja zärtlich war wie für Niemand sonst. Sie traute ihm die merkwürdigsten Eigenschaften zu, war auch überzeugt, daß einzig eine leidige Verkettung von Umständen ihn bis jetzt verhindert hatte, sich in „seinem waren Licht“ zu zeigen. Adelheid zog sich offenbar von ihr zurück, Mama Severin sogar sprach mit ärgerlichem Antheil von Rothermunds Liebenswürdigkeit. Sie hatte die zerstreute Familie besucht und zwei von ihnen zu Hause erwischt, aber das gab einem gleich einen Begriff, – einen Begriff – – und überhaupt dieser solide Luxus! Was sie am meisten freute, war, daß Leute wie die, die so dastanden, alle Kleider im Hause schneidern ließen! Denke Dir, Angelas und Marys Ballkleider! Auch August war entzückt davon; er konnte stundenlang von Rothermunds erzählen hören, die kleinsten Einzelheiten, wie sie die scharfen Blicke von Mutter und Tochter in ihr Gedächtniß notirt hatten. Annita war ganz allein mit sich und Adolf. Wie er wuchs und sich verschönte von Tag zu Tage! Sogar äußerlich. Es war offenbar ein Irrthum, daß er dick sein sollte. Wer war nur auf diesen Unsinn verfallen? Er hatte im ganzen eine ungemein interessante Erscheinung, wie es eben selbstverständlich war für <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0268" n="260"/> ironisch sprechen; je mehr Zeit verging, in der sie ihn nicht sah, desto unerträglicher ward ihr’s, dergleichen auch nur zu <hi rendition="#g">hören</hi> von Andern. Adolf wurde immer mehr zu dem zweiten Adolf, für den sie empfindlich, besorgt, ja zärtlich war wie für Niemand sonst. Sie traute ihm die merkwürdigsten Eigenschaften zu, war auch überzeugt, daß einzig eine leidige Verkettung von Umständen ihn bis jetzt verhindert hatte, sich in „seinem waren Licht“ zu zeigen. Adelheid zog sich offenbar von ihr zurück, Mama Severin sogar sprach mit ärgerlichem Antheil von Rothermunds Liebenswürdigkeit. Sie hatte die zerstreute Familie besucht und zwei von ihnen zu Hause erwischt, aber das gab einem gleich einen Begriff, – einen Begriff – – und überhaupt dieser solide Luxus! Was sie am meisten freute, war, daß Leute wie die, die so dastanden, alle Kleider im Hause schneidern ließen! Denke Dir, Angelas und Marys Ballkleider! Auch August war entzückt davon; er konnte stundenlang von Rothermunds erzählen hören, die kleinsten Einzelheiten, wie sie die scharfen Blicke von Mutter und Tochter in ihr Gedächtniß notirt hatten.</p> <p>Annita war ganz allein mit sich und Adolf. Wie er wuchs und sich verschönte von Tag zu Tage! Sogar äußerlich. Es war offenbar ein Irrthum, daß er dick sein sollte. Wer war nur auf diesen Unsinn verfallen? Er hatte im ganzen eine ungemein interessante Erscheinung, wie es eben selbstverständlich war für </p> </div> </body> </text> </TEI> [260/0268]
ironisch sprechen; je mehr Zeit verging, in der sie ihn nicht sah, desto unerträglicher ward ihr’s, dergleichen auch nur zu hören von Andern. Adolf wurde immer mehr zu dem zweiten Adolf, für den sie empfindlich, besorgt, ja zärtlich war wie für Niemand sonst. Sie traute ihm die merkwürdigsten Eigenschaften zu, war auch überzeugt, daß einzig eine leidige Verkettung von Umständen ihn bis jetzt verhindert hatte, sich in „seinem waren Licht“ zu zeigen. Adelheid zog sich offenbar von ihr zurück, Mama Severin sogar sprach mit ärgerlichem Antheil von Rothermunds Liebenswürdigkeit. Sie hatte die zerstreute Familie besucht und zwei von ihnen zu Hause erwischt, aber das gab einem gleich einen Begriff, – einen Begriff – – und überhaupt dieser solide Luxus! Was sie am meisten freute, war, daß Leute wie die, die so dastanden, alle Kleider im Hause schneidern ließen! Denke Dir, Angelas und Marys Ballkleider! Auch August war entzückt davon; er konnte stundenlang von Rothermunds erzählen hören, die kleinsten Einzelheiten, wie sie die scharfen Blicke von Mutter und Tochter in ihr Gedächtniß notirt hatten.
Annita war ganz allein mit sich und Adolf. Wie er wuchs und sich verschönte von Tag zu Tage! Sogar äußerlich. Es war offenbar ein Irrthum, daß er dick sein sollte. Wer war nur auf diesen Unsinn verfallen? Er hatte im ganzen eine ungemein interessante Erscheinung, wie es eben selbstverständlich war für
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |